Wahltag ist Verfallstag
Damp. Soldaten unterliegen Anforderungen, die vielen anderen Berufsgruppen völlig fremd sind. Aus dem militärischen Auftrag ergeben sich unter anderem körperliche und psychische Strapazen, enorme zeitliche Belastungen sowie die monatelange Trennung von der Familie. Was sie beschäftigt nimmt die Gesellschaft aber kaum zur Kenntnis. Noch dazu werden sie oft für Entscheidungen und Vorgänge kritisiert, die von Politikern zu verantworten sind. Darüber hinaus wird ihr Arbeitgeber Bundeswehr gerne als „Knüppel“ missbraucht, um dem politischen Gegner zu schaden.
Trotzdem entschließen sich junge Frauen und Männer dazu, die Uniform anzuziehen. Viele davon verlassen die Streitkräfte früher oder später wieder aus unterschiedlichsten Gründen. Nur Berufssoldaten verpflichten sich, der Bundesrepublik Deutschland auf Dauer zu dienen. Sie können deshalb die Entwicklung der Bundeswehr jahrzehntelang hautnah verfolgen. Mehr noch: Sie haben die Entscheidungen der Politik nicht nur umzusetzen, sondern, da so manche Reform undurchdacht und nicht zum Vorteil der Streitkräfte, massiv unter deren Auswirkungen zu leiden.
Kaum zu glauben
Grund genug für den Landesverband Nord, sich immer wieder der Sorgen und Probleme dieser Statusgruppe anzunehmen. So bei einer Tagung im schleswig-holsteinischen Damp mit mehr als 80 Teilnehmern. Unter Leitung von Kapitänleutnant Peter Braunshausen beschäftigten sie sich dort mit Versorgungs- und Rechtsfragen sowie Verbandsangelegenheiten. Der Stellvertretende Landesvorsitzende Nord vergaß aber auch nicht, auf die Forderungen des DBwV an eine künftige Regierungskoalition einzugehen.
„Bundestagswahl ist am 24. September und das ist das Verfallsdatum“ stellte der pensionierte Marineoffizier mit Blick auf Aussagen von Politikern zur Bundeswehr fest, „dann werden die Karten neu gemischt.“ Braunshausen warnte deshalb davor, Äußerungen im Wahlkampf als „bare Münze“ zu nehmen. Trotzdem sei es wichtig, so der Stellvertretende Landesvorsitzende weiter, als Interessenvertretung der Menschen in der Bundeswehr an die Parteien und deren Kandidaten eindeutige Forderungen zu stellen.
Unter dem Motto „Recht haben und Recht bekommen“ referierte Arnd Steinmeyer über die Einsatzversorgung und seine Erfahrungen als Vertragsanwalt des DBwV. Was die Teilnehmer von ihm hörten, das mochten sie zum Teil gar nicht glauben, so laut wieherte der Amtsschimmel der Bundeswehrbürokratie. Beispielsweise dauert die abschließende Bearbeitung von Wehrdienstbeschädigungen durch die zuständige Stelle derzeit bis zu zwei Jahren.
Aberwitzige Gutachten
Steinmeyer erzählte von abenteuerlichen Begründungen, mit denen beispielsweise Anträge körperlich geschädigter Soldaten abgelehnt werden. Einmalige Entschädigungen erhalten die Schwerbehinderten teilweise erst nach vielen Jahren ausgezahlt, obwohl sie sie dringend brauchen um finanziell „auf dem Trockenen zu bleiben“. „Das Verteidigungsministerium führt die entsprechenden Regelungen ad absurdum“, erläuterte der Jurist, „was da läuft ist oft nicht in Ordnung.“
Und weiter: „Wie psychisch Erkrankte nach Aktenlage beurteilt werden können ist nicht zu verstehen. Auch nicht, dass Gutachter von außerhalb der Bundeswehr ohne ausreichende Qualifikation per Ferndiagnose abstruse Einschätzungen über traumatisierte Soldaten abgeben.“ Der Rechtsanwalt sprach von aberwitzigen Beispielen und sieht für die allermeisten Fälle eine Lösung: „Einfach mit den Soldaten reden.“
Laut Steinmeyer wissen die Betroffenen oft gar nicht, dass sie ohne persönlichen Kontakt nach Papierlage begutachtet worden sind. Deshalb sollten traumatisierte Soldaten, wenn ihnen irgendetwas im Bescheid der zuständigen Stelle komisch vorkommt, sich schnell an einen Rechtsanwalt wenden: „Denn auch falsche Bescheide werden rechtskräftig“. Er sprach in diesem Zusammenhang von schleppenden und schlampigen Amtsermittlungen sowie weiteren Nachlässigkeiten, die dem Dienstherrn im Rahmen der Fürsorge für seine Soldaten eigentlich fremd sein sollten.
Fürsorge statt Bürokratie
Mitglieder des DBwV haben da Vorteile, denn sie müssen sich durch die ihnen zustehende Rechtsberatung und ggf. den Rechtsschutz nicht vor einem Rechtsstreit fürchten um ihre berechtigten Anliegen durchzusetzen. Für Peter Braunshausen ist darüber hinaus klar: „Dem Dienstherrn sollte es nicht nur im Rahmen der Attraktivitätssteigerung ein Anliegen sein, im Dienst geschädigte Soldaten und deren Angehörige nicht durch eine träge und widersinnige Bürokratie noch mehr zu belasten.
Jens Körting aus der Berliner Bundesgeschäftsstelle ging auf das Versorgungsrecht der Berufssoldaten ein. Der Referatsleiter (R1 „Versorgung“), Rechtsanwalt und Oberstleutnant der Reserve, erläuterte die zurückliegenden Eingriffe in die rechtlichen Bestimmungen, die durch die Bank zu finanziellen Verschlechterungen für heutige bzw. künftige Versorgungsempfänger sowie zur Erhöhung des Pensionsalters geführt haben. Körting nannte jedoch auch die Erfolge des DBwV, durch dessen Engagement auf einigen Gebieten wesentliche Verbesserungen erzielt werden konnten.
Peter Braunshausen trug während der Veranstaltung für den abwesenden Oberstleutnant Stephan Müller zu den Ansprechpartnern des DBwV im Ausland vor. Der Beauftrage des LV Nord für diesen Bereich war zeitgleich unterwegs, um in der Truppe für die freiwilligen Ansprechpartner zu werben. Dies ist nur ein Beispiel dafür, welchen Stellenwert die Betreuung der Mitglieder in den Auslandseinsätzen im Landesvorstand Nord genießt.
Die Teilnehmer der Landestagung für Berufssoldaten zogen zum Ende der Veranstaltung eine positive Bilanz. So auch Oberstabsfeldwebel Heiko Gaebler aus Luttmersen, der viel Hintergrundwissen über die Einsatzversorgung und das Versorgungsrecht mitnahm. Er lobte vor allem die „erfrischende Vortragsweise“, mit der auch schwierige juristische Sachverhalte durch die Referenten vermittelt wurden. Insgesamt war es eine mehr als gelungene Veranstaltung für diese Zielgruppe, ohne die in den deutschen Streitkräften nichts läuft.