Die Podiumsdiskussion fand zweieinhalb Wochen vor der Wahl statt (Foto: LV Nord/DBwV)

Die Podiumsdiskussion fand zweieinhalb Wochen vor der Wahl statt (Foto: LV Nord/DBwV)

07.09.2017
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Die innere Lage ist nicht gut

Celle. „Die innere Lage der Bundeswehr ist nicht gut“, stellte André Wüstner fest und wies auf das Unverständnis vieler Menschen in der Bundeswehr für die Entwicklung der Streitkräfte in den letzten Jahrzehnten hin. „Es gibt eine unheimliche Diskrepanz zwischen den Veröffentlichungen und der Realität in der Truppe“, machte der Bundesvorsitzende des Deutschen BundeswehrVerbandes (DBwV) weiter klar und fragte sich, wie die Bundeswehr wieder „aus diesem Tal hinausgeführt“ und die politische Führung wieder Vertrauen gewinnen kann.

Deutliche Worte an die Politik, die der Bundesvorsitzende im Rahmen des Celler Standorttages an die Politiker etablierter Parteien richtete. Die Veranstaltung fand auf Einladung des Landesverbandes Nord und der örtlichen Standortkameradschaft im Kasino der Immelmann-Kaserne statt. Im Mittelpunkt stand dabei eine Podiumsdiskussion mit anschließender Fragerunde zum Thema „Die Bundeswehr heute und morgen“. Die Moderation übernahm mit Oberstleutnant Heiko Tadge der Vorsitzende der örtlichen Standortkameradschaft.

Falsche Entscheidungen

Für den DBwV war André Wüstner dabei, von Seiten der Politik die Bundestagsabgeordneten (MdB) Henning Otte (CDU) und Kirsten Lühmann (SPD) sowie Anja Schulz (FDP) und Heiko Wundram (Bündnis 90/Die Grünen), die beide als Direktkandidaten für den Wahlkreis Celle-Uelzen einen Sitz im nächsten Bundestag anstreben. Zweieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl hatten die Vertreter der vier beteiligten Parteien bei der Podiumsdiskussion die Möglichkeit, zur Bundeswehr sowie zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik Stellung zu beziehen.

Gleich zu Beginn gab die Sozialdemokratin Lühmann zu, dass in den letzten Jahrzehnten in Sachen Bundeswehr falsche Entscheidungen getroffen wurden. Sie beschäftige sich anschließend mit politisch ungeeignetem Personal, das wieder aus den Streitkräften entfernt werden muss, sprach den Soldatinnen und Soldaten insgesamt aber ihr Vertrauen aus. Der grüne Wundram unterstütze ihre Aussagen und bot seine Partei als Partner für die Bundeswehr als Parlamentsarmee eines demokratischen Staates an.

Anja Schulz von den Freien Demokraten ging auf die Vertrauenskrise unter Ministerin von der Leyen ein und stellte fest, dass es Dinge im Umgang mit den Soldaten gegeben hat, die so hätten nicht ablaufen dürfen. „Immer wenn es eng wird in Deutschland greift man auf die Bundeswehr zurück“, machte Henning Otte deutlich. Der Verteidigungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Deutschen Bundestag, selbst Reserveoffizier, wies darauf hin, dass sich die Ministerin für ihre negativen Äußerungen über die ihr unterstellte Bundeswehr inzwischen entschuldigt habe.

Scheinheilige Debatten

Zur heutigen und künftigen Struktur der deutschen Streitkräfte gab es unterschiedliche Aussagen. Der Bundesvorsitzende des DBwV forderte, die Trendwende Personal und Material nach den Wahlen auch wirklich umzusetzen und dazu die notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen. Wie wichtig die Lösung des personellen Problems ist, unterstreichen laut Wüstner so viele Anfragen wie nie an die Rechtsabteilung des DBwV, „wie man die Bundeswehr schnell verlassen kann“. „Unabhängig von den vielen scheinheiligen Debatten, die derzeit geführt werden“, begrüßte der Stabsoffizier, dass es parteiübergreifende und richtige Auffassungen darüber gibt, welche Wege aus der Misere beschritten werden müssen.

Otte stellte zur Struktur fest: „Die Tischdecke ist vorne und hinten zu kurz, für das was die Bundeswehr leisten muss. Dies müssen wir ändern!“ Er wies in diesem Zusammenhang nicht nur auf das Personal, sondern auch auf die Motivation und das notwendige Material hin. „Deswegen sage ich“, so Otte, „wir brauchen am Ende mehr Geld.“ Lühmann sieht diese Forderungen auch bei der SPD, fordert aber Änderungen in der Arbeitszeitverordnung und in der Vergütung für bestimmte Spezialverwendungen.

Der Attraktivität misst die Sozialdemokratin große Bedeutung zu, sie bemängelt in diesem Zusammenhang vor allem Probleme bei der Liegenschaftsverwaltung: „Was wir beschlossen haben muss schneller und effektiver umgesetzt werden“.  Die derzeitigen 36 Milliarden für die Verteidigung reichen ihrer Ansicht nicht aus. Sie fordert insbesondere eine bessere persönliche Ausstattung, mehr Flugstunden für die Besatzungen von Luftfahrzeugen und den Ausbau von Simulationszentren. Auf Nachfrage von Tadge stellt sie zum Zwei-Prozent-Ziel der NATO für nationale Verteidigungsausgaben fest, dass der ehemalige SPD-Außenminister Steinmeier dies zwar unterschrieben habe, dies aber kein Vertrag sei und im Übrigen eine Zielsumme von 70 Milliarden pro Jahr nicht ausgegeben werden könnten.

Streit um Drohnen

„Wie sollen wir sonst Modernisierungen durchführen, wenn wir dieses Ziel nicht erreichen“, entgegnete Otte und stellte bei diesem Thema die unterschiedlichen Auffassungen zwischen CDU und SPD fest. Wundram bezeichnete es als „grünes Verständnis“, dass die Parlamentsarmee Bundeswehr unter UN- und anderen internationalen Mandaten eingesetzt werden kann. Er forderte genügend Geld um vernünftige Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, lehnt aber Kampfdrohnen sowie die Schaffung offensiver Kapazitäten für die Cyberkriegsführung grundsätzlich ab.

Dem entgegnete Otte, dass es nicht sein kann, dass man mit Drohnen zwar Attentäter beim Legen von Sprengfallen beobachten, sie jedoch nicht ausschalten dürfe. Dass eine Anschaffung von waffenfähigen Drohnen durch die derzeitige CDU/SPD- Koalition nicht mehr auf den Weg gebracht werden konnte, rechnet er dem laufenden Wahlkampf zu.

Obwohl bei vielen Fragen teils gravierende Unterschiede zwischen den vier Parteien deutlich wurden, stellten sich die teilnehmenden Politiker mit ihren Parteien hinter die Bundeswehr. Der eine oder andere Zuhörer wünschte sich aber, dass eine derartige Rückendeckung nicht nur vor Wahlen deutlich gemacht wird, sondern vor allem dann, wenn die Menschen in der Bundeswehr diese in Krisensituationen und bei aktuellen Problemen wirklich brauchen. Ob dies auch nach den Wahlen bei allen Parteien in notwendiger Weise geschieht bleibt abzuwarten.

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