Bundeskanzler Olaf Scholz forderte auf der BSC mehr Entscheidungsfreude und Risikobereitschaft bei der "Beschaffung bis zur Ausrüstung, von der Strategie bis in die Einsätze". Foto: picture alliance/dpa/Michael Kappeler

30.11.2022
Von Yann Bombeke

Kämpferischer Kanzler auf der BSC

Bundeskanzler Olaf Scholz gab sich bei seinem Auftritt auf der Berlin Security Conference (BSC) kämpferisch. Die Solidarität unter den Partnernationen in Europa werde die europäische Sicherheitsarchitektur schützen und „Putins Neoimperialismus“ Einhalt gebieten, so der Kanzler.

„Russland, davon bin ich überzeugt, kann und wird diesen Krieg auf dem Schlachtfeld nicht mehr gewinnen“, sagte der Sozialdemokrat auf der größten sicherheitspolitischen Veranstaltung seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar. Die Angriffe Russlands auf zivile Infrastruktur seien eine „furchtbare und zugleich verzweifelte Strategie verbrannter Erde“.

Russland werde man damit nicht durchkommen lassen, so der Regierungschef. Trotz der erheblichen Auswirkungen des Krieges auch hierzulande bleibe die Solidarität mit der Ukraine ungebrochen. Das angegriffene Land werde weiter unterstützt – „wirtschaftlich, finanziell, humanitär, durch den Wiederaufbau zerstörter Energieinfrastruktur – und auch mit Waffen“.

Scholz erinnerte an seine Worte bei der Bundeswehrtagung im vergangenen September: „Der Kernauftrag unserer Streitkräfte ist die Landes- und Bündnisverteidigung – die Verteidigung der Freiheit in Europa. Alle anderen Aufgaben unserer Streitkräfte leiten sich daraus ab. Alle anderen Aufgaben ordnen sich diesem Auftrag unter!“

Scholz trat gemeinsam mit dem norwegischen Premierminister Jonas Gahr Støre auf die Bühne der BSC – Norwegen ist in diesem Jahr Partnernation der Veranstaltung. Und so zitierte Kanzler Scholz – wie schon der Altkanzler Willy Brandt bei der Annahme des Friedensnobelpreises in Oslo – Fridtjof Nansens: „Skynd dere å handle, før det er for sent å angre!“  Übersetzt: „Beeilt euch zu handeln, ehe es zu spät ist zu bereuen.“

Scholz betonte, dass es bei der Zeitenwende in der Bundeswehr um mehr geht als nur um „ziemlich viel Geld“. Von der Beschaffung bis zur Ausrüstung, von der Strategie bis in die Einsätze brauchen wir mehr Entscheidungsfreude, mehr Risikobereitschaft und effizientere Strukturen. Und wir brauchen eine europäische Verteidigungsindustrie, die den Ansprüchen moderner Streitkräfte gerecht wird.

Deutschland brauche zudem eine strategische Zeitenwende. „Dafür arbeiten wir intensiv an einer Nationalen Sicherheitsstrategie“, sagte Scholz. Diese Sicherheitsstrategie werde „einem breiten Spektrum an Bedrohungen und Herausforderungen und einer dauerhaft veränderten globalen Lage Rechnung tragen“. Scholz weiter: „Damit das gelingt, werden wir das Handeln aller staatlichen Ebenen enger miteinander verschränken, die Widerstandskräfte von Wirtschaft und Gesellschaft stärken, und Instrumente der Krisenbewältigung, -vorsorge und -nachsorge stärker aufeinander abstimmen.“ In diesem Zusammenhang sprach der Kanzler von einem Leitbild der „integrierten Sicherheit“.

Sicherheit und Wohlstand in Deutschland beruhten auf einer internationalen Ordnung, die Macht an Recht bindet, „so wie es die Charta der Vereinten Nationen mit ihren Prinzipien tut“, so Scholz.  Um diese Prinzipien zu erhalten, müsse Deutschland eng mit den Ländern kooperieren, die bereit sind, für diese Ordnung einzutreten. Der Kanzler warnte: „Wer die regelbasierte internationale Ordnung aber stört oder gar zerstören will, so wie Putins Russland, muss mit Deutschlands vehementen Widerstand rechnen.“

Der norwegische Premier betonte im Anschluss, dass auch sein Land dabei sei, seine militärischen Fähigkeiten zu stärken, insbesondere mit Blick auf den Norden, wo das skandinavische Land eine gemeinsame Grenze mit Russland hat. Jonas Gahr Støre sagte, dass sein Land den Beitritt von Schweden und Finnland aktiv unterstützt habe. Söre verspricht sich vom Beitritt der beiden nordischen Staaten ein deutlich verstärktes Bündnis.

Sowohl Scholz als auch Støre sind sich der Anfälligkeit kritischer Infrastruktur bewusst. Der Norweger wies darauf hin, dass allein sein Land für über 9000 Kilometer lange Pipelines verantwortlich sei. Für den Schutz dieser sensiblen Infrastruktur soll auch die NATO ins Boot geholt werden. Noch vor ihrem Auftritt bei der BSC hatten Scholz und Støre angekündigt, dass sie einen gemeinsamen Schutz der Energieinfrastruktur auf dem Meeresboden unter dem Dach des Bündnisses anstreben. Dazu soll Generalsekretär Jens Stoltenberg gebeten werden, eine Koordinierungsstelle für den Schutz der Unterwasserinfrastruktur einzurichten.

Unter den Zuhörern bei der BSC: Oberst André Wüstner. Der Bundesvorsitzende lobte „erneut gute, klare Worte von Bundeskanzler Olaf Scholz zur sicherheitspolitischen Rolle Deutschlands“. Wüstner weiter: „Eine Rede, die international gut ankam und unterstreicht, dass es gemeinsam mit unseren Partnern mehr denn je um Abschreckung und Wehrhaftigkeit geht. Allerdings besteht Abschreckung nicht nur aus einem 'Wollen', sondern auch aus einem 'Können'. Da sollte mit Blick auf die Bundeswehr weiter an effizienteren Strukturen und einer Beschleunigung von Beschaffungsverfahren gearbeitet werden. Bei Nachwuchsgewinnung und -bindung ist allerdings nicht nur gutes Material, sondern ebenso eine Attrakivitätsagenda vonnöten, die ihren Namen verdient. Denn entscheidend ist und bleibt in allen Streitkräften der Faktor Mensch. Soldaten, die bereit sind unsere Demokratie unter Inkaufnahme von Härten und Entbehrungen mit ihrem Leben zu verteidigen. Das Verteidigungsministerium wird sich daran messen lassen müssen.

Am Morgen war die BSC gestartet, insgesamt werden an beiden Tagen rund 1500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwartet. Am Nachmittag hatte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht in ihrer Rede die Veränderungen in der Welt seit dem 24. Februar beschrieben – und die deutsche Reaktion mit der Zeitenwende.

Am zweiten Tag der BSC wird unter anderem NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erwartet.

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