Roderich Kiesewetter: „Wir können 100 Marder liefern."
Berlin. Der Verteidigungsexperte der CDU-Bundestagsfraktion, Roderich Kiesewetter, erhebt schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung wegen unzureichender Waffenlieferungen an die Ukraine. "Wir können auf jeden Fall hundert Marder liefern, dreißig davon in kürzester Zeit. Dasselbe gilt für den Kampfpanzer Leopard 1“, sagte Kiesewetter im Interview mit der F.A.Z., das an diesem Wochenende erschienen ist.
"Wir könnten selbstverständlich noch viel mehr abgeben, zumal es in unserem sicherheitspolitischen Interesse liegt,“ sagte Oberst a.D. Kiesewetter, Adolf-Heusinger-Preisträger 1997. Er könne "verstehen, dass der Generalinspekteur sorgsam über die Bestände der Bundeswehr wacht. Aber er hat die Aufgabe, die Bundesregierung zu beraten und ihr nicht einfach nach dem Munde zu reden.“ Generalinspekteur Eberhard Zorn hatte in der zurückliegenden Woche erklärt, er sehe momentan keinen Spielraum für die Abgabe von Transportpanzern vom Typ Fuchs.
Kiesewetter äußerte gegenüber der F.A.Z. die Vermutung, dass Christiane Lambrecht als "Verteidigungsministerin hier einer Weisung aus dem Bundeskanzleramt unterliegt“. Als Erklärung für das Verhalten der von Bundeskanzler Olaf Scholz geführten Bundesregierung - bezüglich der Nichterteilung von Ausfuhrgenehmigungen für schwere Waffen - führte Kiesewetter an: „Ich befürchte, dass Scholz einer Drohung Putins auf den Leim ging, dass die Lieferung deutscher Panzer zu einer nuklearen Eskalation führen würde. Das ist abstrus!“ Russland würde so etwas nicht riskieren und schüre hier bewusst Ängste. "Es gibt kein sicherheitspolitisches Argument gegen Waffenlieferungen“, sagte Kiesewetter. Aber Deutschland habe "offenbar immer noch die Hoffnung, mit einem Kriegsverbrecher zu verhandeln, der alle nach Strich und Faden belogen hat“. Dies sei „politischer Masochismus“.
Abgeordnete von Grünen und FDP teilen Kiesewetters Kritik
Auch Abgeordnete aus den Fraktionen der Regierungskoalition teilen offenkundig die Kritik des Oppositionspolitikers Kiesewetter. „Ich möchte die verteidigungspolitischen Fachkenntnisse der Ministerin, insbesondere was Panzer und die Abgabe von Panzern angeht, nicht bewerten. Aber ich bin der Meinung, dass die Bundeswehr das Potenzial hat, aus ihren Beständen an gepanzerten Transportfahrzeugen der Ukraine noch mehr zur Verfügung zu stellen“, sagte der FDP-Verteidigungspolitiker Marcus Faber gegenüber der Zeitung WELT AM SONNTAG.
Dies ist offenkundig keine Einzelmeinung im Lager der Regierungskoalition. Ein Antrag der CDU/CSU-Fraktionen, der die Lieferung von bis zu 200 der 825 in den Beständen der Bundeswehr vorhandenen Transportpanzer Fuchs an die Ukraine zum Gegenstand hatte, wurde zwar am Donnerstag von SPD, Grünen und FDP mehrheitlich abgelehnt. Elf Grüne und 14 Liberale verließen jedoch vor der Abstimmung spontan das Plenum.
„Fünf Abgeordnete der Grünen gaben gegenüber WELT AM SONNTAG explizit an, aus politischen Gründen gegangen zu sein, wollen dies aber noch nicht öffentlich machen“, heißt es in dem heute veröffentlichten Bericht der WELT AM SONNTAG.
Grüne: „In unserer Fraktion gibt es massive Bedenken gegenüber dem aktuellen Kurs des Kanzleramts und der Verteidigungsministerin.“
Eine Person aus den Reihen der Grünen, die vor der Abstimmung über den Unionsantrag das Plenum verließ, begründete dies - unter Wahrung der Anonymität - gegenüber WELT AM SONNTAG so: „In unserer Fraktion gibt es massive Bedenken gegenüber dem aktuellen Kurs des Kanzleramts und der Verteidigungsministerin.“ Die Ukraine müsse endlich Zivilisten und Soldaten besser schützen können: „Das könnten sie mit unseren Mardern und Füchsen. Wir verstehen nicht, warum dieser Schutz weiter verwehrt wird. Dies passt nicht zu den bereits getroffenen Beschlüssen des Bundestages. Diese müssen von der Bundesregierung umgesetzt werden.“ Immer mehr Grüne täten sich schwer damit, aus Koalitionsdisziplin nicht nach den eigenen Überzeugungen zu stimmen: „Bei vielen in unserer Fraktion wird der Geduldsfaden immer kürzer“, äußerte sich die Person der Grünen-Fraktion.
Nach Recherchen der WELT AM SONNTAG haben sich die empörten Abgeordneten von Grünen und FDP inzwischen „verabredet, nicht noch einmal so aus dem Plenum zu fliehen“. Vor der nächsten Abstimmung über Waffen, heißt es, „wollen sie als Gruppe das Gespräch mit ihrer Fraktionsführung suchen“.
Kiesewetter: Der Ukraine droht ein Diktatfrieden
Die mutmaßlichen Folgen ausbleibender Waffenlieferungen für die Ukraine beschrieb CDU-Verteidigungsexperte Kiesewetter in seinem mit der F.A.Z. geführten Interview so: "Die mutmaßlichen Folgen ausbleibender Waffenlieferungen für die Ukraine beschrieb CDU-Verteidigungsexperte Kiesewetter in dem Interview so: "Sie wird mit den Waffen, die sie bislang hat, die Grenzen vom Januar nicht wiederherstellen können und muss mit weiterem Landraub rechnen. Ihr droht ein Diktatfrieden, wenn der Winter beginnt und die Kräfte ermatten. Damit droht ihr eine Waffenstillstandslinie, hinter der Russland seine Kräfte auffrischt und Kriegsverbrechen vertuscht. Und dann müssen wir damit rechnen, dass Russland mit einer Frühjahrsoffensive den Weg in Richtung Kiew gehen wird. Das wäre der vollständige Zerfall der Ukraine.“
Putin setze zugleich darauf, so Kiesewetter, "dass unsere Gesellschaft schwieriger zu managen ist als die russische und dass wir dann fragen: Warum sollen wir für die Ukraine frieren? Warum sollen wir Arbeitslosigkeit hinnehmen? Die Zeit spielt für ihn. Die Ukraine kämpft zwar mit allem, was sie hat. Aber sie hat kaum noch was."