Vom Cannabisgesetz bis zur Beförderungslage: Große Themenvielfalt bei der S1-Tagung des DBwV
Ohne den S1 läuft nicht viel in der Truppe – dem Deutschen BundeswehrVerband ist es daher traditionell ein wichtiges Anliegen, mit jenen im steten Kontakt zu bleiben, die in ihren Einheiten für die Personalführung und Personalgewinnung zuständig sind.
Bonn. Auf Einladung des Vorsitzenden des Fachbereichs Haushalt, Besoldung und Laufbahnrecht im DBwV-Bundesvorstand, Oberstleutnant i.G. Dr. Detlef Buch, kamen Mitte Oktober wieder mehr als 60 S1-Feldwebel und -Offiziere in Bonn zusammen, um sich über aktuelle Entwicklungen im Personalbereich zu informieren. Für die Tagung konnte der DBwV wieder hochkarätige Referenten aus dem Verteidigungsministerium und dem Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw) gewinnen.
Nachdem Oberstleutnant i.G. Dr. Buch das Programm für die zweitägige Veranstaltung vorgestellt hatte, brachte er die Anwesenden zunächst auf den neuesten Stand beim Gesetzgebungsverfahren zur Einführung des Alimentativen Ergänzungszuschlags.
Im Anschluss hatte Kapitän zur See Steffen Stoll, Abteilung II BAPersBw, das Wort. Kapitän zur See Stoll war bereits auf der S1-Tagung des Verbandes im vergangenen Jahr zu Gast und hatte damals betont, dass die Bundeswehr innovativere Wege bei der Personalgewinnung beschreiten müsse, um junge Menschen von einer Karriere in den Streitkräften zu überzeugen. Wie sieht es jetzt, ein Jahr später, aus? Die Bundeswehr ist unter anderem in den sozialen Medien aktiv, neuerdings auch auf der Social-Media-Plattform TikTok, um das Interesse junger Menschen der Generation Z und zunehmend auch der Nachfolge-Generation Alpha für die Bundeswehr zu wecken.
Nicht nur bei der Werbung kommt es dabei auf Schnelligkeit an: „Wir mussten Mechanismen so anpassen, dass wir es schaffen, einen jungen Menschen innerhalb von acht Tagen in die Bundeswehr einzustellen“, sagt Stoll. Dieser Weg über eine „Fast Lane“ sei zwar für Einzelfälle gedacht, aber notwendig. Für Kapitän zur See Stoll ist klar: „Wir müssen als Personalgewinnung dahin, dass wir nicht die Prozesse für uns optimieren, sondern für die Bewerberinnen und Bewerber.“
Über die Personalführung der Offiziere berichtete Oberstarzt Dr. Christoph Spengler aus dem BAPersBw Abteilung III. „Die Lage ist nicht gut“, sagte Oberstarzt Dr. Spengler mit Blick auf die aktuelle Planstellen- und Beförderungssituation. Das Problem: Die Planstellen sind nicht in dem Maße aufgewachsen wie der Personalkörper. „Wir hatten jetzt zwei Nullrunden in Folge – das merken wir“, sagte Dr. Spengler. Was den Planstellenhaushalt betrifft, hofft er noch auf „einen Schluck aus der Flasche“ bei der Bereinigungssitzung zum Haushalt im November.
Neues aus der Personalführung der Unteroffiziere und Mannschaften gab es vom Leiter der Abteilung IV im BAPersBw, Brigadegeneral Mario Thieme, zu hören. Thieme sieht die Kommunikation als ein Problem an: „Die Infos kommen nicht richtig an“, so der Brigadegeneral. Große Chancen in der Nachwuchsgewinnung sieht Thieme bei den FWDL. „Über 80 Prozent der FWDL haben das Potential, Feldwebel zu werden.“
Der zweite Tag gehörte den Referentinnen und Referenten aus dem BMVg. Den Anfang machte Regierungsdirektor Alexander Sanne, der zu einem Thema berichtete, das viel Verunsicherung in den Streitkräften ausgelöst hat: Der Umgang in der Bundeswehr mit der teilweisen Legalisierung von Cannabis. Sanne machte deutlich: „Das Gesetz verbietet Besitz, Anbau und Konsum in militärischen Bereichen – dort findet Cannabis nicht statt.“ Wichtig sei festzuhalten, dass Bestimmungen bzw. Einschränkungen, die sich aus dem Soldatengesetz ergaben, unberührt bleiben – und daher Soldatinnen und Soldaten auch vom Konsum von Cannabis außerhalb des Dienstes dringend abzuraten ist. Konkret: Es bleibt beim absoluten Verbot.
