Bundestag stimmt Incirlik-Abzug zu, Streit um Drohnen
Berlin. Der Bundestag hat mit großer Mehrheit für einen Abzug der Bundeswehr aus dem türkischen Incirlik gestimmt. 461 von 569 Abgeordneten unterstützen einen Antrag von Union und SPD, der die Verlegung von sechs „Tornado“-Aufklärungsflugzeugen, eines Tankflugzeugs und rund 260 Soldaten nach Jordanien befürwortet. Es gab 85 Gegenstimmen und 23 Enthaltungen. Ein Antrag von Linken und Grünen, der nur einen Abzug ohne Alternativstandort vorsah, wurde abgelehnt.
Die Verlegung von Soldaten aus einem Nato-Land auf einen Stützpunkt außerhalb des Bündnisgebiets ist beispiellos in der Geschichte der Bundeswehr. Grund ist ein türkisches Besuchsverbot für Bundestagsabgeordnete bei den deutschen Soldaten in Incirlik. Die Regierung in Ankara hatte damit auf die Asylgewährung für türkische Soldaten in Deutschland reagiert.
Ein letzter Einigungsversuch von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) in Ankara war vor zwei Wochen gescheitert. Daraufhin hatte sich das Kabinett für einen Abzug der Soldaten entschieden, die Bombardements von Stellungen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak unterstützen.
Rechtlich war die Zustimmung des Bundestags nicht notwendig, weil in dem bestehenden Bundestagsmandat kein Stationierungsort genannt ist. Die Abstimmung hat aber eine große politische Bedeutung, weil die Bundeswehr als „Parlamentsarmee“ gilt. Die Entsendung von Soldaten in bewaffnete Einsätze ist nicht ohne Zustimmung des Bundestags möglich. 460 Abgeordnete lehnten den Antrag von Linken und Grünen ab, 109 waren dafür. Dieser sah einen Abzug ohne Alternativstandort vor. Hintergrund für diese Formulierung ist, dass die Linke dafür ist, den Anti-IS-Einsatz ganz zu beenden.
Die Vorbereitungen für den Umzug laufen bereits. Bis Ende Juni sollen die deutschen Flugzeuge aber noch von Incirlik aus fliegen. Dann gibt es eine Einsatzpause für den Umzug. Das Tankflugzeug soll ab der zweiten Juli-Hälfte von Al-Asrak in Jordanien aus operieren. Die „Tornados“ ziehen im August und September um und sollen dann im Oktober von Jordanien aus zu Einsätzen starten.
SPD will über Drohnen-Bewaffnung noch beraten
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen betonte, die Bundeswehr werde auch außerhalb des Nato-Gebiets nicht von den Verbündeten isoliert sein. „Wir haben aber eine Luftwaffenbasis, wo wir mit den Amerikanern sind und anderen Nato-Partnern“, sagte die CDU-Politikerin in der ARD-Sendung „Farbe bekennen“, die am Mittwochabend ausgestrahlt wurde. Das bedeute Schutz auf hohem Standard. Man tue das Äußerste, um die Soldaten zu schützen.
Während der Umzug der deutschen Soldaten innerhalb der Koalition weitgehend einstimmig gefasst wurde, deutet sich in einem anderen Punkt Streit an. Denn am Widerstand der SPD könnte eines der wichtigsten Rüstungsprojekte von der Leyens zum Ende ihrer Amtszeit noch scheitern. Die Bundeswehr will die Anmietung fünf israelischer Kampfdrohnen Heron TP noch in diesem Sommer unter Dach und Fach bringen - aber die SPD im Parlament blockiert den Deal bislang. „In der SPD gibt es noch Diskussionsbedarf, was die Bewaffnung angeht“, sagte der haushaltspolitische Sprecher, Johannes Kahrs.
Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, sagte, über die Bewaffnung wolle man jetzt nicht entscheiden. „Als reine Aufklärungsdrohne, die zweifellos später auch nachgerüstet werden kann, stimmen wir dem zu“, sagte Arnold. „Was anderes kommt für uns nicht in Frage.“ Es sei kein Mandat in Sicht, das diese Anwendung von Gewalt legitimieren würde. „Die Aktivierung dieser Technik machen wir nicht im Schweinsgalopp“, so Arnold. Die Union wolle die SPD in der Frage aber spalten, weil sie wisse, dass man sich damit schwer tue.
„Auf die Dauer ist es richtig, eine Aufklärungsdrohne zu haben, die selber in der Lage ist, sofort die Soldaten zu verteidigen“, sagte von der Leyen in der ARD. „Nur zuzuschauen, wie sie angegriffen werden, das kann ja nicht die Lösung sein.“
Die Luftwaffe fordert seit Jahren Kampfdrohnen zum Schutz der Soldaten in den Einsatzgebieten. Kritiker meinen, die ferngesteuerten Fluggeräte senkten die Hemmschwelle zum Waffeneinsatz, da es keine Piloten gibt, die gefährdet werden könnten. Die Heron-TP-Drohnen können bei Bedarf mit Raketen bewaffnet werden. Sie sollen die derzeit von der Bundeswehr in Afghanistan und Mali genutzten Aufklärungsdrohnen desselben Produzenten ersetzen, die für eine Bewaffnung zu klein sind.
Sieben Projekte wurden von der Tagesordnung genommen
Rüstungsgeschäfte mit einem Volumen von mehr als 25 Millionen Euro müssen vom Parlament abgesegnet werden. Kurz vor der Sommerpause winkte der Bundestag am Mittwoch das größte Rüstungspaket der Legislaturperiode durch. Die Parlamentarier gaben Projekte in Milliardenhöhe frei, etwa den Kauf von fünf Korvetten für die Marine für rund zwei Milliarden Euro. Es ging außerdem um die Beteiligung an einer Satellitenmission, um gepanzerte Transportfahrzeuge, um Kranfahrzeuge und die Umrüstung von Kampfhubschraubern. Die Linke sprach von einer „Aufrüstungsorgie“ und einem «Hauruckverfahren».
Ursprünglich sollte am Mittwoch über 29 Beschaffungsprojekte mit einem Finanzvolumen von knapp 15 Milliarden Euro beraten werden. Der Abschluss mehrerer Großgeschäfte steht aber immer noch auf der Kippe. Sieben Projekte wurden von der Tagesordnung des Ausschusses genommen - darunter ein Auftrag für Triebwerke für das pannengeplagte Transportflugzeug A400M und der umstrittene Kampfdrohnen-Deal.
Die letzte reguläre Sitzung des Haushaltsausschusses vor der Sommerpause findet am 28. Juni statt. Damit ist nicht mehr sicher, ob etwa die Verträge für die Kampfdrohnen noch wie geplant im Sommer unterzeichnet werden können.
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