22.10.2019
dpa

CDU-Politiker schlägt Bundeswehreinsatz in Syrien vor

In Nordsyrien werden abziehende US-Soldaten von Kurden beschimpft und mit Kartoffeln beworfen. Werden bald Soldaten aus Europa in das Konfliktgebiet geschickt, um für Stabilität zu sorgen? Für einzelne Unions-Politiker ist das jedenfalls kein Tabu.

Berlin/Kairo/Istanbul - In der Debatte über die türkische Militäroffensive in Syrien hat nun erstmals ein Koalitionspolitiker einen Einsatz der Bundeswehr ins Spiel gebracht. Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sprach sich am Montag (21. Oktober 2019) für den Aufbau einer humanitären Schutzzone aus, die von 30.000 bis 40.000 Soldaten aus EU-Ländern abgesichert werden könnte.

Man müsse «natürlich auch bereit sein, europäische Soldaten, darunter auch die Bundeswehr, dorthin zu senden», sagte Kiesewetter im Inforadio des RBB. Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte aber, es sei zu früh für solche Überlegungen.

Einen Tag vor dem Ende der fünftägigen Waffenruhe in Nordsyrien setzten die US-Truppen ihren Abzug aus Nordsyrien unter Beschimpfung der dort lebenden Kurden fort. Ein Video der kurdischen Nachrichtenseite Hawar News zeigte, wie Menschen in der nordsyrischen Stadt Kamischli gepanzerte Fahrzeuge der US-Armee mit Kartoffeln bewerfen und die Soldaten beschimpfen. «Amerikaner fliehen wie die Ratten», rief ein Mann. «Schämt euch», rief ein anderer. Kamischli wird zu großen Teilen von Kurden bewohnt.

Der US-Sender CNN berichtete unter Berufung auf einen US-Offiziellen, fast 500 Soldaten sowie Hunderte Fahrzeuge hätten die Grenze zum Irak überquert. Das wäre die bisher größte Truppenverlegung in Syrien.

US-Verteidigungsminister Mark Esper verteidigte den Abzug mit der Begründung, dass die «Invasion der Türken» in Nordsyrien unmittelbar bevorgestanden habe. Mit diesem Nato-Partner habe ein «potenzieller Konflikt» gedroht. «Wir hatten keine Verpflichtung, die Kurden gegen einen langjährigen Nato-Partner» zu verteidigen, sagte Esper bei einem Besuch in Afghanistan. Allerdings hatte US-Präsident Donald Trump dem türkischen Einmarsch mit dem angekündigten Abzug der US-Truppen erst den Weg bereitet.

Die Türkei hatte am 9. Oktober im Norden Syriens eine Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG gestartet, die von ihr als Terrororganisation angesehen wird. Ankara begründet das Vorgehen mit dem Recht auf Selbstverteidigung. Die Bundesregierung hält die Militäroperation für völkerrechtswidrig. Von Sanktionen hat sie bis auf eine Einschränkung der Rüstungsexporte an die Türkei bisher abgesehen.

Die Opposition fordert einen kompletten Stopp der Rüstungsexporte, die Kürzung von Finanzmitteln und neue Wirtschaftssanktionen wie zum Beispiel die Deckelung oder Streichung sogenannter Hermes-Bürgschaften zur Absicherung deutscher Exporte.

Der CDU-Außenpolitiker Kiesewetter sprach sich jetzt dafür aus, der Türkei in Absprache mit Russland die Errichtung einer Schutzzone in den Kurdengebieten an der türkischen Grenze unter internationalem Mandat «der Vereinten Nationen zum Beispiel» anzubieten. Dies wäre eine ungeheure Anstrengung, aber «wenn wir Europäer uns weiter nicht anstrengen, werden wir zum Spielball», sagte Kiesewetter. «Wenn wir uns dort nicht engagieren, werden wir die Auswirkungen massiv auf europäischem Boden zu spüren bekommen.»

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen äußerte sich am Sonntagabend in der ARD-Sendung «Anne Will» ähnlich. Es müsse eine Initiative ergriffen werden, dass die Kontrolle der Sicherheit in dieser Zone nicht von der Türkei, sondern von der internationalen Gemeinschaft übernommen werde. Großbritannien, Deutschland und Frankreich seien nun gefragt, so der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. «Außer den Europäern wird keiner was tun», sagte er.

Außenminister Maas äußerte sich dagegen zurückhaltend. «Jetzt geht es in erster Linie darum, dafür zu sorgen, dass die Militäraktion nach dem Ende der Feuerpause nicht weitergeht, dass es eine politische Lösung gibt», sagte er. Die Grünen-Chefin Annalena Baerbock warf der Union ein Ablenkungsmanöver vor, denn die Sicherheitszone könne nicht sofort angegangen werden.

Die Feuerpause endet an diesem Dienstag um 21 Uhr deutscher Zeit. Die Kurdenmiliz YPG setzte am Montag ihren Abzug aus umkämpften Gebieten fort. Seit Beginn des Rückzugs aus der Grenzstadt Ras al-Ain am Sonntag hätten 100 Fahrzeuge die syrische Grenze in die Region Dahuk im Nordirak überquert, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus kurdischen Quellen am Montag. In Dahuk, das zur Autonomen Region Kurdistan gehört, leben überwiegend Kurden.

Das türkische Verteidigungsministerium teilte mit, es überwache den Rückzug der Kurdenmilizen in Koordination mit den USA und behindere diesen nicht. Inzwischen hätten 125 Fahrzeuge die Region verlassen, teilte das Ministerium mit, ohne das Gebiet zu spezifizieren.