Kasernennamen unter der Lupe (8): Ulrich de Maizière – ein Vordenker
Wer waren die Persönlichkeiten, deren Namen groß an den Kasernen prangen? In der Serie „Kasernennamen unter der Lupe“ werden einige dieser bedeutenden Menschen beleuchtet. Den Auftakt machte der Widerstandskämpfer Julius Leber, es folgten der Physiker Heinrich Hertz, der in Afghanistan gefallene Hauptfeldwebel Tobias Lagenstein und Generalfeldmarschall Erwin Rommel, der Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der unvergessene Feldwebel Erich Boldt und Lucius D. Clay, der die Luftbrücke ins Leben rief. Im achten der Serie geht es um einen der Väter der Inneren Führung, Ulrich de Maizière. Er ist Namensgeber für den Sitz der Inneren Führung in Koblenz.
Koblenz. Dass es die Bundeswehr gibt, ist nicht zuletzt auch ein Verdienst von Ulrich de Maizière. Er widmete sein Leben dem Dienst in der Armee, dem Wiederaufbau der deutschen Streitkräfte und der Entwicklung der Bundeswehr. Er zählt zu den großen Soldaten des Landes und gilt als einer der Väter der Inneren Führung. Weshalb das Hauptgebäude des Zentrums für Innere Führung in Koblenz den Namen „General Ulrich de Maizière-Campus“ trägt – auf Initiative von Dr. Monika von Hassel, Witwe des damaligen Verteidigungsministers. „Wir feiern einen Vordenker, der wie wenige andere daran mitgewirkt hat, dass Innere Führung zu dem Wesensmerkmal unserer Bundeswehr wurde“, würdigte General Zorn seinen Vorgänger in der Ansprache zur Enthüllung der Gedenk- und Namensplakette im Juli 2019.
"Das Herzstück des auf „Himmerod“ aufbauenden Selbstverständnisses der Bundeswehr ist personifiziert im Namen von Ulrich de Maizière, dem von meinem Mann im Sommer 1966 ins Amt berufenen Generalinspekteur. Ich bin glücklich, dass mit der Koblenzer Namensgebung vom 9. Juli dieses Jahres, das bleibende und zukunftsweisende Andenken an diesen Menschen seine Gestaltung gefunden hat, und ich danke allen an der Umsetzung meines Vorschlag Beteiligten, besonders dem heutigen „GI“ Herrn General Eberhard Zorn", sagte Dr. von Hassel.
Ulrich de Maizière wurde am 24. Februar 1912 in Stade geboren. Erwog er zunächst, Musiker zu werden – das Piano bliebt Zeit seines Lebens seine Leidenschaft – oder gar Jura zu studieren, entschied er sich letztlich für den Dienst in der Armee. Er war Soldat der Reichswehr und der Wehrmacht. Nach dem Zweiten Weltkrieg zählte er zu den ersten Mitarbeitern der „Dienststelle Blank“. „Er war als solcher an allen wesentlichen Weichenstellungen in der Gründungsphase der Bundeswehr unmittelbar beteiligt“, betonte General a.D. Volker Wieker in seiner Rede zum Gedenken de Maizières an dessen 100. Geburtstag. De Maizière war auch der erste deutsche Offizier, der offiziell von der noch jungen Bundesrepublik als Militärexperte ins Ausland entsandt wurde. Er war 1951 der Berater von Walter Hallstein bei der internationalen Konferenz über die Bildung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft – ein wichtiger Auftrag. Waren doch viele im In- und Ausland gegen eine Wiederbewaffnung Deutschlands.
Die Bemühungen waren erfolgreich, 1955 erfolgte die Gründung der Bundeswehr. Ulrich de Maizière wurde Oberst und trat seinen Dienst im heutigen Verteidigungsministerium an. Er widmete sich Führungsfragen der Landesverteidigung im Führungsstab der Bundeswehr. 1956 folgte die Verwendung als Brigadegeneral, in dieser Zeit erprobte und etablierte de Maizière das Brigadekonzept für die Bundeswehr. 1960 wurde er Kommandeur der Schule für Innere Führung. 1962 trat er den Posten des Kommandeurs der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg an, wo er noch im selben Jahr zum Generalmajor befördert wurde.