Oberstapotheker Dr. Benno Heinz Schade, BMVg P II 1, trug zu Beurteilungen und Beförderungssituation vor. Zunächst ging Schade auf die Rechtslage und aktuelle Gerichtsentscheidungen zum Beurteilungssystem ein – es bedürfe einer gesetzlichen Grundlage. Eine weitere Herausforderung sei die Integration des Beurteilungssystems in SASPF. Als Hauptgründe für Beförderungswartezeiten nannte Oberstapotheker Schade die Beschäftigung außerhalb von Dienstposten oder DPäK, Überplanung und Übergangsstrukturen sowie fehlende Planstellen.
Zum sogenannten Artikelgesetz Zeitenwende referierte Ministerialrätin Dr. Katharina Ziolkowski, BMVg RO II 4. Bei diesem Vorhaben geht es darum, die Attraktivität des Dienstes zu steigern, aber vor allem darum, die personelle Einsatzbereitschaft zu erhöhen, indem Personalgewinnung und -bindung verbessert werden. Rechtliche Änderungen ergeben sich in den Bereichen Arbeitszeitrecht, Trennungsgeldrecht, Besoldungs-/Versorgungsrecht sowie militärisches Laufbahnrecht. „Viele Bestimmungen werden der Funktionsfähigkeit der Brigade Litauen zugutekommen“, sagte Dr. Ziolkowski, das Gesetzesvorhabe sei dennoch keine reine „Lex Litauen“. DBwV-Justitiar Christian Sieh, der gemeinsam mit Oberstleutnant i.G. Dr. Buch durch die Tagung führte, sprach in Zusammenhang des „Artikelgesetzes Zeitenwende“ von einem „Riesengewinn in vielen Punkten“.
Änderungen wird es bei der Soldatenarbeitszeitverordnung (SAZV) geben. Punkte zu diesem Vorhaben stellte Oberst i.G. Sascha Zierold, BMVg EBU I 6, vor. Bei den zwei Säulen der Arbeitszeit – Grundbetrieb und Nicht-Grundbetrieb – werde es Präzisierungen geben, etwa für die Luftwaffe bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben der Nuklearen Teilhabe und der Verteidigung des Luftraums. Weitere Änderungen sind bei den Fristen zum Abbau von Mehrarbeit sowie für Personal zu erwarten, das bei Alarmierungen in bestimmten Verbänden eine Schlüsselrolle übernimmt.
Rege Diskussionen und viele Nachfragen der Teilnehmer zu allen Tagesordnungspunkten zeigten, dass der Verband mit der Auswahl der Themen sowie der Referentinnen und Referenten für die S1-Tagung erneut den richtigen Nerv getroffen hat.
Das sagen die Teilnehmer:
Oberleutnant Stephanie Schmitt, LogRegiment 4 in Volkach:
Ich habe die Veranstaltung als sehr gelungen empfunden. Die Vortragsanteile waren interessant und abwechslungsreich für die Teilnehmenden, die Inhalte wurden gut vermittelt und auch die Fragen wurden weitestgehend im Rahmen des Möglichen beantwortet. Ein weiterer großer Pluspunkt war, dass der Abteilungsleiter BAPersBw Abt. IV, Brigadegeneral Thieme, persönlich vorgetragen hat. Das hat man auch nicht so oft in der Art. Solche Veranstaltungen sind für mich auch immer optimal zum Netzwerken. Es war eine runde Sache!
