Libysche Regierung will EU-Unterstützung auch beim Anti-Terror-Kampf
Brüssel (dpa) - Die neue libysche Einheitsregierung bittet die EU um breitere militärische Unterstützung als erwartet. In einem am Wochenende nach Brüssel geschickten Schreiben von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch gehe es nicht nur um Hilfe beim Wiederaufbau von Küstenwache und Marine, berichteten Diplomaten am Montag. Ganz konkret werde auch um Ausbildung von Sicherheitskräften für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gebeten, die ihr Herrschaftsgebiet im Norden des Landes auszuweiten versucht.
Länder wie Großbritannien und Frankreich drängen hingegen seit längerem auf eine schnelle und breite Ausweitung des Einsatzes.
Wegen der neuen Entwicklung blockierte Deutschland am Montag bei einem Außenministertreffen in Brüssel zunächst die Entscheidung über die geplante Ausweitung des aktuellen EU-Militäreinsatzes vor der Küste Libyens. Nach Angaben aus Delegationskreisen wollte die Bundesregierung so sicherstellen, dass das neue Mandat lediglich die ursprünglich vorgesehenen Aufgaben für die EU-Soldaten erlaubt.
Den Plänen zufolge sollen im Rahmen der Operation «Sophia» künftig auch libysche Marinesoldaten und Küstenschützer ausgebildet werden können. Zudem könnte die Überwachung des UN-Waffenembargos als Aufgabe hinzukommen.
Der EU-Militäreinsatz vor der libyschen Küste war im vergangenen Sommer begonnen worden, um die illegale Migration über das Mittelmeer einzudämmen. Da er bis heute auf das Seegebiet außerhalb der libyschen Hoheitsgewässer begrenzt ist, konnten dabei bislang aber kaum Erfolge erzielt werden. Die Besatzungen der Schiffe retten derzeit vor allem in Seenot geratene Migranten. Seit Beginn des Einsatzes wurde an die 14 000 Menschen an Bord genommen. Auch die Bundeswehr ist mit zwei Schiffen beteiligt. Damit soll es ermöglicht werden, dass EU-Soldaten künftig auch Unterstützung beim Wiederaufbau einer libyschen Küstenwache und Marine leisten. Die Sicherheitskräfte sollen vor allem in die Lage versetzt werden, Schleuserkriminalität zu bekämpfen. Die Vereinten Nationen gingen zuletzt davon aus, dass sich in Libyen derzeit bis zu eine Million Migranten aufhalten. Über das vom Bürgerkrieg zerrüttete Land in Nordafrika kamen allein im vergangenen Jahr mehr als 150 000 Menschen nach Europa.
Ob sich die Bundeswehr auch an der Ausbildung der libyschen Küstenwache beteiligen werden, ist noch unklar. «Die Einzelheiten und Zeitlinien für die zusätzlichen Aufgaben werden nun innerhalb der EU erarbeitet und weiter abgestimmt», teilte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums am Montag mit. «Erst danach lässt sich sagen, welchen Beitrag die Bundeswehr hierzu leisten kann.» Ein Sprecher des Außenministeriums machte zudem klar, dass auch ein neues Bundestagsmandat notwendig wäre.
Dies gilt auch für weitere Planungen der EU. Sie sehen vor, dass die EU-Schiffe künftig auch zur Kontrolle des gegen Libyen verhängten Waffenembargos eingesetzt werden können. Damit soll die Lieferung von Kriegsgütern an Islamisten im Land verhindert werden. Über mögliche Lieferanten von Waffen schweigen sich die EU-Staaten bislang aus. Nach Informationen aus Sicherheitskreisen werden als Absender unter anderem Unterstützer von Islamisten aus Ägypten oder auch der Türkei vermutet.
Hintergrund:
Libyen ist nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi 2011 in Chaos und Bürgerkrieg versunken. Milizen, Banden und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nutzten das Machtvakuum aus. Eine neue Einheitsregierung soll die beiden bisher rivalisierenden Regierungen ersetzen.