Ein Eingangstor zur Graf-Stauffenberg-Kaserne in Dresden. Foto: dpa

Ein Eingangstor zur Graf-Stauffenberg-Kaserne in Dresden. Foto: dpa

11.09.2019
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Kasernennamen unter der Lupe (5): Claus Schenk Graf von Stauffenberg – Aufstand des Gewissens

Wer waren die Persönlichkeiten, deren Namen groß an den Kasernen prangen? In der Serie „Kasernennamen unter der Lupe“ werden einige dieser bedeutenden Menschen beleuchtet. Den Auftakt machte der Widerstandskämpfer Julius Leber, es folgten der Physiker Heinrich Hertz, der in Afghanistan gefallene Hauptfeldwebel Tobias Lagenstein und Generalfeldmarschall Erwin Rommel. Im fünften Teil widmen wir uns dem Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg.

Die 2010 angestoßene Neuausrichtung der Bundeswehr war ein Schock für die Streitkräfte: Jeder fünfte Standort sollte geschlossen werden. Auf der Streichliste stand auch die Graf-Stauffenberg-Kaserne in Sigmaringen, ein traditionsreicher Standort des Heeres im Südwesten der Republik. Das wurde von vielen Menschen als wenig einfühlsam empfunden, so räumte auch der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière, der das Reformprojekt von seinem Amtsvorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg übernommen hatte, ein: „Eine Graf-Stauffenberg-Kaserne schließt man nicht so leichthin.“ Es war klar, dass auch in Zukunft ein Bundeswehrstandort den Namen des Hitler-Attentäters Stauffenberg tragen sollte – die Wahl fiel auf die Offizierschule des Heeres (OSH) in Dresden.

Im Traditionsverständnis der Bundeswehr gibt es kaum eine bedeutendere Persönlichkeit als Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der mit seinem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler zur Symbolfigur des Widerstands gegen das mörderische NS-Regime wurde.

Stauffenberg kommt am 15. November 1907 im bayrischen Jettingen zur Welt. Mit 18 Jahren tritt er 1926 in die Reichswehr ein und absolviert in den beiden folgenden Jahren seine Ausbildung an der Infanterieschule in Dresden. Stauffenberg ist Nationalist und unterstützt den Aufstieg der Nationalsozialisten in Deutschland. Zu Beginn des Krieges wird Stauffenberg zunächst als Oberleutnant in einer Panzerdivision beim Überfall auf Polen eingesetzt. Am Westfeldzug gegen Frankreich nimmt er als Generalstabsoffizier teil.
 
Der Widerstandsbewegung gegen das NS-Regime schließt er sich er in den Jahren 1942 bis 1943 an. Es sind die deutschen Massenmorde in Europa, aber auch die zunehmenden Zweifel an der militärischen Führung, die Stauffenberg zu diesem Schritt veranlassen. Im März 1943 wird Stauffenberg, zu diesem Zeitpunkt im Rang eines Oberstleutnants i.G., mit der 10. Panzerdivision in Nordafrika eingesetzt. Bei einem britischen Tieffliegerangriff wird der Offizier schwer verwundet und verliert sein linkes Auge, die rechte Hand und zwei Finger der Linken.

Im Oktober 1943 wird Stauffenberg zum Stabschef des Allgemeinen Heeresamts in Berlin ernannt. Leiter des Amts ist General der Infanterie Friedrich Olbricht, der zu diesem Zeitpunkt schon der Widerstandsgruppe um Generalmajor Henning von Tresckow, Generaloberst Ludwig Beck und Generalmajor Hans Oster angehört. Der Verschwörergruppe gehören neben weiteren Wehrmachtsoffizieren auch die Politiker Carl Friedrich Goerdeler und Julius Leber an.

Mit seiner Ernennung zum Stabschef des Allgemeinen Heeresamtes erhält Stauffenberg Zugang zu den Lagebesprechungen in den „Führerhauptquartieren“. Da in den Monaten zuvor mehrere Attentatsversuche gescheitert waren, beschließt Stauffenberg, den Tyrannenmord selbst durchzuführen. Nach der Beseitigung Hitlers soll mit dem Unternehmen „Walküre“ der Staatsstreich vollzogen werden. Dieser Plan ist eigentlich für die Niederwerfung innerer Unruhen vorgesehen und soll den Attentätern den Vorwand liefern, gegen SS-, SD- oder Gestapo-Einheiten vorzugehen, die den Umsturz gefährden könnten.