1964 ging es für de Maizière nach Bonn – als Inspekteur des Heeres. Während seiner Amtszeit wurden unter anderem der Kampfpanzer Leopard 1 und mehr als 130 Transporthubschrauber angeschafft sowie die Verpflichtungszeit auf 15 Jahre erhöht.
Im August 1966 wurde de Maizière vom damaligen Verteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel zum ranghöchsten Soldaten der Bundeswehr, zum Generalinspekteur ernannt. Er trat damit die Nachfolge von Heinz Trettner an, der wegen der Starfighter-Affäre und Konflikten zwischen ziviler und militärischer Führung im Verteidigungsministerium sein Amt niederlegte. Auf von Hassel folgte 1969 Helmut Schmidt als Verteidigungsminister. De Maizière setzte sich in seiner Amtszeit für Reformen der Bundeswehr ein. So wurden beispielsweise 1970 die Bundeswehruniversitäten in München und Hamburg gegründet. Am 31. März 1972 ging de Maizière in den Ruhestand.
Am 26. August 2006 verstarb de Maizière in Bonn. Eine große Ehrung seines Lebenswerks wurde ihm postum im Juli 2019 zuteil, als das Hauptgebäude des Zentrums für Innere Führung in Koblenz nach ihm benannt wurde. Beim Festakt zur Enthüllung und Einweihung der Plakette zählten unter anderen Dr. Monika von Hassel, Generalinspekteur Eberhard Zorn, Söhne und Familienangehörige de Maizières zu den Ehrengästen.
Wie Kasernen ihre Namen erhalten
„Kasernen und Namen sind Teil des Traditionsverständnisses, dieses Verständnis kann nicht verordnet werden, es muss wachsen“, erläutert ein Sprecher des BMVg auf DBwV-Anfrage. Der Traditionserlass wurde am 28. März 2018 in Hannover gezeichnet. „Er setzt den Rahmen und die Richtlinien für das Traditionsverständnis innerhalb der Bundeswehr“, so der Sprecher weiter. Bei der Namenswahl geht es unter anderem auch darum, dass sich die Angehörigen der Bundeswehr mit ihm identifizieren können, weil er für ihren täglichen Dienst Bedeutung hat.
„Die Initiative für die Benennung einer Kaserne liegt grundsätzlich bei der vor Ort stationierten Truppe“, sagt der Sprecher und schildert das Vorgehen. „Der Kasernenkommandant stimmt den beabsichtigten Namensvorschlag mit den Kommandeuren und Dienststellenleitern der in der Kaserne untergebrachten Truppenteile und Dienststellen ab. Besteht bei der Truppe Einvernehmen zu einem Namensvorschlag, so ist die Zustimmung des Inspekteurs des zuständigen militärischen Organisationsbereiches auf dem Dienstweg einzuholen. Anschließend ist die Stadt oder Gemeinde, bei der sich die Kaserne befindet, zu beteiligen.“ Ist die Benennung nach einer verdienten Persönlichkeit beabsichtigt, wird auch die schriftliche Zustimmung der nächsten Angehörigen oder Nachkommen des zukünftigen Namensgebers benötigt.
Der endgültige Namensvorschlag muss dann dem Verteidigungsministerium zur Genehmigung vorgelegt werden. Ist diese erteilt, wird die Namensgebung der Liegenschaft durch die Dienststellen vor Ort unter feierlicher Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt. „Erst mit diesem feierlichen Akt ist die Namensgebung abgeschlossen. Die Benennung erlischt mit Aufgabe der Liegenschaft durch die Bundeswehr.“
Ist eine Umbenennung der Kaserne angestrebt, verhält es sich ebenso. Der Grundstein dafür sollte von den Soldatinnen und Soldaten vor Ort kommen. Der Vorschlag wird dann im Standort und mit dem kommunalen Umfeld diskutiert, bevor der Antrag auf eine Umbenennung eingereicht wird. Wichtig ist auch hierbei, dass der Name sinnstiftend für das Traditionsverständnis der Bundeswehr ist.