Pfullendorfer Soldaten klagen gegen ihre Entlassung
Eine rechtliche Einordnung der Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen
Erniedrigungen, Demütigungen, Mobbing und widerwärtige Rituale: Die Schlagzeilen rund um die Pfullendorfer Staufer-Kaserne, die Anfang des Jahres durch die Medien gingen, waren alles andere als schön. Die verschiedenen Geschichten in der „Skandal-Kaserne“ blieben nicht ohne personelle Konsequenzen: Schnell wurden Soldaten versetzt, in den vorzeitigen Ruhestand verabschiedet oder entlassen. Nur, was ist dran an den diversen Vorwürfen? Vier Soldaten aus dem süddeutschen Standort wehren sich jetzt vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen gegen die Entscheidung ihres Dienstherrn: Dort findet am heutigen Mittwoch, 19. Juli, die mündliche Verhandlung zu ihren Entlassungsverfahren statt. Anlass für ihre Entlassung waren vorgeworfene Dienstpflichtverletzungen im Zusammenhang mit sogenannten Aufnahmeritualen („Taufen“) am Standort Pfullendorf. Um die Vorwürfe selbst soll es hier nicht gehen, denn dabei gab es in der Vergangenheit schon zu viel Aufregung politischer Art. Dabei geht gerne einmal viel durcheinander, deshalb nutzen wir die Gelegenheit für eine rechtliche Einordnung.
Worum geht es bei den Verfahren?
Vor dem Verwaltungsgericht geht es nur um die Entlassung durch die Bundeswehr. Gemäß Paragraf 55 Absatz 5 Soldatengesetz kann ein Soldat auf Zeit in den ersten vier Dienstjahren fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben im Dienst die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde. Für Freiwillig Wehrdienst Leistende gilt eine vergleichbare Rechtslage.
Das Verwaltungsgericht wird also zwei Fragen nachgehen: Haben die Soldaten eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung begangen? Und: Hat ihr Verhalten die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährdet?
Worum geht es nicht?
Es geht nicht um die Strafbarkeit des Handelns der Soldaten. Dies würde vor dem zuständigen Amtsgericht verhandelt werden.
Es geht auch nicht um die disziplinarrechtliche Würdigung des Verhaltens. Das Verwaltungsgericht wird die Frage der Dienstpflichtverletzung zwar voll überprüfen, aber keine Disziplinarmaßnahme anstelle der Entlassung verhängen. Daher ist theoretisch denkbar, dass das Gericht die Entlassung aufhebt, weil es zu dem Ergebnis kommt: Es lag eine Dienstpflichtverletzung vor, aber die hat nicht die genannten Folgen für die Bundeswehr ausgelöst.
Sind die Verfahren damit morgen beendet?
Nein. Selbst wenn das Gericht heute ein Urteil verkündet und die Berufung zulässt, haben beide Parteien – Bundeswehr und der einzelne Soldat – die Möglichkeit, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils Berufung einzulegen oder diese im Fall der Nichtzulassung gesondert zu beantragen. Damit ginge das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht weiter.
Was passiert, wenn das Verwaltungsgericht den Soldaten Recht gibt?
Hebt das Gericht in einem oder mehreren Fällen die Entlassungsverfügung auf, gelten die Betroffenen als nicht entlassen. Das Dienstverhältnis gilt rückwirkend als nicht beendet. In diesem Fall ist es möglich, dass die Bundeswehr als Dienstherr Berufung einlegt und die nächste gerichtliche Instanz anstrebt.
Wie steht der Deutsche BundeswehrVerband zu den Verfahren?
Es ist gut, dass die Soldaten die Möglichkeit haben, die Entlassungen gerichtlich überprüfen zu lassen. Das entspricht nicht nur dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes aus Artikel 19 Absatz 4 Grundgesetz. Sehr positiv ist ebenso, wenn neutrale Dritte einmal genau hinschauen, wo Politik und Medien Dinge vielleicht in der ersten Aufregung dramatisieren oder durcheinanderbringen. Wichtig ist auch, dass immer jeder Einzelfall betrachtet wird.