Serie "Mali": „Der psychische Druck kann nicht wiedergegeben werden“
Hauptfeldwebel Daniel (41) aus Gotha ist einer der Protagonisten in der YouTube-Serie „Mali“ der Bundeswehr. Im Gespräch mit „Die Bundeswehr“, dem Magazin des DBwV, erzählt er, wie es dazu gekommen ist, wie seine Kameraden auf die Dreharbeiten reagiert haben und was man vor seinem ersten Afrika-Einsatz unbedingt beachten sollte.
Die Bundeswehr: Welche Aufgaben und Funktionen hatten Sie in Mali?
Hauptfeldwebel Daniel: Ich bin in einer Aufklärungskompanie tätig. Meine Aufgabe vor Ort war es, im Team des sogenannten Liasion Officers tätig zu sein, das heißt, Verbindung zu halten mit verbündeten Kräften, mit einheimischen Sicherheitskräften und anderen UN-Kräften.
Wie und warum sind Sie für die Serie ausgewählt worden?
Das war Zufall. Dass die Serie produziert werden soll, habe ich erst bei unserer Vorbereitung auf dem Übungsplatz erfahren. Da war das Kamerateam bereits vor Ort und musste natürlich auch irgendwie beweglich sein und bei mir im Fahrzeug war noch ein Platz frei. Obwohl ich anfangs sehr skeptisch war, habe ich mich darauf eingelassen und einfach meine Arbeit weitergemacht. Daraus hat sich schließlich eine freundschaftliche Vertrauensbasis entwickelt. Schließlich hat man mich dann im Einsatz gefragt: Hast du nicht Lust, ein bisschen zu filmen und dich filmen zu lassen?
Also mussten Sie sich gar nicht extra auf die Filmarbeiten vorbereiten?
Nein, gar nicht. Ich bin da wie gesagt einfach „reingeschlittert“ und hab das dann umgesetzt – soweit es der Auftrag zugelassen hat und ich in der Erfüllung meiner Aufgaben nicht behindert wurde.
Wie haben Sie sich beziehungsweise wurden Sie auf den Einsatz in Afrika vorbereitet?
Grundsätzlich geschah dies wie vor jedem Auslandseinsatz. Man durchläuft dafür eine Reihe von Stationen. Das beinhaltet unter anderem die Ausbildung am Standort, dabei geht es zum Beispiel um die Sanitätsausbildung und politische Fragen. Dann ging es zum Gefechtsübungszentrum. Dort wurden Extremsituationen geübt. Dabei ging es um Situationen, die vermutlich – aber hoffentlich doch nie – im Einsatz eintreten können: Hinterhalte, Sprengfallen, schwere Verkehrsunfälle.
Wie lange wurden Sie gefilmt und wie liefen die Dreharbeiten eigentlich generell ab?
Gefilmt wurde ich letztlich viereinhalb Monate oder habe mich selbst gefilmt. Das Filmteam war ja nicht permanent, sondern einmal drei und zwei Mal zwei Wochen mit drei bis fünf Leuten vor Ort. Die restliche Zeit haben wir uns selbst oder gegenseitig gefilmt.
Hatte das Ganze einen Einfluss auf Ihren eigentlichen Dienst im Einsatz?
Nein, gar nicht. Ich habe zwar gesehen, dass das Team da war und habe immer mal wieder die Kamera gehalten. Aber das hatte keinerlei Einfluss auf mein Handeln und meinen Auftrag. Denn der hatte immer Vorrang. Ich habe nur gefilmt, wenn es die Situation zugelassen hat und ich sie für interessant gehalten habe. Ansonsten habe ich die Kamera einfach ausgeschaltet gelassen.
Gab es einen Moment, in dem Sie lieber nicht gefilmt werden wollten?
Nein, grundsätzlich nicht. Auch wenn es im Nachhinein generell ein merkwürdiges Gefühl ist, sich selbst in der Serie zu sehen.
Was war Ihr allererster Eindruck von der fertigen Serie?
Bereits während des Einsatzes konnte ich die ersten Folgen als Rohfassung sehen, und habe gedacht: Das ist echt cool geworden, das gefällt mir!
Und wie waren die Reaktionen der Kameraden vor Ort in Mali beziehungsweise in der Heimat sowie Ihrer Familienangehörigen?
Sowohl in der Familie als auch bei den Kameraden waren sie durchweg positiv. Allerdings muss man sich von den Kameraden mitunter mal kleine Frotzeleien und Sticheleien gefallen lassen – aber das ist ja nichts Schlimmes und gehört irgendwie auch dazu.
Was wurde in der Serie Ihrer Meinung nach hinsichtlich des Mali-Einsatzes besonders gut dargestellt?
