Da stimmt etwas nicht
Rendsburg. Brandaktuell waren die Ausführungen des Bundesvorsitzenden zu den jüngsten Vorgängen in und um die Bundeswehr in Rendsburg. Oberstleutnant André Wüstner nahm bei der Jahreshauptversammlung der örtlichen Kameradschaft Ehemaliger, Hinterbliebener und Reservisten (ERH) kein Blatt vor den Mund und traf damit auf die Zustimmung der Mitglieder.
Eine riesige Lücke
„Wir müssen mit Verfehlungen in der Bundeswehr umgehen“, machte der Bundesvorsitzende deutlich, „denn es gibt Fehlverhalten und das muss abgestellt werden. In diesem Wahljahr wird dabei leider auch überreagiert und einen Tick zu früh entschieden, statt zu kommunizieren. Wenn ein General aus den Medien erfährt, dass er abgelöst oder ein Mitarbeiter des Ministeriums, dass er versetzt wird, dann stimmt etwas nicht.“
„Wenn die Leistung der Menschen in der Bundeswehr wegen einzelner Vorfälle in den Hintergrund gestellt wird, dann ist dies nicht in Ordnung“, so Wüstner angesichts der Medienwelt in Deutschland weiter. „Die Bundeswehr hat aber noch mehr Sorgen als das Fehlverhalten in einigen Bereichen“, deshalb ist wichtig, dass wir uns die Zuversicht nicht nehmen lassen“, führte der Bundesvorsitzende zu diesem Thema abschließend aus.
„Die Bundeswehr ist in ihrem schlechtesten Zustand seit 1990“, stellte Wüstner im Verlauf seines Vortrages fest. Den Grund dafür sieht er in den politischen Entscheidungen der letzten Jahrzehnte, die zu der in keiner Weise ausreichenden Personaldecke und katastrophalen Zuständen bei Material und Infrastruktur geführt haben. Der Bundesvorsitzende stellte fest, dass die Lücke zwischen dem gestiegenen Anspruch der Politik an die Bundeswehr und dem Zustand der Streitkräfte derzeit „riesengroß“ ist.
Dringender Änderungsbedarf
Wüstner wies seine Zuhörer auf den „Epochenwechsel“ durch die veränderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen in Europa und weltweit hin. Der Landes- und Bündnisverteidigung kommt wieder gestiegenen Bedeutung zu, doch dafür ist die Bundeswehr nach seiner Ansicht nicht mehr gerüstet. „Es ist gut“, so der Stabsoffizier, „dass die Ministerin die Trendwende Personal und Material herbeigeführt hat.“
„Die Hauptherausforderung für die nächste Bundesregierung ist, das Weißbuch in die Realität umzusetzen“, betonte Wüstner und stellte dazu wesentliche Fragen: „Wo kommen die Menschen her, wo ist die Infrastruktur, wo ausreichend Bekleidung und persönliche Ausrüstung? Dazu kommt die erforderliche Ausstattung mit Waffensystemen und Gerät, die derzeit teilweise an der Beschaffung und am Haushaltsrecht scheitert. Die veralteten und verkrusteten Vergabeverfahren müssen deshalb dringend verändert werden.“
Wüstner erhielt während der Versammlung eine Spende von 500 Euro für den Freundeskreis der Stiftung Veteranenheim Hamburg. Das Geld wurde im Rendsburger Kameradschaftsverein gesammelt und kommt nun der Einrichtung in der Hansestadt zugute. Der Deutsche BundeswehrVerband ist im Stiftungsvorstand vertreten.
Treue Mitglieder
Die Jahreshauptversammlung der selbstständige Rendsburger ERH-Kameradschaft fand wie gewohnt im Offiziersheim der Alt Duvenstedter Hugo-Junkers-Kaserne statt. Der Vorsitzende der Gruppierung, Hauptmann a.D. Joachim Cieluch, begrüßte dazu neben dem Bundesvorsitzenden des DBwV unter den Teilnehmern Vertreter aus Politik und Bundeswehr. Zu den Themen der Veranstaltung zählten die Zukunft der Bundeswehr, Aufgaben der ERH sowie der ehemalige Standort Rendsburg.
Oberstleutnant Thies Voigt richtete als Stellvertretender Kommodore des Lufttransportgeschwaders 63 (LTG 63) ein Grußwort an die Teilnehmer der Versammlung. Der Stabsoffizier erläuterte den Zuhörern die Rahmenbedingungen, unter denen sein Verband derzeit im In- und Ausland Dienst leistet. Das Geschwader fliegt noch bis 2021 die altgediente Transportmaschine Transall, hat danach jedoch keinen Platz mehr in der Zielstruktur der Bundeswehr.
Im Rahmen der Versammlung wurde Stabsfeldwebel a.D. Hubert Szuppa für sechs Jahrzehnte Mitgliedschaft im DBwV geehrt. Kapitänleutnant a.D. Friedrich Hasselbach, Oberleutnant der Reserve Ernst Steffen und Stabsfeldwebel a.D. Dietrich Brandt erhielten Urkunden sowie Treuenadeln für 50 Jahre. Die Auszeichnung der Jubilare übernahm der Bundes- zusammen mit dem Kameradschaftsvorsitzenden.
Ehemalige Garnison
Bürgermeister Pierre Gilgenast berichtete in seinem Kurzvortrag über die Bedeutung des Militärs und den Wandel in seiner Stadt. Das heute rund 30.000 Einwohner zählende Rendsburg war über 350 Jahre Garnisons- und Grenzstadt und bis zum Deutsch-Dänischen Krieg (1864) zweitwichtigste Festung des Königreiches Dänemark. Die Einheimischen lebten jahrhundertelang mit und von Soldaten, darunter Dänen, Österreicher und Preußen, Amerikaner, Engländer und Norweger. Von deutscher Seite nutzen sowohl die Reichswehr wie auch Wehrmacht und Bundeswehr den Standort.
Die für die Flugabwehr der Wehrmacht gebaute spätere Feldwebel-Schmid-Kaserne beherbergte lange die Heeresflugabwehrschule der Bundeswehr und Verbände dieser Truppengattung sowie Fernmelde- und Instandsetzungseinheiten. Der Namensgeber der Liegenschaft, Anton Schmid aus Wien, hat während des Zweiten Weltkrieges bis zu 300 Juden gerettet. Er wurde dafür von einem Kriegsgericht zum Tode verurteilt und erschossen.
Die Geschichte der Garnison Rendsburg endete Anfang 2011. Bis dahin haben rund 150.000 Bundeswehrsoldaten dort Dienst geleistet. Was bleibt sind viele Ehemalige, deren Hinterbliebene und Reservisten, die sich in ihrer Kameradschaft des Deutschen BundeswehrVerbandes organisieren und Verbindung zueinander halten.