Von der Leyen und Merkel werben für PESCO
Davos. Eine Begrüßung, die Ursula von der Leyen sicherlich auch nicht oft hört: Als „outside expert“, also als Expertin, die von außen auf die Dinge schaut, stellte der New-York-Times Kolumnist Thomas L. Friedman die Bundesverteidigungsministerin in einer Diskussionsrunde auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos vor. Tatsächlich war von der Leyen - neben Moderator Friedman - auf dem hochrangig besetzten Podium die einzige Expertin aus dem Westen. Mit dem Saudi-Arabischen Außenminister Adel bin Ahmed Al Jubeir, dem stellvertretenden türkischen Premierminister Mehmet Simsek sowie den Außenministern aus Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten, Sheik Khalid Bin Ahmed Al Khalifa und Anwar Gargash, war sie eingerahmt von Vertretern aus dem Nahen Osten. Ihr Thema: Wie kann die gebeutelte Region zu einem neuen Gleichgewicht finden?
Die Ministerin quittierte die kleine Provokation des Moderators mit einem Lächeln: „Outside expert" vielleicht - aber dennoch nahe dran. „Hier geht es darum, was vor der Haustür Europas passiert“, so von der Leyen. Europa wolle eine starke Rolle bei der Stabilisierung der Staaten spielen. Die vielen unterschiedlichen Interessen in der Region erschwerten allerdings Lösungen, mit denen alle Beteiligten leben könnten, erheblich. „Wenn man die Probleme lösen will, kann das nur unter dem Schirm der UN passieren“, stellte von der Leyen klar. Dies sei der einzige Weg um sicherzustellen, dass sich in dem Prozess niemand als Gewinner oder Verlierer fühlen werde.
Von der Leyen nutzte die Gelegenheit, um die Bedeutung der neuen europäischen Verteidigungsunion - die Permanent Structured Cooperation (PESCO) - zu unterstreichen. Ein Gedanke, den auch Bundeskanzlerin Angela Merkel wenig später in ihrer Rede aufgriff: „Wenn Außenpolitik national gemacht wird, dann wird das misslingen“, so Merkel. Nach Jahrzehnten europäischer Diskussion sei es gelungen, eine europäische Verteidigungsunion auf die Beine zu stellen. Es gebe drei politische Ansätze: eine gemeinsame Verteidigungs-, Außen- und Entwicklungspolitik. PESCO sei dabei selbstverständlich nicht gegen die NATO gerichtet, sondern als Ergänzung zu begreifen.
Die Schockstarre ist verflogen
Was die Idee einer gemeinsamen Verteidigungspolitik in erster Linie vorangebracht hat, war bekanntlich die Forderung des US-Präsidenten, Europa möge mehr Geld in die Verteidigung stecken. „Die Tatsache, dass Europa außenpolitisch nicht der aktivste Kontinent war, sondern wir uns oft auf die USA verlassen haben, muss uns dazu bringen, dass wir mehr Verantwortung übernehmen“, so Merkel.
Die Schockstarre, die Donald Trump damals mit seiner Mahnung auslöste, ist mittlerweile einem fast frühlingshaften Optimismus gewichen. Zahlreiche Vertreter der politischen Elite Europas freuten sich in Davos über Trumps unberechenbares Auftreten. Denn dadurch schaffe er eine Einigkeit in Europa, die es zuvor nicht gegeben habe. „Hätte man noch vor einem Jahr Referenden abgehalten, hätte die Bevölkerung zahlreicher EU-Mitglieder für einen Austritt votiert“, stellte ein Minister eines EU-Staates in einem Hintergrundgespräch fest. Das sei vom Tisch. „Durch Trump steht Europa jetzt vereint da.“ Nun sei es an der Zeit, Reformen anzugehen und die Einigung voranzutreiben: „Europa hat sein Momentum.“
Mit einer Mischung aus Schauer, Faszination und Sensationslust wurde dann auch dem Auftritt des US-Präsidenten erwartet. Kaum ein hochrangiger Teilnehmer, der nicht im Vorfeld auf dem Podium zu Trump Stellung nehmen musste. „Das ist eine Herausforderung“, kommentierte etwa Ursula von der Leyen diplomatisch. „Es ist schwierig, mit der Unberechenbarkeit umzugehen.“ Sie lobte lieber die exzellente Zusammenarbeit mit Verteidigungsminister James Mattis. „Er hat enorme Erfahrung und er ist ein Freund Europas. Er steht hinter der NATO und ist ein verlässlicher Partner.“