Sylt und andere Probleme
Die Zielgruppentagung ERH in Berlin will Lösungen für Zukunftsprobleme von Kameradschaften entwickeln.
12.000 – das ist die Zahl, die dem Vorsitzenden ERH im Deutschen BundeswehrVerband, Hauptmann Ingo Zergiebel, seit über einem Jahr nicht aus dem Sinn geht. „12.000 Soldatinnen und Soldaten verlassen jedes Jahr die Bundeswehr“, sagt Zergiebel. „Es darf nicht sein, dass uns diese Klientel verlorengeht. Bei der Grundbeorderung, die seit Oktober 2021 Pflicht ist, muss jemand vom DBwV an den Gesprächen teilnehmen.“ Nur auf diese Weise, sind Hauptmann Zergiebel und sein Stellvertreter, Hauptmann a.D./Stabshauptmann d.R. Ernst Wendland, überzeugt, könne es gelingen, auch jüngere Reservisten für eine Mitarbeit in einer ERH-Kameradschaft zu interessieren. „Diese Klientel müssen wir abholen“, betonen Zergiebel und Wendland. Dies gilt ebenso für die Berufssoldaten kurz vor ihrem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst. Die Alterssicherungsseminare in den Landesverbänden sind dafür ein gutes Forum.
Wie müssen sich die Kameradschaften für Ehemalige, Reservisten und Hinterbliebene auf die Herausforderungen einstellen, die in Zukunft auf sie zukommen werden? Dies ist die Kernfrage, mit der sich die Teilnehmer der Zielgruppentagung ERH in Berlin ab heute drei Tage lang auseinandersetzen werden. Es geht um Insellösungen, um das Thema „aktive Soldaten in einer ERH“, darum, hauptamtlich für den DBwV Tätigen die Möglichkeit einer vollwertigen Mitgliedschaft in einer KERH zu eröffnen, und auch darum, einen verbindlichen „Beisitzer“ in einer TruKa oder StoKa zu schaffen, der die Aufgabe wahrnimmt, die Verbindung zur KERH zu halten. „Eine Person muss den Hut aufhaben, sonst fällt das Thema hinten runter“, mahnt Hauptmann Zergiebel. „Es gibt auch ein Leben nach der aktiven Dienstzeit. Das muss stärker ins Bewusstsein gerückt werden.“
Wenn Zergiebel und Wendland von „Insellösung“ sprechen, meinen sie das wörtlich: eine Lösung für Sylt. „Die ERH auf Sylt kann keinen eigenen Vorstand mehr bestellen“, erläutert Zergiebel. „Wir müssen erreichen, dass einerseits eine Zusammenarbeit mit Kameradschaften auf dem Festland möglich ist und, andererseits, trotzdem Kameradschaftstagungen sowohl auf dem Festland als auch auf Sylt erlaubt sind.“ Bislang ist ein solches Konstrukt nicht möglich, aber durchaus machbar.
Eine Lösung für Sylt hätte Signalwirkung. „Rügen hat das gleiche Problem“, wissen die beiden Vorsitzenden ERH. Auch in den Landesverbänden Süddeutschland und West seien ähnliches Problem virulent. Die „Insellösung“ wäre also fast schon eine „Inselkettenlösung“.
Rechtliche Hürden, die bislang verhindern, dass aktive Soldaten Mitglieder einer KERH werden dürfen, könnten ebenfalls fallen, wenn es nach Ingo Zergiebel geht. Sein „Lieblingsbeispiel“, wie er es nennt: Ein Kamerad, wohnhaft in Cottbus, wo es keinen Bundeswehrstandort mehr gibt, fährt jeden Morgen zu seiner Dienststelle nach Berlin und abends wieder heim. In Berlin leistet der Soldat seinen Dienst – und nur seinen Dienst! –, aber sein Privatleben samt Freizeit verbringt er in der Lausitz. Eben dort würde er sich gern in einer Kameradschaft engagieren, im Fall von Cottbus in einer ERH; denn das ist die einzige Kameradschaft, die in Cottbus existiert. „Das darf er aber nicht, weil er als aktiver Soldat seinen Dienst in Berlin tut und nicht in Cottbus“, erläutert Hauptmann Zergiebel.
Lösungsansätze gibt es also, die Frage ist eher, wie der rechtliche Rahmen gespannt wird, damit sie sich entfalten können. „Ohne die Zustimmung aller Landesverbände geht es nicht“, wissen Ingo Zergiebel und Ernst Wendland. Am Mittwoch werden die Landesvorsitzenden zu der Zielgruppentagung ERH erwartet, „Diskussionen mit den Landesvorsitzenden“ lautet der Tagungsordnungspunkt. Am Donnerstag, dem Abschlusstag der Zielgruppentagung, soll bereits erarbeitet werden, welche Beschlussvorlagen (in Abstimmung mit den Landesvorständen) im Bundesvorstand zur Abstimmung gebracht werden sollen. Die Zukunft schläft auch nicht.