Unklare Folgen: Iraks Regierungschef Al-Abadi vor Wahlniederlage
Bagdad. Es war die erste Abstimmung nach dem Sieg gegen die IS-Terrormiliz mit unabsehbaren Folgen auch für die Bundeswehr: Bei der Parlamentswahl im Irak liegt nach ersten Ergebnissen überraschend der schiitische Geistliche Muktada al-Sadr vorn. Seine Liste Sairun kommt in vier von bislang zehn ausgezählten Provinzen auf den ersten Platz, darunter in der Hauptstadt Bagdad, wie die irakische Wahlkommission am Sonntagabend mitteilte. Ein Erfolg zeichnete sich auch für ein Bündnis ab, das eng mit den schiitischen Milizen verbunden ist und gute Beziehungen zum Iran hat.
Dem schiitischen Ministerpräsidenten Haidar al-Abadi droht hingegen eine Niederlage. Seine „Koalition des Sieges“ konnte in keiner der ausgezählten Provinzen einen der ersten beiden Plätze erreichen. Die restlichen Ergebnisse und die Verteilung der 329 Sitze im Parlament werden jedoch erst in den nächsten Tagen bekannt gegeben. Deshalb kann es noch zu Verschiebungen kommen.
Für Deutschland und insbesondere die Bundeswehr ist der Ausgang der Wahl von großer Bedeutung. Schließlich sollen sich die deutschen Streitkräfte künftig nicht mehr nur im Kampf gegen die Terrormiliz IS einbringen, sondern auch bei der Stabilisierung des gesamten Landes helfen. Hierfür wurde das Mandat angepasst, es gilt künftig für den gesamten Zentralirak. Die deutschen Soldaten sollen irakischen Ausbildern Spezialkenntnisse etwa im Entschärfen von Sprengfallen und dem Bombenräumen beibringen. Sollte Muktada al-Sadr die Wahl tatsächlich gewinnen, könnte dies zu einer neuen Bewertung der Lage führen.
Die Iraker hatten am Samstag erstmals seit dem Sieg gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ein neues Parlament gewählt. Die Wahlbeteiligung erreichte mit 44,5 Prozent ein historisches Tief: Es war die niedrigste seit der ersten freien Wahl nach dem Sturz von Langzeitherrscher Saddam Hussein im Jahr 2003. Beobachter machten dafür eine weit verbreitete Politikverdrossenheit verantwortlich. Vor vier Jahren hatte die Beteiligung rund 60 Prozent erreicht.
Der 44 Jahre alte Al-Sadr, Sohn eines hohen schiitischen Geistlichen, gilt als kontroverse Figur. Nach Saddams Husseins Sturz bekämpfte seine Mahdi-Armee die US-Besatzungstruppen mit Gewalt. In den vergangenen Jahren wandelte er sich zu einem der schärfsten Kritiker des politischen Establishments. Er wehrt sich gegen den starken iranischen Einfluss auf die Politik im Irak. Vor zwei Jahren stürmten seine Anhänger das Parlament in der schwer geschützten Grünen Zone. Al-Sadr hat vor allem in den armen Regionen des Iraks viele Anhänger. Für die Wahl ging er ein Bündnis mit den Kommunisten ein.
Die Liste von Al-Sadr liegt insbesondere in Bagdad mit deutlichem Vorsprung an der Spitze. In der Hauptstadt werden mit Abstand die meisten Sitze im Parlament vergeben. Die eng mit den Schiitenmilizen verbundene Liste des Politikers Hadi al-Amiri kommt ebenfalls in vier Provinzen auf Platz eins, darunter in der Großstadt Basra im Süden des Iraks. Die Milizen gelten als verlängerter Arm des Irans.
Al-Abadi hatte im Wahlkampf mit dem Sieg gegen den IS unter seiner Führung geworben. Der 66-Jährige versprach zudem, sich für einen Ausgleich zwischen der Mehrheit der Schiiten und der Minderheit der Sunniten einzusetzen. Viele Sunniten fühlen sich diskriminiert. Der Regierungschef ist seit fast vier Jahren im Amt.