Ein Feldwebel erklärt den letzten Grundwehrdienstleistenden im Januar 2011 den Aufbau des Spinds. Foto: picture alliance

Ein Feldwebel erklärt den letzten Grundwehrdienstleistenden im Januar 2011 den Aufbau des Spinds. Foto: picture alliance

23.09.2024
Von Eva Krämer

Wehrpflicht: Ein historischer Rückblick

2011 wurde in Deutschland der Grundwehrdienst ausgesetzt – nun schlägt Verteidigungsminister Pistorius einen „Neuen Wehrdienst“ vor. Die Geschichte der Wehrpflicht begann bereits vor 231 Jahren.

Der Dienst an der Waffe? Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine wird in Deutschland wieder über eine Wehrpflicht oder einen Wehrdienst diskutiert. Die Meinungen sind gespalten: Viele junge Leute können sich nicht vorstellen, eine Waffe in die Hand zu nehmen, für andere ist die Landes- und Bündnisverteidigung wichtiger denn je. Vor Kurzem stellte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) einen Plan für einen „neuen Wehrdienst” vor – ein bedeutender Teil der Zeitenwende.

Eins der ersten Länder, das eine Wehrpflicht einführte, war Frankreich: Die „Levée en masse“ verpflichte 1792 alle unverheirateten Männer zwischen 18 und 25 zum Kriegsdienst. So wuchs das französische Heer rasch auf eine Größe von einer Million Soldaten, was maßgeblich zum Sieg Frankreichs im Ersten Koalitionskrieg beitrug. In Deutschland wurde erst nach der Reichsgründung 1871 eine allgemeine Wehrpflicht eingeführt: Alle Männer mussten ab dem 20. Lebensjahr sieben Jahre lang in den Streitkräften dienen – zunächst als aktiver Soldat und später als Reservist in der Landwehr. Einen Ersatzdienst gab es nicht.

Neue Armee, neuer Wehrdienst

Im Dritten Reich wurde 1935 eine allgemeine Wehrpflicht für alle männlichen Bürger mit einer Dauer von einem Jahr eingeführt. Diktator Hitler verlängerte sie auf zwei Jahre. Einen Ersatz für den Wehrdienst gab es nicht – Deserteure und Kriegsdienstverweigerer wurden oft hingerichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ab 1955 die Bundeswehr unter Bundeskanzler Konrad Adenauer aufgebaut. Adenauer war klar, dass die von der NATO geforderte Truppenstärke von 500 000 Mann allein mit Berufssoldaten und Freiwilligen nicht zu realisieren wäre. Er erstritt, dass die Bundesregierung noch vor Gründung der Bundeswehr die Zustimmung zu einer Wehrpflicht im Grundgesetz durch das Parlament erreichte. Das Ergebnis: Am 21. Januar 1957 traten die ersten 10 000 Wehrpflichtigen ihren Dienst an – es gab aber die Möglichkeit, den Dienst an der Waffe zu verweigern und einen Ersatzdienst zu leisten.

Bausoldaten der DDR

Auch in der DDR gab es eine Wehrpflicht – obwohl die Nationale Volksarmee (NVA) zunächst eine reine Freiwilligenarmee war. Doch da die Freiwilligen nicht ausreichten, verpflichtete ein neues Gesetz ab 1962 alle Männer zwischen 18 und 26 Jahren zu einem Grundwehrdienst von 18 Monaten. Einen zivilen Wehrersatzdienst wie in der Bundesrepublik gab es nicht. Wer den Wehrdienst verweigerte, musste als „Bausoldat“ dienen und beim Bau militärischer Anlagen helfen. Die Arbeit war oft hart, die Verpflegung schlecht, scharfer Drill und Überwachung durch die Stasi gehörten zum Alltag. Totalverweigerer, die auch den Wehrersatzdienst nicht ableisten wollten, mussten mit hohen Haftstrafen rechnen: Rund 150 Totalverweigerer wurden jedes Jahr zu 18 bis 22 Monaten Haft verurteilt. Erst 1985 wurde diese Praxis ausgesetzt.

In der Bundesrepublik gab es bereits ab 1960 die Möglichkeit, den Wehrdienst zu verweigern. Die „Kriegsdienstverweigerer“ leisteten Zivildienst, meist in sozialen Bereichen wie in Krankenhäusern oder Altenheimen. Zwischen 1961 und 2011 leisteten über 2,7 Millionen Männer Zivildienst.

2011 endet die Einberufung zum Grundwehrdienst

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CDU) gab den Anstoß zur Aussetzung des Grundwehrdienstes – nach 55 Jahren. Nach dem russischen Angriffskrieg begann eine Diskussion über den Wehrdienst. Im Juni stellte Minister Boris Pistorius ein Modell für einen neuen Wehrdienst vor: Alle jungen Männer müssen künftig einen Fragebogen ausfüllen, im Anschluss kann eine Musterung anstehen. Wer dienen will und geeignet ist, kann eingezogen werden.

Wehrpflicht in anderen Ländern

In Dänemark sind nach Gesetz alle Männer wehrpflichtig, allerdings werden nur 6000 Personen eines Jahrgangs benötigt. In den letzten Jahren haben sich dafür ausreichend Freiwillige gemeldet. In Brasilien gibt es nach Gesetz grundsätzlich eine Wehrpflicht für alle männlichen Bürger. Die Praxis orientiert sich aber am Personalbedarf, sodass die meisten Brasilianer keinen Wehrdienst leisten müssen. Litauen führte aufgrund des Russisch-Ukrainischen Kriegs 2015 wieder eine Wehrpflicht ein, nachdem diese 2008 abgeschafft wurde. In Kenia gab es seit der Unabhängigkeit 1963 nie eine Wehrpflicht. In Italien existierte bis 2005 eine Wehrpflicht. 2018 schlug der Innenminister eine Wiedereinführung vor, die allerdings von der Regierung abgelehnt wurde. Marokko, Israel und Nordkorea zählen zu den wenigen Ländern, in denen eine Wehrpflicht für Männer und Frauen besteht. Der Wehrdienst in Nordkorea ist besonders hart: Männer müssen elf Jahre Dienst leisten und Frauen sieben Jahre. Island und Lichtenstein haben, wie einige weitere Länder, keine eigene Armee – so fällt die Frage nach einer Wehrpflicht weg.

Mit Rat und Hilfe stets an Ihrer Seite!

Nehmen Sie Kontakt zu uns auf.

Alle Ansprechpartner im Überblick