Libyen-Einsatz: Was kommt auf die Bundeswehr zu?
Die EU weitet ihren Einsatz vor der libyschen Küste aus. Zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität kommen die Bekämpfung des Waffenschmuggels und ein Einsatz zur Ausbildung libyscher Küstenschützer hinzu. An diesem Mittwoch will das Kabinett den Weg für eine deutsche Beteiligung ebnen. Auf die ohnehin schon stark belastete Marine kommen neue Aufgaben zu.
Fragen und Antworten zur Operation «Sophia»:
Was macht die EU derzeit vor der libyschen Küste?
Offiziell wurde der Marineeinsatz im vergangenen Jahr gestartet, um kriminelle Schleuserbanden zu bekämpfen. Diese werden dafür verantwortlich gemacht, aus Profitgier jährlich Zehntausende Flüchtlinge auf den lebensgefährlichen Weg über das Mittelmeer in Richtung Europa zu schicken. Weil die EU-Schiffe wegen der schwierigen politischen Situation in Libyen bislang nicht in die Küstengewässer des nordafrikanischen Landes fahren dürfen, konnte das eigentliche Ziel des Einsatzes bislang allerdings nicht erreicht werden. Die Besatzungen mussten sich weitestgehend darauf beschränken, in Seenot geratene Flüchtlinge zu retten. Sie nahmen bereits knapp 16 000 Menschen an Bord und brachten sie nach Italien.
Die Einsatzleitung berichtet immer wieder von festgenommen Schleusern und zerstörten Booten. Sind das keine Erfolge?
Zumindest keine, die die Lage wirklich verbessern würden. Festnahmen erfolgen dann, wenn es Hinweise darauf gibt, dass bei einer Seenotrettungsaktion auch Schleuser an Bord genommen wurden. Bei ihnen handelt es sich allerdings vermutlich nur um «kleine Fische», die sich unter die Flüchtlinge gemischt hatten, um selbst nach Europa zu kommen. Die wirklich Verantwortlichen koordinieren ihre Geschäfte von der Küste aus und sind damit für die EU-Einsatzkräfte nicht greifbar. Die knapp 140 zerstörten Schiffe sind ebenfalls kein echter Erfolgsindikator. Sie wurden versenkt, nachdem von ihnen Flüchtlinge gerettet wurden. Hätten sie es bis Italien geschafft, wären sie auch nicht zurück nach Libyen gebracht worden.
Welche neuen Aufgaben kommen jetzt auf die EU-Soldaten zu?
Mit der Beruhigung des Bürgerkrieges in Libyen haben sich für die EU neue Optionen eröffnet. Die kürzlich gebildete Einheitsregierung hat ein EU-Angebot für Unterstützung beim Wiederaufbau der Küstenwache akzeptiert. Es sieht in einem ersten Schritt vor, dass EU-Soldaten auf einem großen Schiff rund 100 libysche Küstenschutz-Kräfte ausbilden. Quasi als Dankeschön sollen diese dann gegen Flüchtlingsschlepper und illegale Migration vorgehen. Italien will Libyen dafür zehn Patrouillenboote zur Verfügung stellen. Zudem sollen die europäischen Soldaten künftig auch den Waffenschmuggel nach Libyen bekämpfen. Durch die Überwachung des seit langem bestehenden UN-Embargos soll verhindert werden, dass extremistische Gruppen über das Mittelmeer mit Rüstungsgütern beliefert werden.
Wer schmuggelt denn Waffen an wen?
Nach einem Bericht von UN-Experten gibt es Hinweise, dass unter anderem über die Türkei, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate illegal Rüstungsgüter nach Libyen kommen. Profiteure sollen vor allem die großen politischen Gruppierungen sein, die sich bis zuletzt verfeindet gegenüberstanden. Dass auch der libysche Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) Adressat von Waffenlieferungen sein könnte, wird immer wieder behauptet. Öffentliche Beweise dafür gibt es allerdings laut UN-Experten bislang nicht.
Was kann die Bundeswehr beitragen?
Bisher ist unklar, ob die neuen Aufgaben auch eine stärkere personelle Beteiligung der Bundeswehr an dem Einsatz bedeuten. Bisher waren bis zu zwei deutsche Schiffe und fast 400 Soldaten im zentralen Mittelmeer unterwegs. Viel mehr dürfte nicht drin sein. Die Marine ist derzeit an so vielen Einsätzen gleichzeitig beteiligt wie wohl noch nie zuvor. In der Ägäis überwacht sie Fluchtrouten, am Horn von Afrika bekämpft sie die Piraterie, und vor der libanesischen Küste bekämpft sie ebenfalls den Waffenschmuggel.
Ist es möglich, dass die Bundeswehr irgendwann auch an Land in Libyen eingesetzt wird?
Ein Einsatz in dem Bürgerkriegsland ist derzeit unwahrscheinlich, ein Kampfeinsatz am Boden gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sogar ausgeschlossen. Es gibt aber schon seit längerer Zeit Überlegungen, libysche Sicherheitskräfte im Nachbarland Tunesien auszubilden.
Warum ist die Zusammenarbeit mit Libyen so schwierig?
Das Land ist nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi 2011 in Chaos und Bürgerkrieg versunken. Milizen, Banden und der IS nutzten das Machtvakuum aus. Ob die kürzlich gebildete Einheitsregierung langfristig für mehr Ordnung und Sicherheit sorgen kann, ist noch völlig unklar.