"Es geht voran" - sagt Verteidigungsminister Boris Pistorius bei der Haushaltsdebatte im Bundestag. Die Opposition sieht das anders. Foto: picture alliance / Flashpic / Jens Krick

06.09.2023
Von Yann Bombeke

Verteidigungsausgaben: Rekordetat für die einen, Taschenspielertricks für die anderen

Die parlamentarische Sommerpause ist vorbei – mit den Beratungen zum Haushalt kehrt wieder Leben in den Bundestag ein. Und Streit: Dafür sind Heizungsgesetz und die düstere Wirtschaftslage nicht die einzigen Garanten, auch der Verteidigungsetat sorgt für parlamentarischen Zündstoff. Die Verteidigungsausgaben umfassen in 2024 insgesamt 51,8 Milliarden Euro, hinzu kommen Ausgaben in Höhe von 19,17 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen. Mehr Geld als je zuvor, aber reicht dies angesichts der gewaltigen Herausforderungen?

Berlin. Die Debatte um den Einzelplan 14 und damit um die geplanten Ausgaben für die Verteidigung standen erst am Mittwochnachmittag auf der Tagesordnung des Bundestages, und doch wurde schon am Morgen munter über Dinge wie das Sondervermögen und das Zwei-Prozent-Ziel gestritten. Die Aussprache über den Kanzleretat wird traditionell zur Generaldebatte über die Politik der amtierenden Regierung genutzt – und so stritt sich Bundeskanzler Olaf Scholz gleich zu Beginn mit CDU-Chef Friedrich Merz.

„Strukturelle Unterfinanzierung“

Auch über den Bereich Verteidigung: Merz warf der Ampel-Koalition vor, dass die Bundeswehr mit ihrer Politik weiterhin strukturell unterfinanziert bleibe – die Bundesregierung werde dem Anspruch einer Zeitenwende nicht gerecht. Vor allem die langfristige Finanzierung der Streitkräfte sei mangelhaft, spätestens 2027 werde eine Lücke von 30 Milliarden Euro im Verteidigungshaushalt klaffen, so Merz.

Der Kanzler konterte: Das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro werde jetzt ausgegeben, damit die Bundeswehr im kommenden Jahr das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erfülle. Und: „Wir garantieren der Bundeswehr zwei Prozent NATO-Quote auch 28, 29, 30, in den ganzen 30er Jahren – das soll jetzt so sein“, sagte Olaf Scholz, der dann noch seine Idee eines „Deutschland-Paktes“ vorstellte. Mithilfe einer nationalen Kraftanstrengung soll die Modernisierung des Landes beschleunigt werden – gemeinsam mit der Opposition und unter Einbeziehung von Bund, Ländern und Kommunen.

„Es geht voran“

Am Nachmittag ging es dann wieder um die Sicherheit, um die Bundeswehr, um die Verteidigung – und wie all das in den kommenden Jahren finanziert werden soll. „Die erste Feststellung voran: Es geht voran“, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius zur Eröffnung der Debatte über den Einzelplan 14. Im kommenden Jahr stehe der Bundeswehr „so viel Geld zur Verfügung wie noch nie“, sagte Pistorius und bekräftigte, dass man sich keine Abstriche bei der Verteidigung leisten könne.

„In Zukunft werden wir zwei Prozent in Sicherheit investieren – wir kommen damit unseren Verpflichtungen endlich nach“, sagte der Sozialdemokrat. Wichtige Beschaffungen weiterer Schützenpanzer und Luftverteidigungssysteme wie IRIS-T seien festgezurrt worden, so Pistorius, „und Arrow 3 wird zeitnah abgeschlossen“. Pistorius versprach, sich künftig für steigende Verteidigungsausgaben stark zu machen und warf der Union vor, mit ihrem Sparkurs in der Vergangenheit die Bundeswehr heruntergewirtschaftet zu haben. Der Ukraine wiederum versprach Pistorius erneut weitere Unterstützung. „Jeden Tag retten deutsche Waffen in der Ukraine ukrainisches Leben“, betonte der Minister.

Der SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz sagte, dass bis Ende dieses Jahres noch bis zu 40 25-Millionen-Vorlagen durch das Parlament gebracht würden – „jede dieser Vorlagen ist ein Stück Zeitenwende“, sagte Schwarz. Die Zusammenarbeit mit Israel beim Flugabwehrsystem Arrow 3 bezeichnete er als „historisch“.

„Tricksen, täuschen, tarnen“

Ganz anders sieht es die Opposition. Florian Hahn, verteidigungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, warf der Regierung „Eigenlob“ und „Ablenkungsmanöver“ vor.  „Ihre Rede trägt die Überschrift tricksen, täuschen, tarnen“, sagte Hahn in Richtung des Verteidigungsministers. „Die Ampel fährt mit diesem Haushalt die Bundeswehr mit Vorsatz an die Wand“, sagte Hahn. In spätestens drei Jahren klaffe eine Finanzierungslücke von 30 Milliarden Euro, warnte der CSU-Politiker.

Kerstin Vieregge (CDU) sprach ebenfalls von „Tricksereien“ mit Blick auf das Zwei-Prozent-Ziel.  Pistorius habe nicht ohne Grund noch vor einigen Wochen zehn Milliarden Euro mehr für die Bundeswehr gefordert. „Die anfängliche Aufbruchstimmung ist einem Gefühl der Ernüchterung gewichen“, stellte Vieregge fest und warnte: „Der Beruf Soldat wird nicht attraktiver, sondern immer unattraktiver.“

„Nicht die notwendige Anzahl an Panzern, Flugzeugen und Schiffen“

Oberst André Wüstner warnte vor einer Aufweichung des Sondervermögens. „Wenn man das Sondervermögen umschichtet, dann wird man im Schwerpunkt Dinge kaufen, die man aktuell braucht – Stichwort Betriebsausgaben – dies sind Mittel für Ersatzteile, Personal, Infrastruktur, für Munition und viele Dinge mehr. Aber definitiv nicht für die notwendige Anzahl an Kampfpanzern, an Schützenpanzern oder auch an Flugzeugen oder Schiffen“, warnte der Bundesvorsitzende.

Noch ist das letzte Wort in Sachen Haushalt nicht gesprochen – im Haushaltsausschuss wird in den kommenden Wochen weiter beraten und eventuell noch an der einen oder anderen Stellschraube gedreht. In der sogenannten Bereinigungssitzung am 16. November wird dann vermutlich wieder bis tief in der Nacht nochmals um jeden Euro gefeilscht. Den Haushalt abschließend beraten und beschließen wird der Bundestag dann ab dem 28. November.

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