Weiterentwicklung des vernetzten Ansatzes stockt
Die Bundesregierung hat sich im Weißbuch 2016 dazu bekannt, den vernetzten Ansatz weiterzuentwickeln. Da ist die Rede von einer Stärkung der Arbeits- und Entscheidungsstrukturen, von einer Verbesserung der Bewertungs- und Analysefähigkeit, dem Aufbau von Expertise und vielem anderen mehr. So sollte auf die rasanten Veränderungen in unserem Sicherheitsumfeld reagiert werden.
Leider müssen wir feststellen: Die Fortschritte sind überschaubar. Noch immer ist der vernetzte Ansatz nicht operationalisiert, weder durch die eigentlich geplante Stärkung des Bundessicherheitsrates, noch vor Ort in den Einsatzregionen. Hervorragende Diplomaten, Soldaten und Entwicklungshelfer versuchen zwar, das auszugleichen, doch effektives, zielorientiertes und vor allem nachhaltiges Handeln ist dadurch alleine nicht möglich. Der Wille der Ressortchefs, sich abseits von medienwirksamen Veranstaltungen zusammenzusetzen und Strategien national sowie international zu erörtern und in Konzepte zu gießen, ist nach wie vor nicht erkennbar.
So bleibt es leider bei Lippenbekenntnissen: Keine Mandats-Debatte im Bundesdestag, in der nicht die zentrale Bedeutung des vernetzten Ansatzes hervorgehoben würde. Aber eben auch keine, auf die eine Umsetzung folgt. Dabei geht es nicht um unterschiedliche Mittel aus den Ressorts, sondern um deren Verwendung zum Erreichen von Zielen auf der Zeitachse. Ein Bemühen, das selbstverständlich jährlicher Evaluation bedürfte.
Die vergangene Woche hat einmal mehr verdeutlicht, wie sehr das Thema im öffentlichen Bewusstsein in den Hintergrund gerückt ist. Ein (zugegeben: verheerender) Anschlag in Afghanistan weckte die Berliner Republik auf und sorgte für Aktionismus. Obwohl die Sicherheitslage seit Monaten weitestgehend unverändert ist, wurde über einen Abschiebestopp nach Afghanistan debattiert. Plötzlich erinnerten sich Abgeordnete des Deutschen Bundestags an den Einsatz in Afghanistan, Fragen wie „Haben wir noch viele Soldaten dort?“ oder „Wie geht es da überhaupt weiter?“ waren im Reichstagsgebäude zu hören.
Auch daran kann man ablesen, dass es noch kein Bewusstsein für die veränderte Rolle Deutschlands in der Welt, wie sie das Weißbuch 2016 beschreibt, gibt – und dass Sicherheitspolitik nach wie vor stiefmütterlich behandelt wird. Der Deutsche BundeswehrVerband ist fest davon überzeugt: Das kann und darf so nicht weitergehen. Wir bleiben bei unserer Auffassung: Da sich das Sicherheitsumfeld nicht nur rasant, sondern vor allem dramatisch verändert, sollte eine kommende Regierungskoalition dringend den Bundessicherheitsrat stärken und zur Strategiezelle ausbauen. Sinnvoll und notwendig wäre auch, die Ressortzuschnitte zu überdenken. So könnte etwa eine Zusammenlegung von Auswärtigem Amt und BMZ untersucht und die Ausschüsse im Bundestag entsprechend angepasst werden. Wie auch immer, so wie bisher darf es nicht weitergehen.
Um es noch klarer auszudrücken: Diejenigen Parteien, die in ihren Wahlprogrammen innere und äußere Sicherheit nicht eindeutig als Kern staatlichen Handelns definieren, sind auf Wählbarkeit zu überprüfen! Sicherheitspolitische Planlosigkeit ist vor allem dann besonders bitter, wenn Tod oder Verwundung einen Einsatz prägen.