17.05.2017
dpa

Traditionsverständnis der Bundeswehr auf dem Prüfstand

Die Affäre um rechtsextreme Umtriebe hat die Bundeswehr in ihren Grundfesten erschüttert - sie könnte die Truppe nun grundsätzlich verändern. Von der Leyen will das Traditionsverständnis schärfen.

Berlin (dpa) - Der Verteidigungsausschuss des Bundestags beschäftigt sich am Mittwoch (17. Mai 2017, 09.00 Uhr) mit der Affäre um den terrorverdächtigen Bundeswehrsoldaten Franco A. und den rechtsextremen Umtrieben in der Truppe. Dabei dürfte es vor allem um die Bilanz der Durchsuchung aller Kasernen nach Wehrmachtsandenken vergangene Woche gehen. Vor einer Woche erst fand zu der Affäre auf Antrag von Grünen und Linken eine Sondersitzung statt. Die Debatte über den Umgang mit dem Wehrmachtserbe treibt die Bundeswehr um.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will das Traditionsverständnis der Truppe schärfen - Liegenschaften sollen umbenannt, Wehrmachtshelme aus Kasernen verschwinden. Die CDU-Politikerin hatte am Dienstagabend bei einer Rede vor dem Reservistenverband in Berlin gesagt: «Die Aktion ermöglicht es uns, gemeinsam eine «Nulllinie» zu ziehen, ab der keinerlei Wehrmachtsdevotionalien ohne jegliche historische Einordnung - das ist das Entscheidende - mehr ausgestellt sein dürften.»

Die Ermittlungen gegen Franco A. ebenso wie Meldungen über Mobbing und Demütigungen der vergangenen Monate in der Truppe bezeichnete sie als «Gift für den ausgezeichneten Ruf unserer Bundeswehr». Man müsse stärker die über 60-jährige Geschichte der Bundeswehr in den Mittelpunkt des Traditionsverständnisses stellen. Dazu gehörten auch Persönlichkeiten wie der verstorbene Altkanzler Helmut Schmidt - aber nicht wegen seiner Zeit in Wehrmachtsuniform.

Als Zeichen für einen neuen Umgang der Bundeswehr mit ihrer Tradition will von der Leyen auch die Namensgebung von Kasernen auf den Prüfstand stellen. Mehr als 20 Kasernen sind noch nach Männern benannt, die einst in der Wehrmacht gedient hatten.

Die Linke setzte von der Leyen eine Frist für die Umbenennung der Kasernen. «Bis zum 20. Juli darf es in Deutschland keine Kaserne mit solch fragwürdigen Namenspatronen mehr geben», sagte Linken-Parteichef Berndt Riexinger der «Rheinischen Post» (Mittwoch). Die Bundeswehr brauche einen «radikalen Bruch mit der Wehrmachtsvergangenheit». Der 20. Juli ist der Jahrestag des gescheiterten Hitler-Attentats.

Der Sprecher der «Initiative gegen falsche Glorie», Jakob Knab, sieht allerdings Hindernisse auf dem Weg zu einem neuen Traditionsverständnis in der Truppe. «Seit Gründung gibt es einen tiefen Riss in der Bundeswehr zwischen Reformern und Traditionalisten», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Es gehöre zum Markenkern der Traditionalisten, dass die «kriegerische Tüchtigkeit der Wehrmacht» hochgehalten werde. Knab kämpft seit Jahrzehnten für die Umbenennung von einigen Kasernen, die nach umstrittenen Wehrmachtssoldaten benannt sind.

Von der Leyen habe die Bundeswehr als Profipolitikerin wie einen großen Konzern angepackt. «Ihr war nicht klar, dass der innere Markenkern der Traditionalisten die Nostalgie in Erinnerung an die Wehrmacht ist», sagte Knab. «Da kommt sie zu sehr von außen, wo immer noch der Männerbund hochgehalten wird.»