Zeit, die Veteranendebatte in die Republik zu tragen
Respekt und Wertschätzung für die Bundeswehr – wie kann das Thema endlich in der Gesellschaft vorangebracht werden? Auf der DBwV-Tagung „Einsatzveteranen und Verwundete“ diskutierten die Teilnehmer darüber mit dem SPD-Verteidigungsexperten Johannes Arlt.
Die Angelegenheiten von Veteranen werden Bundeswehr und Gesellschaft noch viele Jahrzehnte beschäftigen – unabhängig von der weiteren Entwicklung der sicherheitspolitischen Lage. Mit diesen klaren Worten positionierte sich SPD-Verteidigungsexperte Johannes Arlt Anfang Juni auf der Tagung „Einsatzveteranen und Verwundete“ des Deutschen BundeswehrVerbandes. „Wir sehen, wie aktuell wegen des Kriegs in der Ukraine sogar bei Veteranen des Zweiten Weltkriegs alte Wunden aufbrechen“, gab der Bundestagsabgeordnete zu Bedenken. Erlebnisse aus Kriegen und Konflikten ließen sich nicht abschütteln, das gelte auch für Erfahrungen aus Auslandseinsätzen der Bundeswehr.
Für den Leiter der Tagung, Oberstleutnant i.G. Marcel Bohnert, ist wegen dieser zeitlichen Dimension klar: Für Veteranenthemen muss ein Grundlagendokument geschaffen werden, das vorhandene Hilfen und Maßnahmen zusammenführt und Leitplanken für eine angemessene Veteranenpolitik enthält. „Entscheidend ist, dass ein verbindlicher und transparenter Rahmen für die Anliegen und Forderungen von Veteranen geschaffen wird“, so der Stellvertreter des Bundesvorsitzenden des Deutschen BundeswehrVerbandes. „Es gibt zwar schon viele Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen, letztlich stehen Veteranen aber vor einem Angebot, das einem Flickenteppich gleicht.“
Für Bohnert und die Teilnehmer der Tagung, in der Mehrzahl bekannte Afghanistan-Veteranen wie Naef Adebahr, Maik Mutschke, Robert Müller oder Wolf Gregis, ist gleichzeitig grundlegend wichtig, dass sich Politik und Bundesministerium der Verteidigung endlich für die Etablierung einer echten Veteranenkultur in Deutschland engagieren. Seit vielen Jahren gebe es Ideen und Forderungen, wie Respekt und Wertschätzung für das, was Soldatinnen und Soldaten leisten, tatsächlich nachhaltig in der Gesellschaft verankert werden könnten. Doch nennenswerte Fortschritte seien bislang nicht wahrzunehmen.
Der beurlaubte Luftwaffenoffizier Arlt traf in der Tagung deswegen zwar auf interessierte, zunächst aber skeptische Teilnehmer. Zu oft schon hatten die Veteranen ihre Anliegen in den vergangenen Jahren wechselnden Politikern vorgetragen. Und immer wieder mussten sie miterleben, wie Vorhaben steckenblieben oder gar nicht erst angegangen wurden. Oder aber Chancen nicht genutzt wurden: Mit Ende des Afghanistan-Einsatzes stand die Bundeswehr im vergangenen Jahr zwar plötzlich im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Doch alle Hoffnungen, dass sich aus dieser Situation ein echter gesellschaftlicher Rückhalt für Soldatinnen und Soldaten entwickeln würde, waren nach Wahrnehmung der Einsatzveteranen schnell verpufft. Kurz nach dem Abschlussappell im Oktober 2021, an dem die große Mehrheit der ISAF- und Resolute-Support-Veteranen nicht teilnehmen durfte, war das Thema wieder aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwunden.
Arlt, der für seine Fraktion Berichterstatter für Veteranenthemen ist, zeigte den Teilnehmern echtes Interesse, präsentierte Ideen, wie Verbesserungen tatsächlich herbeizuführen wären – und konnte damit bei den Veteraninnen und Veteranen Hoffnung wecken. Arlt: „Es ist an der Zeit, die Veteranendebatte in die Republik zu tragen".
Die Eindrücke des Angriffskriegs in der Ukraine sorgen aktuell dafür, dass die Bundeswehr mit ihrer Kernaufgabe Landes- und Bündnisverteidigung neue Aufmerksamkeit in der Gesellschaft erfährt. Auch für Bohnert ist deshalb jetzt der richtige Augenblick, Verbesserungen anzustoßen. Hinzu kommt, dass im kommenden Jahr erstmals die Invictus Games in Deutschland ausgetragen werden. Diese paralympischen Spiele für einsatzversehrte Soldatinnen und Soldaten müssen nach Ansicht der Tagungsteilnehmer den Durchbruch bringen. „Eine weitere Chance wird es so bald nicht geben“, fasste Bohnert zusammen.
Wichtig sei, das Thema nun mit vereinten Kräften voranzutreiben und sich in der Veteranenbewegung nicht durch Befindlichkeiten auseinanderdividieren zu lassen. Bohnert hat bereits Gespräche mit jüngeren Veteranenvereinigungen wie etwa dem Bund Deutscher EinsatzVeteranen oder Combat Veteran geführt, um gemeinsame Positionen auszuloten und den Forderungen noch mehr Gewicht zu verleihen. So besteht beispielsweise ein Konsens bei den Forderungen nach einem Veteranentag, nach einer prominenten Schirmherrschaft oder mehr öffentlichkeitswirksamer Veranstaltungen.
In der Diskussion mit SPD-Politiker Arlt kam die Frage auf, warum eigentlich das Bundesministerium der Verteidigung nicht auch in seinem Namen den Begriff „Veteranen“ führe – so wie es in anderen Ländern üblich sei. Damit wäre die Fürsorgeverpflichtung des Dienstherrn angemessen abgebildet und gleichzeitig könne ein Signal in die Gesellschaft gesendet werden.
Viele spannende Themen konnten in der Tagung nur angerissen werden. Noch in diesem Jahr soll es deswegen eine Folgeveranstaltung geben, in der über Fortschritte und weitere notwendige Maßnahmen diskutiert werden soll, um diese direkt im Anschluss Bundestagsabgeordneten vorzustellen. Bohnert dankte allen für den gelungenen Auftakt: „Wenn wir alle unsere Botschaften in die Gesellschaft tragen, werden wir zusammen etwas erreichen.“
Auf seinen Social-Media-Kanälen YouTube, Instagram und Facebook hat der Deutsche BundeswehrVerband jetzt eine Video-Serie gestartet, in der sich in den kommenden Tagen alle Tagungsteilnehmer zu ihren Wünschen und Forderungen für eine angemessene Veteranenpolitik äußern. Unbedingt anschauen! @deutscher_bundeswehrverband