Von der Leyen für unbefristeten Afghanistan-Einsatz / Wüstner: Mandatsobergrenze erhöhen!
Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel
Berlin. Syrien, Russland, ISIS, der Nahe Osten – die Verteidigungsminister der Nato-Staaten hatten eine Menge schwerer Themen auf dem Programm, als sie sich am Donnerstag in Brüssel trafen. Ein besonderer Schwerpunkt war allerdings die Lage in Afghanistan und die Zukunft des Nato-Einsatzes dort. Nach der Offensive der Taliban Anfang Oktober in Kunduz steigt die Bereitschaft des Bündnisses, den Einsatz zu verlängern. US-Verteidigungsminister Ashton Carter sagte, die bisherigen Pläne für einen Rückzug bis Ende 2016 müssten den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen sprach sich dafür aus, überhaupt keinen Abzugstermin zu bestimmen, sondern sich nach der Lage vor Ort zu richten. Eine Entscheidung in dieser Frage soll voraussichtlich im Dezember bei einem Treffen der Nato-Außenminister fallen.
Afghanistan und der Kampf um Kunduz sind auch von höchstem Interesse für die Menschen der Bundeswehr - in Afghanistan wie in der Heimat. Sie haben einen besonderen Blick für diese Stadt, denn dort waren viele tausend deutsche Soldatinnen und Soldaten im Rahmen der ISAF-Mission im Einsatz - und im Kampf. Eines der schwersten und opferreichsten Gefechte, das Karfreitagsgefecht, fand dort statt. Der offensichtlich widerstandslose Einfall der Taliban und die mühsame, blutige Rückeroberung durch afghanische Regierungskräfte sorgen für Unverständnis und Wut.
Für den Deutschen BundeswehrVerband ist klar: Unsere Streitkräfte sind für das Erstarken der Taliban im Raum Kundus jedenfalls nicht verantwortlich. Seit langem haben deutsche Militärs vor einer Destabilisierung der Region gewarnt. Sie ist das Ergebnis eines vorschnellen Abzugs der ISAF-Kräfte. Eines Abzugs, der eben nicht kriterienorientiert ablief, sondern sich an politisch vorgegebene Zeitlinien halten musste. Der DBwV-Bundesvorsitzende, Oberstleutnant André Wüstner, teilt die Besorgnis der in Brüssel versammelten Verteidigungsminister und fordert entschlossenes Handeln der Staatengemeinschaft. Die Stabilität der Region sei auch essentiell für die Sicherheit Europas - und das nicht nur, weil aus Afghanistan ein Anschwellen der Flüchtlingsströme auch nach Deutschland zu befürchten sei. Auch eine mögliche Destabilisierung der Nachbarstaaten birgt unkalkulierbare Gefahren, nicht zuletzt, weil Pakistan über Atomwaffen verfügt.
„Nicht nur die Menschen der Bundeswehr erwarten von der Bundesregierung, dass sie zusammen mit ihren internationalen Partnern die bisherige Strategie überdenkt und zügig handelt. Aber bitte nicht wieder nur militärisch!“, so Wüstner. Es sei drängender denn je, dass alle Ressorts der Bundesregierung endlich einen Beitrag liefern, der nachhaltig spürbar sei - und vor allem vernetzt. Erst wenn das glaubhaft geschehe, würden die Soldaten der Bundeswehr sich mit der gewohnten Motivation und Opferbereitschaft von einer möglichen neuen Mission überzeugen lassen. Vorher nicht, denn die Frustration ist in weiten Teilen der AFG-Veteranen enorm und das Vertrauen in die Politik hat Schaden genommen. Unabhängig davon sei jetzt der Zeitpunkt gekommen, so der Bundesvorsitzende, die Mandatsobergrenze für den laufenden Einsatz in Afghanistan zu erhöhen, um der Mission notfalls mehr Flexibilität und Handlungsfreiheit zu ermöglichen. Das entspräche unter anderem auch einem Vorschlag der „Kommission zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr“. In Zukunft sollte sich das Parlament lieber auf den vernetzten Ansatz für ein Einsatzgebiet konzentrieren, statt sich mit militärischem Micromanagement in Sachen Mandatsobergrenzen zu verzetteln. Viele Fachpolitiker teilen diese Auffassung des DBwV bereits. Jetzt müssen die entsprechenden Mehrheiten gewonnen werden!