Kasernennamen unter der Lupe (1): Julius Leber - Vermächtnis eines Widerstandskämpfers
Berlin. Jubiläum für die Bundeswehr in Berlin: 25 Jahre ist sie in diesem Jahr in der Hauptstadt. In der Julius-Leber-Kaserne wurde das bereits mit einem Tag der offenen Tür gefeiert. Für uns ist es Anlass, den Namensgeber zu betrachten. In der Serie „Kasernennamen unter der Lupe“ werden einige Persönlichkeiten beleuchtet, deren Namen an den Toren der Standorte prangen. Den Auftakt macht der Widerstandskämpfer Julius Leber.
Französische Soldaten nahmen samt Gerät an dem Aktionstag zum 25-jährigen Jubiläum in der Berliner Kaserne und der dynamischen Vorführung des Heeres teil. Denn 1994 übergaben die Franzosen das Areal in deutsche Hände, fortan ist es Bundeswehrstandort. 1995 wurde die Kaserne nach Julius Leber benannt und hat mehr als 2.800 Dienstposten (Stand: 22. Juli 2019) inklusive Zivilbeschäftigten, Rekruten und Lehrgangsteilnehmern. Was macht Julius Leber so bedeutsam, dass ein Standort der Bundeswehr nach ihm benannt wird? Er war ein Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, der im Kampf gegen das Hitler-Regime sein Leben ließ.
Julius Hieronymus Leber wurde 1891 in Biesheim (Elsass) geboren. Er studiert in Straßburg und Freiburg Nationalökonomie und Geschichte. 1913 tritt er in die SDP ein. Im Ersten Weltkrieg setzt Leber sich für die Bewilligung der Kriegskredite und für die Burgfriedenpolitik der SPD ein. Die zerstrittenen deutschen Parteien schlossen einen Burgfrieden und vereinbarten, für die Dauer des Krieges ihre Differenzen nicht mehr öffentlich zu machen. Vor diesem Hintergrund sagte Kaiser Wilhelm II. „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche“. Das bekannteste Zitat des damaligen Kaisers.
Julius Leber meldet sich 1914 freiwillig zum Kriegsdienst, bis 1918 kämpft er. Er wird zweimal verwundet. Zum Leutnant befördert, bleibt er auch nach dem Ende des Krieges in der Armee. Nach der Novemberrevolution 1919 kommt er in die Reichswehr und dient bei den Grenzschutztruppen im Osten. 1920 kommt es zur Militärrevolte unter Führung von Walther von Lüttwitz. Leber stellt sich mit seiner Einheit in Hinterpommern auf die Seite der Republik. Er ist Teil von Kämpfen mit aufständischen Soldaten. Aus Protest verlässt er die Reichswehr und schließt sein Studium in Freiburg ab.
Sein neues Tätigkeitsfeld findet er in Lübeck beim sozialdemokratischen „Lübecker Volksboten“, wo Leber Chefredakteur wird. Als Politiker engagiert er sich für die Festigung der Weimarer Republik. 1924 schafft Leber den Sprung zum Reichsabgeordneten der Sozialdemokraten. Wehrpolitik ist sein vorrangiges Thema. Die Vermittlung zwischen Arbeiterschaft und Reichswehr steht für ihn dabei besonders im Fokus.
1928 stellt sich Leber gegen die Mehrheit seiner eigenen Partei, indem er Reichskanzler Hermann Müller in der Durchsetzung des Panzerkreuzbaus unterstützt. „Kinderspeisung statt Panzerkreuzer“ lautet eigentlich die Parole der SPD im Wahlkampf 1928. Denn die Zuschüsse für die Schulkinderspeisung sollten gestrichen und stattdessen in den Bau eines Schiffes, eines Panzerkreuzers fließen. Müller bildet nach der für die SPD erfolgreichen Wahl im Juni 1928 eine Koalition mit DVP, Zentrum und Deutscher Demokratischer Partei (DDP). Doch er verliert 1930 den Rückhalt seiner Partei, der SPD. In der eher nachrangigen Frage der Arbeitslosenversicherung fand sich keine Einigung und kein Kompromiss. Nach dem Sturz des Kabinetts Müllers setzt sich Julius Leber im „Reichsbanner“ im aktiven Kampf gegen den politischen Rechtsradikalismus ein.
Opfer eines Mordanschlags
Das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ wurde auf Initiative der SPD bereits 1924 in Magdeburg gegründet, es stand für den Schutz der parlamentarischen Demokratie. Auch das Zentrum und die DDP und die Gewerkschaften trugen das Banner. Die Anhänger machten es sich zur Aufgabe, die Weimarer Republik gegen die rechts- und linksextremistischen Feinde zu verteidigen. Es entwickelte sich zu einer der größten Massenorganisationen der Weimarer Republik. Der Bruch der Weimarer Koalition läutete das Ende der Republik ein.
Ende Januar 1933, direkt nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, wird Leber Opfer eines Mordanschlags. Einer der Angreifer wird von Reichsbannerangehörigen getötet. Leber überlebt. Im Februar wird er festgenommen. Die Lübecker Arbeiterschaft kann eine Freilassung des Widerstandskämpfers erwirken. Leber weigert sich jedoch – trotz des versuchten Anschlags auf sein Leben – in Ausland zu flüchten.
