Raus aus der Vertrauenskrise!
Berlin. Wut, Enttäuschung und Unverständnis. Das waren die Reaktionen, nachdem Verteidigungsministerin von der Leyen in einem Interview der Bundeswehr pauschal ein Haltungsproblem und Führungsversagen auf verschiedenen Ebenen vorgeworfen hatte. Rechtsberater, Zugführer in Afghanistan, Vertrauenspersonen in Mali, Bataillonskommandeure, Wachtmeister und Spieße, Militärseelsorger, selbst Bürgermeister von Patengemeinden wandten sich an uns, um ihr Unverständnis über die Äußerungen der IBuK zum Ausdruck zu bringen.
Natürlich war niemand darunter, der etwa die Verfehlungen der jüngsten Vergangenheit gutheißen würde, etwas gegen Aufklärung einzuwenden hätte oder nicht selbst schockiert über den Fall Franco A. war. Doch alle reagierten sie verärgert auf die ministerielle Krisenkommunikation. Das Empfinden vieler Mitglieder war, dass mit der Vermischung und Dramatisierung zeitlich sowie räumlich getrennter Vorfälle „hartes Durchgreifen“ und Handlungsstärke suggeriert werden sollte.
Ein Muster, das vom Umgang mit dem G36-Skandal nur allzu gut bekannt war – doch dieses Mal ging es nicht um einen Ausrüstungsgegenstand, sondern um die Menschen der Bundeswehr. Menschen, die unter schwierigsten Rahmenbedingungen tagtäglich ihr Bestes geben, um im In- und Ausland den jeweiligen Auftrag zu erfüllen.
Obwohl man von einem Verteidigungsministerium auch in Krisen Ruhe und Gelassenheit erwarten sollte, folgte Aktionismus. Der sorgte leider überhaupt nicht für die notwendige Orientierung, sondern vielmehr für Verunsicherung und einen galoppierenden Vertrauensverlust.
Wir machen keinen Hehl daraus, dass wir die Verteidigungsministerin für ihre Willensstärke in der politischen Durchsetzung der Trendwenden Material, Personal und Haushalt, teilweise auch gegen Widerstände in der eigenen Partei, schätzen gelernt haben. Das gilt auch für ihr Bemühen um die Verbesserung der sozialen Rahmenbedingungen für die Menschen der Bundeswehr. Doch der pauschale Angriff insbesondere auf die Seele der Streitkräfte war ein schwerer Faux Pas, auch, wenn die Ministerin dies nach einem Sturm der Kritik als Fehler eingestanden und bedauert hat.
Ein Prozess über zwei Jahre ist eine Farce
Die Verlierer stehen jedenfalls fest: zum einen die militärische Führung, die sich nach Auffassung der Truppe kaum um eine Differenzierung oder Einordnung bemühte, zum anderen die Verteidigungsministerin selbst und schließlich die Bundeswehr als Ganzes. Letzteres ließ sich schon an den Zahlen des jüngsten ARD-Deutschlandtrends ablesen: Schlagartig hatte das Vertrauen der Bevölkerung in die Bundeswehr um zehn Prozentpunkte abgenommen. Das ist sowohl unter dem Aspekt der Nachwuchsgewinnung für eine Freiwilligenarmee wie auch für die Verankerung der Bundeswehr in die Gesellschaft eine alarmierende Zahl. Wir müssen insbesondere die Politik in die Verantwortung nehmen, um hier für Besserung zu sorgen.
Nun sollen Traditionserlass, Wehrdisziplinarordnung und Liederbuch überarbeitet werden. Es geht um mehr politische, ethische und rechtliche Bildung. Mit dem Programm „Innere Führung HEUTE“ soll ein über zwei Jahre angelegter Prozess über alle Führungsebenen zum Vorschein bringen, wie gute Führung auf allen Ebenen möglich wird. Ich will ehrlich sein: Letzteres ist für mich eine Farce.
Wir als Berufsverband, aber auch Spieße, Chefs, Kommandeure und Beteiligungsgremien, haben in den letzten Jahren mehr als deutlich gemacht, welche Rahmenbedingungen verbessert, welche strukturellen Fehler der Neuausrichtung behoben werden müssen, damit Führungskräfte wieder zum Führen kommen, anstatt lediglich zu verwalten. Wie eine Fehler- und Verantwortungskultur gestärkt werden kann und wo man Ursachen für Fehlentwicklungen angehen muss, anstatt lediglich an Symptomen herumzudoktern.
Dabei erinnere ich mich insbesondere an die letzte Spießtagung des Generalinspekteurs mit der Überschrift „Wissen, was bewegt“, bei der die Spieße und Wachtmeister aus ihren Herzen keine Mördergruben machten. Und jetzt ein zweijähriger Prozess? Unfassbar! Geht es dann doch nur um das Überleben der Wahlperiode und nicht um die Menschen der Bundeswehr? Das wollen wir nicht zulassen.
Wir brauchen dringend wieder ein Stück mehr Führungs- und Verantwortungskultur. Für die Streitkräfte muss allerdings auch beantwortet werden, was „Soldat sein HEUTE“ bedeutet und was unser Berufsethos beschreibt. Wir müssen wieder mehr über das „militärische“ sprechen und beantworten, was vor Jahren, aber auch noch heute Identität stiftet. Gelingt das, wird es nicht nur weniger Verfehlungen geben, sondern vor allem wieder das schaffen, was insbesondere für Streitkräfte elementar ist: Vertrauen.
Dazu werden auch wir unseren Beitrag leisten. Wir stecken den Kopf nicht in den Sand. Genauso wenig streben wir „just for fun“ einen medial ausgetragenen Dauerkonflikt mit der Ministeriumsspitze an. Im Gegenteil: Wir bleiben im Gespräch – mit der Ministerin, den Staatssekretären, der militärischen Führung, dem Parlament und dem Wehrbeauftragten. Wir werden unserer Verantwortung nachkommen und dafür sorgen, dass der Aktionismus gestoppt wird, das Vertrauen wieder wächst und unsere Bundeswehr schlicht besser wird.