Bundeswehr-Pläne: Heer soll drei volle Divisionen bekommen
Berlin. Der Bundeswehr stehen in den kommenden 15 Jahren offenbar grundlegende Veränderungen in ihren Aufgaben und der Ausstattung bevor. Das geht aus den „Vorläufigen konzeptionellen Vorgaben für das künftige Fähigkeitsprofil der Bundeswehr“ hervor, die der Planungsabteilung des Verteidigungsministeriums entstammen und über die die „FAZ“ berichtet. DBwV liegt das Papier ebenfalls vor.
Demnach soll sich bis zum Jahr 2032 eine radikale Abkehr von der bisherigen Ausrichtung der Bundeswehr an Auslandseinsätzen vollziehen. Die Aufgaben sollen sich wieder vor allem an der Landes- und Bündnisverteidigung ausrichten. Der zuständige Abteilungsleiter im Ministerium, Generalleutnant Erhard Bühler, spricht von einer „Abkehr von den Vorgaben der Neuausrichtung von 2011“.
Neue Konzeption orientiert sich am Weißbuch
Konkret bedeuten die Planungen, dass die Bundeswehr in den Bereichen Heer, Luftwaffe und Marine kräftig aufwachsen muss, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Diese sollen dem Papier nach die vollständige Verteidigungsfähigkeit zu Land, zu Wasser, in der Luft, im Weltraum und im Cyberraum sein.
Erhard Bühler verweist auf das im vergangenen Jahr verabschiedete Weißbuch, in dem die Landesverteidigung wieder eine größere Rolle spielt. „Der Maßstab musste sich fundamental ändern“, so der Planungschef, der gegenüber der „FAZ“ von einem „erheblichen Änderungsbedarf für die Bundeswehr in allen nur möglichen zeitlichen und inhaltlichen Facetten“ spricht. Die ersten Vorgaben werden bereits im „Fähigkeitsprofil 2017“ gemacht, das bereits von Bühler unterzeichnet wurde. Die Konzeption soll laut Ministerium noch im Sommer erlassen werden.
Geplant ist ein schrittweises Vorgehen.
Bis Ende 2023 sollen laufende mandatierte Einsätze sichergestellt, zwischen 2019 und 2023 zusätzliche Verantwortung übernommen werden. Deutschland agiert dabei als Rahmennation für die Very High Readiness Joint Task Forde mit einem Systemverbund Brigade und Beteiligung der aus Kräften aus Luft, See und Speizialkräften.
Im zweiten Schritt bis 2027 soll der erste Schritt zur umfassenden Befähigung zur Bündnis- und Landesverteidigung erfolgen, hierfür sol die aufgabenorientierte Ausstattung für erste Systemverbünde erreicht werden.
Der dritte Schritt soll mit dem Erreichen der aufgabenorientierten Ausstattung für alle aktiven und teil-/nicht-aktiven Einheiten bis 2031 abgeschlossen werden.
Nach 2032 soll die Bundeswehr dann in der Lage sein, gleichrangig alle anderen Aufgaben auf der Basis von Missionspaketen wahrzunehmen.
Überhaupt ist die Gleichzeitigkeit eines der wichtigsten Gestaltungsparameter. Die Planung unterscheidet dabei drei Fälle von Landes- bzw. Bündnisverteidigung:
1. Parallel zu Bündnis-Maßnahmen unterhalb der Schwelle zum Bündnisfall sind alle Aufgaben (inkl. weiterer dauerhaft zu leistender Aufgaben) gleichrangig wahrzunehmen.
2. Die Nationale Krisenvorsorge ist auch parrallel zur kollektiven Bündnisverteidigung sicherzustellen.
3. Bei einem Einsatz zur Landesverteidigung allerdings kann das Abbrechen aller anderen Aufträge erfolgen.
Was sich für Heer, Luftwaffe und Marine genau ändern soll, zeigt unser Überblick.
Heer
Die bestehende Struktur des Heeres wird komplett umgebaut. Künftig sollen drei voll ausgestattete Divisionen mit acht bis zehn Brigaden zur Verfügung stehen, die innerhalb von drei Monaten voll einsatzbereit sein sollen. Dieser Ausbau – momentan verfügt das Heer über sieben Brigaden und Anteile an der Deutsch-Französischen Brigade – erfordert zusätzliche Einheiten vor allem im Bereich Artilleriebatallione. Diese werden entweder neu gebildet oder durch Kooperationen mit anderen Nato-Ländern gestellt.
Die erste Division soll den Planungen nach bis 2026 voll einsatzfähig sein. In diesem Fall könnten 20.000 Soldaten in drei gepanzerten Brigaden in den Kampf geschickt werden. Ende 2031 sollen auch die anderen beiden Divisionen stehen und je über ein Artilleriebataillon verfügen. Das Personal für diesen Aufwuchs soll auch durch die verstärkte Einbindung von Reservisten erfolgen.
Auch die materielle Ausstattung wird sich massiv verändern, auch wenn die kompletten Konsequenzen für die Planung noch nicht abzusehen sind. Demnach steht im Zentrum des neuen Bedarfs der neue Transportpanzer Boxer. 200 Stück stehen dem Heer bereits zur Verfügung, 130 weitere sind bereits genehmigt. Doch das reicht noch lange nicht, interne Berechnungen gehen davon aus, dass die dreifache Menge benötigt wird – mindestens. Im Gespräch sind offenbar auch höhere Stückzahlen des neuen Schützenpanzers Puma sowie deutsch-französische Kooperationen im Bereich Artilleriesysteme.
Luftwaffe
Die Luftstreitkräfte sollen in den kommenden 15 Jahren in die Lage versetzt werden, einen multinationalen Verband zu führen. Pro Tag sollen bis zu 350 Aufklärungs- und Kampfeinsätze geflogen werden können – Dreiviertel davon entfielen dann auf die Bundeswehr. Die Konzeption ist so angelegt, dass die Luftstreitkräfte in der Lage sein müssen, die Luftherrschaft über Deutschland aufrechtzuerhalten und gemeinsam mit Verbündeten die Überlegenheit über einem Einsatzgebiet herzustellen.
Dafür soll auch die Luftwaffe besser ausgestattet werden. Geplant ist der Ersatz der Tornados und der Transporthubschrauber CH-53. Zusätzlich sollen Drohnen, Transporter vom Typ C-130 Herkules, weitere A400M und – ganz neu – auch schwere Transporthubschrauber beschafft werden. Letztere hatte die Bundeswehr noch nie zur Verfügung. Das Ziel der Maßnahmen: Die Luftwaffe soll schon ab 2021 den Schutz der Landstreitkräfte aus der Luft übernehmen.
Marine
Zu Wasser sollen künftig mindestens 15 Schiffe und Boote gleichzeitig einsatzbereit sein. Hierfür müssten dem Fähigkeitsprofil nach in den kommenden Jahren sechs Tender, vier Fregatten und die Minenabwehreinheiten ersetzt werden. Auch soll die Bundesregierung bereits der Anschaffung zweier weiterer Versorgungs- und Kommandoschiffen zugestimmt haben.
Auch für die Marine ergeben sich erheblich geänderte Aufgaben. Sie soll unter anderem wieder in die Lage versetzt werden, Seekriege auch aus der Luft zu führen. Das ist sie nicht mehr, seit sie vor mehr als zehn Jahren ihre Jagdbomber abgeben musste. Mit welchen Maßnahmen genau dieses Ziel erreicht werden soll, ist noch offen.