Oberstabsfeldwebel Mario Mintken, Taktisches Luftwaffengeschwader 71 „Richthofen“:
Diese Tagungen sind immer wieder sehr wertvoll für den eigenen Bereich, auch mit Blick auf Bindung und Netzwerk. Als TruKa-Vorsitzender kenne ich diverse Tagungen, bin aber dennoch sehr positiv überrascht von der Gestaltung dieser Tagung mit der Aufteilung in einen ersten Teil Schwerpunkt Teil BAPers und einem zweiten Teil mit Schwerpunkt Ministerium.
Hauptfeldwebel Falko Heidebrunn, Spieß LogRegiment 4 in Volkach
Das ist das erste Mal, dass ich an dieser Tagung teilnehme. Ich bin ganz neu im S1-Geschäft und frisch Kompaniefeldwebel geworden. Das ist eine sehr gute Veranstaltung, rundum super organisiert und sehr informativ. Sehr schön finde ich auch, dass die einzelnen Vortragenden wirklich im Saft stehen. Da ist aussagekräftig und man kann damit arbeiten. Ich habe sehr viele Sachen für mich mitgenommen, die ich auch im Bereich der Kompaniefeldwebel am Standort weitergeben kann. Das gibt mir Handlungssicherheit im Tagesdienst.
Leutnant zur See Mathias Leuschner, Marinestützpunktkommando Kiel:
Das Wichtigste an diesen Veranstaltungen: Die Information. Wir leben im S1-Bereich, das Personal ist das Hauptgeschäft, das wir haben und die Menschen, die wir betreuen, sind das wichtigste Gut. Natürlich kann man sich auch belesen, aber dieses Info-Tagungen sind perfekt, um Informationen zu sammeln von wirklich hochkarätigen Referenten, die uns hier tief in die Materie mitgenommen haben. Was ich mir wünschen würde für die Zukunft: Es hängt ganz viel am Bedarfsträger. Vielleicht könnte man bei den nächsten Veranstaltungen ein oder zwei Vertreter dazu holen, um die Fragen zu klären: Warum machen wir bei der einen Verwendungsreihe eine Prämie, verlängern sie aber nicht auf SaZ 25 oder übernehmen den einen zum Berufssoldaten, den anderen aber nicht. Das sind auch ganz wichtige Fragen, die uns Soldaten vor Ort stellen, die wir aber auch nur bedingt beantworten können. Gerade bei der Marine sind wir sehr eingeschränkt, natürlich auch, weil wir eine kleine TSK sind. Schwierig ist es, wenn man das eigene Personal hat und gerne an sich binden möchte, weil man das Potenzial dieser Menschen für sich ausschöpfen möchte, sie aber dann ziehen lassen muss. Das ist für das Gesamtbild der Bundeswehr gut, für die einzelnen Einheiten aber nicht immer so toll. Ansonsten: Wieder eine sehr schöne Tagung mit hochkarätigen Referenten!
Oberleutnant Lukas Jochum, Personaloffizier UniBw München
Ich persönlich teile sehr die Einschätzung von Brigadegeneral Thieme: Kommunikation ist der Schlüssel. Ganz oft werden produktive Maßnahmen vom BAPers angestoßen, die bei der Truppe aber nicht in der Art ankommen, wie sie gemeint waren. Da ist es einfach wichtig, dass wir auf die modernen, digitalen Medien zugreifen. Die Roadshow, die BAPerBw jetzt eröffnet hat, ist ein gutes Medium dazu. Informativ war es zu erfahren, dass BAPersBw ein ausführendes Organ der Bedarfsträgerforderung ist. Die S1-Tagung ein sehr schönes Medium, um Informationen in die Fläche zu bringen. Es wäre schön, wenn es mehr Angebote dieser Art gäbe und umso schöner, dass der Verband diese Lücke der Bundeswehr schließt.