Eigentlich alles. Denn alles ist völlig authentisch, nichts wurde gestellt. Keine Szene wurde zwei Mal gedreht. Und wir haben nie mit dem Filmteam abgesprochen, irgendwas Bestimmtes zu drehen. Umgekehrt hat auch das Filmteam nie irgendetwas Besonderes verlangt. So etwas gab es überhaupt nicht, sondern es wurde sozusagen einfach drauf los gefilmt. Natürlich ist dabei sehr viel Filmmaterial entstanden. Aus dem haben dann die Profis das Wesentliche zusammengeschnitten.
Haben Sie ein Beispiel für die Authentizität der Serie parat?
Ja, in Folge 7 „Festgefahren“ heißt es in den Kommentaren unter anderem: „Das haben die ja nur gestellt“ oder: „Das wurde nur für das Filmteam gemacht.“ Aber das stimmt nicht. Wir hatten uns wirklich festgefahren.
Was kam hingegen – möglicherweise auch aufgrund des Video-Formats – eher zu kurz?
Was nicht so rüberkommt, ist die Hitze. Im Schnitt hatten wir Temperaturen von 40 Grad, nicht selten aber auch Tage mit 50 Grad – im Schatten. Das ist schon fast unmenschlich. Daran gewöhnt man sich erst mit der Zeit. Man sieht ja auch in der Serie den Interviewten in den Unterkünften an, wie sie schwitzen. Komischerweise sieht man das draußen, wo wir viel mehr geschwitzt haben, gar nicht so. Auch der psychische Druck – der immer da ist, wenn man rausfährt – kann in einem Video nicht wiedergegeben werden.
Mit der Social-Media-Serie „Mali“ sollen junge Menschen über die Bundeswehr informiert und für einen Dienst in den Streitkräften interessiert werden. Glauben Sie, das funktioniert?
Ja, durchaus. Ich könnte mir vorstellen, dass nicht nur Schulabgänger, sondern auch Quereinsteiger mit der Serie gut angesprochen werden. Es ist ja heute keine Seltenheit, dass Leute mit 30 Jahren+ zur Bundeswehr kommen. Aber die Hauptzielgruppe sind sicher jüngere Menschen, die überlegen, später einmal zur Bundeswehr zu gehen.
War Mali Ihr erster Einsatz?
Nein, der fünfte. Zuvor war ich bereits zwei Mal in Bosnien und zwei Mal in Afghanistan.
Und mit welchen Erwartungen sind Sie in den aktuellen Einsatz gegangen?
Ich habe nicht nur einen spannenden, sondern auch besonderen Einsatz erwartet. Denn es war mein erster UN-Einsatz. Und der hat sich deutlich von einem Nato-Einsatz unterschieden. Die Strukturen, die ganze Arbeit ist anders. Bei der UN ist immer eine zivile Komponente beteiligt und das macht es nicht immer einfacher. Denn Entscheidungsprozesse sind deutlich komplexer und dauern dadurch mitunter länger. Im Unterschied zu meinen früheren Einsätzen gehörte zudem nicht nur der Kontakt zu den Verbündeten, sondern auch zur einheimischen Bevölkerung zu meinen Aufgaben.
Wie war Ihr Eindruck?
Da wir uns regelmäßig mit den malischen Sicherheitskräften austauschen mussten, sind wir zwangsläufig auch mit der übrigen Bevölkerung in Kontakt gekommen – und die Menschen waren sehr aufgeschlossen. Zwar spreche ich kein französisch, aber ein belgischer Kamerad hat die Gespräche dann am Laufen gehalten. Und verständigen kann man sich ja ohnehin immer irgendwie. Nicht nur die angespannte Sicherheitslage in Mali ist eines der Themen der Serie.
Der Zuschauer erfährt, dass Skorpione im Camp zur Gefahr für die Soldaten werden können.Wie sind Sie damit umgegangen?
Man muss dem Skorpion aus dem Weg gehen – so einfach ist das. Das heißt beispielsweise, Schuhe niemals auf dem Boden, sondern möglichst hoch abzustellen. Vor dem Anziehen habe ich die Schuhe wiederum erst ausgeschüttelt. Neben dem Gelben Mittelmeerskopion – der allerdings so gut wie nie in Gebäude kommt – gab es da aber auch Schlangen wie die sehr kleine, sehr giftige Sandrasselotter. Aber mit dem richtigen und umsichtigen Verhalten kann man sich schon gut schützen.
Was raten Sie allen Soldaten, die das erste Mal in einen Einsatz in Mali beziehungsweise Afrika gehen?
Wichtig ist vor allem, körperlich fit zu sein. Das ist ein wesentlicher Punkt, damit man die Temperaturen dort besser erträgt und seinen Kreislauf schützt. Aber natürlich sollte man auch generell aufgeschlossen sein und sich vorher mit dem Land, dessen Kultur und den Problemen beschäftigen.
Denken Sie schon an den nächsten Auslandseinsatz?
Ja, selbstverständlich. Ich hoffe, Ende diesen Jahres wieder nach Mali zu gehen. Denn ich bin gerne Soldat und gerne im Einsatz.