Die Anzahl an rechtsextremen Verdachtsfällen ist gestiegen. Das liegt aber auch an einem insgesamt erhöhten Meldeaufkommen Foto: dpa

Die Anzahl an rechtsextremen Verdachtsfällen ist gestiegen. Das liegt aber auch an einem insgesamt erhöhten Meldeaufkommen Foto: dpa

16.10.2017

Gastbeitrag: So überprüft die Bundeswehr rechtsextreme Verdachtsfälle

Zuletzt waren die Medien wieder voll davon: Knapp 400 rechtsextreme Verdachtsfällen gibt es derzeit in der Bundeswehr. Die Zahl der gemeldeten Vorfälle hat sich innerhalb weniger Monate stark erhöht. Genüsslich stürzte sich die Presse auf diese nackten Zahlen. Dabei ist längst nicht gesagt, dass es plötzlich mehr rechtsextreme Tendenzen in der Truppe gibt. Denn: Seit dem Bekanntwerden des Falls Franco A. habe es ein „massives Meldeaufkommen“ gegeben, berichtete MAD-Präsident Christof Gramm kürzlich.

Und längst nicht hinter jeder Meldung verbirgt sich auch ein echter „Fall“. Zudem werden seit der Einführung des Sicherheitseinstellungsüberprüfungsgesetzes im Juli alle Soldaten einer Sicherheitsprüfung unterzogen. Kein Wunder also, dass die Verdachtsfälle steigen.

Aber was hat sich in den vergangenen Monaten genau geändert? Wie prüft der MAD jetzt, und welchen Leitlinien folgt er dabei? Haben sich die Kriterien bei der Eignungsfeststellung verändert? Der DBwV hat im Verteidigungsministerium nachgefragt – und folgenden Gastbeitrag als Antwort erhalten.

I. Grundlagen


Die Bundeswehr ist in die Werte- und Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland fest eingebunden. Daher besteht für alle Soldatinnen und Soldaten sowie Beamtinnen und Beamten die Pflicht, sich zur im Grundgesetz verankerten freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu bekennen und für deren Einhaltung einzutreten. Im Personalverantwortungsbereich der Bundeswehr werden keine Beschäftigten geduldet, von denen extremistische Bestrebungen und Verhaltensweisen ausgehen, die extremistischen Personenzusammenschlüssen angehören oder solche unterstützen.

Das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) und die Kommandobehörden der Bundeswehr werden mit der Meldung „Besonderes Vorkommnis“ und die „ISoLA- Meldung“ (ISoLA: Innere- und Soziale Lage der Bundeswehr) über Auffälligkeiten informiert. Dort wird eine Auswertung vorgenommen. Verantwortlichkeiten und Regelungen zur Prävention sowie zum Vorgehen gegen Extremismus sind in der Zentralen Dienstvorschrift „Extremismus - Vorbeugung und Bekämpfung“ beschrieben.

II. Prävention


Die Vorschrift dient dazu, alle Vorgesetzten der Bundeswehr mit dem Thema Extremismus vertraut zu machen und zu befähigen, ihrer Führungsverantwortung in diesem Zusammenhang  gerecht zu werden. Desweiteren werden notwendige Handreichungen an die unmittelbar zuständigen Dienst- und Disziplinarvorgesetzten gegeben. Diese Vorgesetzten werden dazu angehalten, ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wirksam aufzuklären, rechtsstaatliches Bewusstsein durch Aus-, Fort- und Weiterbildung weiter zu festigen und alle Erscheinungsformen des Extremismus zu unterbinden.

Dabei wird auf die Aus- und Persönlichkeitsbildung im Rahmen der politischen Bildung, des Lebenskundlichen Unterrichts sowie der Laufbahn- und Rechtsausbildung ebenso eingegangen wie auf die Rolle des Zentrums Innere Führung und weiterer Bildungseinrichtungen. Die Dienstvorschrift legt die Befassung mit dem Themenkomplex „Extremismus“ in der Grundausbildung verpflichtend und im weiteren soldatischem Werdegang fakultativ fest.

Die Vermittlung ethischer Grundlagen in Anlehnung an das Wertesystem des Grundgesetzes ist für ein gefestigtes Werteverständnis und für eine Weiterentwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit bedeutsam. Sie ist Teil des lebenskundlichen Unterrichtes für Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr. Die in der Überarbeitung befindliche Zentrale Dienstvorschrift „Lebenskundlicher Unterricht“ sieht insgesamt vierzehn Themen vor. Der Themenbereich „Fundamentalismus, Extremismus, Terrorismus“ wurde neu aufgenommen.
Der Militärische Abschirmdienst (MAD) unterstützt die Disziplinarvorgesetzten mittels Publikationen, Vorträgen und Beratungsgesprächen. In Kürze wird der MAD eine neue Handreichung für Vorgesetzte zum Erkennen von Radikalisierungstendenzen herausgegeben.

Durch die Änderung des Soldatengesetzes (SG) vom 30. März 2017 wird seit dem  1. Juli 2017 für alle neu einzustellenden Soldatinnen und Soldateneine einfache Sicherheitsüberprüfung nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz durchgeführt (SG § 37, Abs 3). Mit dieser Änderung des SG soll verhindert werden, dass Extremisten an Kriegswaffen ausgebildet werden. Bislang war im Rahmen der Personalgewinnung von den Bewerbern und Bewerberinnen allein das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung abzugeben.

Die mit der Eignungsfeststellung und/oder Einstellungsvorbereitung befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben zudem sicher zu stellen, dass bei Personen mit entsprechenden Auffälligkeiten (z.B. Äußerungen extremistischen Gedankenguts, diesbezügliche Tattoos, etc.) eine sorgfältige Prüfung ihrer Eignung für eine Einplanung oder Einstellung in ein Dienstverhältnis vorausgeht.

III. Maßnahmen bei Verdachtsfällen


Ein ganzheitliches Vorgehen gegen Extremismus in der Bundeswehr macht – neben einem vorbeugenden Vorgehen – auch unverzügliches Handeln bei Vorliegen konkreter Verdachtsfälle erforderlich. Wenn eine Soldatin oder ein Soldat bzw. eine Beamtin oder ein Beamter eine verfassungsfeindliche Gesinnung vertritt oder extremistische Bestrebungen verharmlost, stellt dies einen Verstoß gegen die Pflicht zum Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung gemäß § 8 SG bzw. § 60 Bundesbeamtengesetz dar.

Derartige Vorkommnisse werden von der Truppe bzw. der Beschäftigungsdienststelle nach den geltenden Regelungen der Bundeswehr als meldepflichtiges Ereignis mit Verdacht auf Extremismus oder Verstoß gegen die Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gemeldet. Weiterhin werden diese Fälle von den unmittelbar zuständigen Dienst- oder Disziplinarvorgesetzten auf eine mögliche disziplinar-, arbeits-, und/ oder strafrechtliche Relevanz geprüft.

Gegebenenfalls sind die Abgabe an die Staatsanwaltschaft und/oder die Einleitung erforderlicher weiterer eigener Maßnahmen durch die personalbearbeitenden Stellen zu prüfen und zu veranlassen. Rechtsberater und Rechtsberaterinnen, die Servicestelle Disziplinarrecht beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr sowie der MAD unterstützen die zuständigen Dienst- und Disziplinarvorgesetzten bei Verdachtsfällen mit Extremismusbezug.

Mit Rat und Hilfe stets an Ihrer Seite!

Nehmen Sie Kontakt zu uns auf.

Alle Ansprechpartner im Überblick