Oberstleutnant i.G. Marcel Bohnert (2.v.l.), stellvertretender Bundesvorsitzender, diskutierte in verschiedenen Panels auf der dritten Auflage des Ortskräftekongresses, hier mit Marcus Grotian, Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte e.V., Markus Kurczyk, Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte, Dr. Alema Alema, Pro Asyl, Tanja Rollett, Deutsches Institut für Menschenrechte, und Dr. Lukas Fuchs, Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung. Foto: DBwV/Judka Strittmatter

Oberstleutnant i.G. Marcel Bohnert (2.v.l.), stellvertretender Bundesvorsitzender, diskutierte in verschiedenen Panels auf der dritten Auflage des Ortskräftekongresses, hier mit Marcus Grotian, Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte e.V., Markus Kurczyk, Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte, Dr. Alema Alema, Pro Asyl, Tanja Rollett, Deutsches Institut für Menschenrechte, und Dr. Lukas Fuchs, Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung. Foto: DBwV/Judka Strittmatter

14.09.2024
Von Judka Strittmatter

„Mehr als ein Versprechen“

Auch der 3. Ortskräftekongress in Berlin befasste sich mit den rund 150 in Afghanistan verbliebenen Einheimischen, die als berechtigt klassifizierte Ortskräfte noch immer auf die zugesagte Ausreise nach Deutschland warten.

Berlin. Seit drei Jahren ist die Bundeswehr nicht mehr in Afghanistan stationiert – und noch immer gibt es viel aufzuarbeiten, was den gesamten Einsatz, den überstürzten Abzug der Truppe sowie die Evakuierung betroffener Mitarbeiter und Ortskräfte angeht. Mit der Aufarbeitung dieses längsten und gefährlichsten Auslandseinsatzes der Bundeswehr befassen sich ein Untersuchungsausschuss und eine Enquete-Kommission sowie diverse Menschenrechtsorganisationen.

In Berlin ist es das Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte e.V. (PAO), das nun zum dritten Mal zum Kongress in die Friedrichsstadtkirche einlud, um gemeinsam mit der Evangelischen Akademie zu Berlin, Pro Asyl und dem Deutschen BundeswehrVerband auf ein Versprechen zu pochen, das die deutsche Regierung bislang noch nicht vollständig eingelöst hat: nämlich die restlichen afghanischen Bundeswehr-Mitarbeiter und ihre Kernfamilien nach Deutschland zu holen. Denn sie und ihre Familien leiden besonders unter dem derzeitigen Taliban-Regime, besonders Frauen und Mädchen, die nach dem jüngsten „Tugend-Gesetz“ noch nicht mal mehr sprechen dürfen im öffentlichen Raum.

„Ohne die Ortskräfte seinerzeit hätte die Bundeswehr ihre Mission nicht erfüllen können“ erinnerte der Moderator und PAO-Mitglied Markus Kurczyk deshalb auch gleich zu Beginn der Veranstaltung die Versammelten. Auch wenn es bei der jetzigen Lage schwer sei, Kontakt zu den Verbliebenen zu halten, weil sie entweder aus Angst vor den Fundamentalisten sich nicht trauen, aus dem Haus zu gehen, sich bereits in Pakistan aufhalten oder – traurige Tatsache – nicht länger auf die Erfüllung des Versprechens warten wollten und sich selbst über unsichere Fluchtrouten in Richtung Deutschland aufgemacht haben.

„War es das wert?“, fragen sich deutsche Einsatz-Soldaten

Oberstleutnant i.G. Marcel Bohnert, stellvertretender DBwV-Bundesvorsitzender und selbst Afghanistan-Veteran, betonte wie schon im letzten Jahr, dass sich der DBwV „immer für das Schicksal der Menschen, die an der Seite unserer Bundeswehrangehörigen in Einsätzen standen, engagieren wird“. Da verspüre man im Verband eine „anhaltende moralische Verantwortung“. Generell habe gerade der Afghanistan-Einsatz auch bei vielen Bundeswehr-Soldaten zu einer Art „Sinnverlust“ geführt. „War es das wert?“ würden sie sich fragen angesichts des Ausgangs des Krieges, der Menge an traumatisierten Soldaten und all der Milliarden, die für den Aufbau einer funktionierenden Zivilgesellschaft ausgegeben wurden – quasi umsonst.

Bohnert nahm aber zufrieden zur Kenntnis, dass die Veranstaltung dieses Mal voller sei als die beiden vorangegangenen: „Da sieht man, dass das Thema noch nicht vollends an den Rand gedrängt ist“. Während einer Podiumsdiskussion mit den Parlamentariern Johannes Arlt (SPD), Jens Lehmann (CDU), Clara Bünger (Die Linke) und Julian Pahlke (Bündnis 90/Die Grünen) stimmte Bohnert auch einem viel diskutierten Argument zu, wonach in Zukunft bereits vor Auslandseinsätzen ein Verfahren etabliert werden müsse, um Situationen, wie man sie jetzt habe, zu vermeiden und allen Beteiligten Sicherheit garantieren zu können. „Ein Durchwurschteln ist dann hinfällig“, so Bohnert. Schon mit Beginn eines Auslandseinsatzes müsse jeder Beteiligte per Vertrag wissen, worauf er sich einlasse und was passieren würde bei erfolglosem Beenden oder Abbruch eines Einsatzes. Was dann mit ihm und seiner Familie passieren würde. Rechtssicherheit also.

Bundesaufnahmeprogramm noch finanziert in 2025?

Dem stimmte auch Michael Müller (SPD) zu, ehemaliger Regierender Bürgermeister von Berlin und Vorsitzender der Enquete-Kommission des Bundestages. Er kritisierte die Hürden des Aufnahmeverfahrens: „Die Leute haben gar keine Chance, dieses Verfahren zu bestehen!“ Auch müsse man fürchten, dass das Bundesaufnahmeprogramm, das im Oktober 2022 aufgelegt worden war, in 2025 überhaupt noch finanziert würde.

Beinahe alle Teilnehmer des Kongresses waren sich darin einig, dass das Ortskräfte-Thema in Zeiten nach dem Messer-Attentat in Solingen und einer verschärften Asylpolitik nicht unter den Tisch fallen dürfe und beides sauber voneinander getrennt werden müsse. Die Vertreterin von „Pro Asyl“, Dr. Alema Alema, hingegen meinte, es würde ein Terrorregime legitimiert werden, wenn Abschiebungen nach Afghanistan jetzt wieder an der Tagesordnung stünden.

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