Seine Freiheit wehrt nicht lange, denn nach seiner Wiederwahl in den Reichstag wird Leber am 23. März verhaftet. So wurde seine Teilnahme an der Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz verhindert. 20 Monate sitzt Leber im Gefängnis. Er gilt als gefährlicher Gegner des Regimes und wird ins Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht.
Erst 1937 kommt Leber frei. Er hält weiter am Widerstand fest und erhält Unterstützung von Gustav Dahrendorf. Leber beteiligt sich an einer Kohlenhandlung in Berlin, welche Tarnung für eine Widerstandsgruppe ist. Er wird immer wieder verhört, wiederholt gibt es Hausdurchsuchungen – was den Sozialdemokraten nicht davon abhält, die Widerstandsgruppe mit Genossen aufzubauen.
So kreuzen sich auch die Wege von Leber und Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der später mit dem Hitlerattentat vom 20. Juli 1944 in die Geschichte eingehen soll. Leber sucht Kontakt zur Wehrmachtsführung, weil er einen Putsch ohne die Unterstützung der Generale als aussichtslos erachtet. So entsteht der Kontakt zu Stauffenberg.
Die Bewegung wächst
Die Widerstandsbewegung wird immer größer. Leber steht 1943 dann in engem Austausch mit Carl Friedrich Goerdeler, ebenfalls überzeugter Gegner des Hitler-Regimes und Widerständler, sowie im engen Kontakt mit dem Kreisauer Kreis, welcher sich mit der grundlegenden staatlichen, wirtschaftlichen und sozialen Neugestaltung nach dem Sturz der Nationalsozialisten befasste. Der Kreisauer Kreis entwickelte sich zum Zentrum des bürgerlichen Widerstands. Leber fordert einen radikalen Neubeginn. Die Verschwörer um Stauffenberg sehen Leber in der Funktion des Innenministers vor.
Im Juni 1944 setzt sich Leber mit der kommunistischen Untergrundgruppe um Anton Saefkow in Verbindung, um den Widerstand zu erweitern. Doch im Juli wird Leber von der Geheimen Staatspolizei verhaftet. Ein Kommunist hatte ihn verraten. Im Oktober verhängt der Volksgerichtshof das Todesurteil für Leber. Von der Geheimen Staatspolizei wird der Widerstandskämpfer monatelang schwer misshandelt – erfolglos: Leber legt kein Geständnis ab.
Am 5. Januar 1945 endet die Folter – aber auch Lebers Leben. Julius Leber wird in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
So funktioniert die Namensvergabe
„Kasernen und Namen sind Teil des Traditionsverständnisses, dieses Verständnis kann nicht verordnet werden, es muss wachsen“, erläutert ein Sprecher des BMVg auf DBwV-Anfrage. Der Traditionserlass wurde am 28. März 2018 in Hannover gezeichnet. „Er setzt den Rahmen und die Richtlinien für das Traditionsverständnis innerhalb der Bundeswehr“, so der Sprecher weiter. Bei der Namenswahl geht es unter anderem auch darum, dass sich die Angehörigen der Bundeswehr mit ihm identifizieren können, weil er für ihren täglichen Dienst Bedeutung hat.
„Die Initiative für die Benennung einer Kaserne liegt grundsätzlich bei der vor Ort stationierten Truppe“, sagt der Sprecher und schildert das Vorgehen. „Der Kasernenkommandant stimmt den beabsichtigten Namensvorschlag mit den Kommandeuren und Dienststellenleitern der in der Kaserne untergebrachten Truppenteile und Dienststellen ab. Besteht bei der Truppe Einvernehmen zu einem Namensvorschlag, so ist die Zustimmung des Inspekteurs des zuständigen militärischen Organisationsbereiches auf dem Dienstweg einzuholen. Anschließend ist die Stadt oder Gemeinde, bei der sich die Kaserne befindet, zu beteiligen.“ Ist die Benennung nach einer verdienten Persönlichkeit beabsichtigt, wird auch die schriftliche Zustimmung der nächsten Angehörigen oder Nachkommen des zukünftigen Namensgebers benötigt.
Die Entscheidung fällt im Ministerium
Der endgültige Namensvorschlag muss dann dem Verteidigungsministerium zur Genehmigung vorgelegt werden. Ist diese erteilt, wird die Namensgebung der Liegenschaft durch die Dienststellen vor Ort unter feierlicher Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt. „Erst mit diesem feierlichen Akt ist die Namensgebung abgeschlossen. Die Benennung erlischt mit Aufgabe der Liegenschaft durch die Bundeswehr.“
Ist eine Umbenennung der Kaserne angestrebt, verhält es sich ebenso. Der Grundstein dafür sollte von den Soldatinnen und Soldaten vor Ort kommen. Der Vorschlag wird dann im Standort und mit dem kommunalen Umfeld diskutiert, bevor der Antrag auf eine Umbenennung eingereicht wird. Wichtig ist auch hierbei, dass der Name sinnstiftend für das Traditionsverständnis der Bundeswehr ist.