Am 20. Juli 1944 schreiten Stauffenberg und sein Adjutant Werner von Haeften zur Tat. Im Besprechungsraum des „Führerhauptquartiers Wolfsschanze“ deponiert Stauffenberg seine Tasche mit Sprengstoff und verlässt unter einem Vorwand den Raum. Um 12.42 Uhr detoniert die Sprengladung, doch Hitler überlebt. Stauffenberg und Haeften war es zuvor nur gelungen, einen von zwei vorgesehenen Sprengsätzen scharf zu machen. Zudem fand die Besprechung nicht wie üblich in einem Betonbunker, sondern in einer Holzbaracke statt, was die Wucht der Explosion minderte. Im Moment der Detonation beugte sich Hitler über den schweren Kartentisch, was ihn vermutlich vor schwereren Verletzungen bewahrte.
 
Stauffenberg und Haeften fliegen zurück nach Berlin, im festen Glauben, dass der Anschlag geglückt sei. Bei den Mitverschwörern in Berlin gehen hingegen widersprüchliche Meldungen ein, sie zögern, den festgelegten Plan zum Staatsstreich umzusetzen. Am späten Abend wird Stauffenberg im Bendlerblock verhaftet und kurz darauf mit Werner von Haeften, Albrecht Ritter von Quirnheim und Friedrich Olbricht im Hof des Bendlerblocks erschossen. In den folgen Tagen und Wochen werden zahlreiche weitere Widerstandskämpfer verhaftet und nach Schauprozessen vor dem Volksgerichtshof hingerichtet.

Im Nachkriegsdeutschland werden Stauffenberg und die anderen Verschwörer vom 20. Juli vielerorts posthum geehrt. Im Hof des Bendlerblocks, am Ort der Hinrichtung der Hitler-Attentäter, erinnert eine Gedenktafel an die Widerstandskämpfer. Der Bendlerblock ist heute Sitz der Gedenkstätte deutscher Widerstand. Jahr für Jahr erinnert die Bundeswehr am 20. Juli mit öffentlichen Gelöbnissen an das gescheiterte Attentat auf Hitler.
 
Nach der Gründung der Bundeswehr wurde die Liegenschaft in Sigmaringen nach Stauffenberg benannt. Als Folge der Schließung des Standorts Sigmaringen wurde 2013 die Dresdener Albertstadt-Kaserne in Graf-Stauffenberg-Kaserne umbenannt. Die Wahl der Offizierschule des Heeres macht Sinn: Schließlich wurde Stauffenberg dort zu Beginn seiner militärischen Laufbahn ausgebildet.

So funktioniert die Namensvergabe
„Kasernen und Namen sind Teil des Traditionsverständnisses, dieses Verständnis kann nicht verordnet werden, es muss wachsen“, erläutert ein Sprecher des BMVg auf DBwV-Anfrage. Der Traditionserlass wurde am 28. März 2018 in Hannover gezeichnet. „Er setzt den Rahmen und die Richtlinien für das Traditionsverständnis innerhalb der Bundeswehr“, so der Sprecher weiter. Bei der Namenswahl geht es unter anderem auch darum, dass sich die Angehörigen der Bundeswehr mit ihm identifizieren können, weil er für ihren täglichen Dienst Bedeutung hat.

„Die Initiative für die Benennung einer Kaserne liegt grundsätzlich bei der vor Ort stationierten Truppe“, sagt der Sprecher und schildert das Vorgehen. „Der Kasernenkommandant stimmt den beabsichtigten Namensvorschlag mit den Kommandeuren und Dienststellenleitern der in der Kaserne untergebrachten Truppenteile und Dienststellen ab. Besteht bei der Truppe Einvernehmen zu einem Namensvorschlag, so ist die Zustimmung des Inspekteurs des zuständigen militärischen Organisationsbereiches auf dem Dienstweg einzuholen. Anschließend ist die Stadt oder Gemeinde, bei der sich die Kaserne befindet, zu beteiligen.“ Ist die Benennung nach einer verdienten Persönlichkeit beabsichtigt, wird auch die schriftliche Zustimmung der nächsten Angehörigen oder Nachkommen des zukünftigen Namensgebers benötigt.

Die Entscheidung fällt im Ministerium

Der endgültige Namensvorschlag muss dann dem Verteidigungsministerium zur Genehmigung vorgelegt werden. Ist diese erteilt, wird die Namensgebung der Liegenschaft durch die Dienststellen vor Ort unter feierlicher Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt. „Erst mit diesem feierlichen Akt ist die Namensgebung abgeschlossen. Die Benennung erlischt mit Aufgabe der Liegenschaft durch die Bundeswehr.“

Ist eine Umbenennung der Kaserne angestrebt, verhält es sich ebenso. Der Grundstein dafür sollte von den Soldatinnen und Soldaten vor Ort kommen. Der Vorschlag wird dann im Standort und mit dem kommunalen Umfeld diskutiert, bevor der Antrag auf eine Umbenennung eingereicht wird. Wichtig ist auch hierbei, dass der Name sinnstiftend für das Traditionsverständnis der Bundeswehr ist.