28.01.2025
dpa

Enquete-Kommission zu Afghanistan empfiehlt mehr Realismus

Während der 20 Jahre deutschen Engagements in Afghanistan ging viel schief. Ein Bericht macht nun konkrete Vorschläge, wie künftig internationale Einsätze besser laufen können.

Berlin. Mehr und besseres Wissen über das Zielland, mehr Abstimmung und ausformulierte, realistischere Ziele: Die Afghanistan Enquete-Kommission hat in ihrem Abschlussbericht Empfehlungen für zukünftige Beiträge Deutschlands zum internationalen Krisenmanagement verabschiedet. Die Anpassung des deutschen Krisenmanagements an neue Entwicklungen und Herausforderungen sei angesichts der Erfahrungen aus Afghanistan dringend geboten, heißt es in dem Bericht.

Der Bundestag hatte die Enquete-Kommission im Sommer 2022 eingesetzt. Das Gremium sollte mit wissenschaftlicher Begleitung die Sinnhaftigkeit des fast 20 Jahre andauernden deutschen Afghanistan-Einsatzes hinterfragen und daraus Lehren für die künftige Außen- und Sicherheitspolitik ziehen. Mit der Übergabe des Abschlussberichts an den Deutschen Bundestag endet die Arbeit der Enquete-Kommission. Am Freitag berät der Bundestag über den Bericht.

Kommission empfiehlt ausformulierte Strategie für künftige Einsätze

Nach den Empfehlungen, die Abgeordnete und Sachverständige in dreijähriger Arbeit erstellt haben und die sich vor allem an Bundesregierung und Bundestag richten, sollen Auslandsengagements der Bundesregierung künftig eine ausformulierte Strategie mit Zielen und beabsichtigten Wirkungen haben. Der Zwischenbericht der Kommission hatte festgestellt, dass in Afghanistan eine realistisch umsetzbare und zusammenhängende Strategie gefehlt hatte, die Ziele sehr hoch gesetzt waren und es an einer fortlaufenden und selbstkritischen Bestandsaufnahme mangelte.

In den jetzigen Empfehlungen heißt es weiter, dass während eines Einsatzes lokales Wissen möglichst umfangreich aufbereitet und ausgewertet werden sollte. Der Bericht empfiehlt, dass künftig Wissen über den Einsatz etwa von Einsatzrückkehrern, Verbündeten und Partnern aus der Zivilgesellschaft gesammelt wird und in die weitere Planung einfließt. Davor hatte es im Zwischenbericht geheißen, dass eine Berücksichtigung der afghanischen Kultur und Tradition nicht in notwendigem Maße stattgefunden habe.

Neuer Kabinettsausschuss, Geber-Register empfohlen

Die Kommission empfiehlt zudem, einen neuen Kabinettsausschuss einzurichten oder den Sicherheitspolitischen Jour Fixe auf Ebene der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre auszuweiten und zu intensivieren. Beide Optionen sehen ein gemeinsames Lagezentrum vor, in dem strategische Lagebilder, Analysen und Prognosen zu einem ressortübergreifenden Gesamtbild zusammengeführt werden.

Bei internationalen Einsätzen würde durch ein Geber-Register ein bestmöglicher Einsatz der Gelder ermöglicht - auch, um die Absorptionsfähigkeit des Empfängerlandes nicht zu überlasten, heißt es weiter. Dies könnte zu unbeabsichtigten Wirkungen wie Abhängigkeitsbeziehungen, einer dauerhaften Ausrichtung der lokalen Empfänger auf das Einwerben von Hilfs- und Fördergeldern oder zu Mittelzweckentfremdung und Korruption führen. In Afghanistan hatten lokale Nichtregierungsorganisationen immer wieder ihre Ausrichtung je nach Ausschreibung der internationalen Geber geändert.

Der Bericht empfiehlt zudem die lokale Übernahme von Verantwortung sowie die verstärkte Berücksichtigung von Frauen. Bei der Bundeswehr sollten einsatzrelevante Fähigkeiten für internationales Krisenmanagement vorgehalten und entsprechende Mittel für Ausbildung, Ausrüstung und Vorbereitung sichergestellt werden.