Die Zukunft gestalten
Das Ereignis hat gezeigt, dass es wichtig ist, bei der Arbeitszeitgestaltung innovativ und modern zu denken und dabei die sich wandelnden Bedürfnisse der Beschäftigten zu beachten. Die Erkenntnisse aus der weltweiten COVID-19-Pandemie und die Erfahrungen aus dem mobilen Arbeiten sollten ein Ansporn sein, die Arbeitsumgebung im Geschäftsbereich des BMVg zügig weiter zu modernisieren sowie den digitalen Ausbau voranzutreiben. Allen, die bisher eine Gefahr in der modernen Arbeitsumgebung gesehen haben und dabei glaubten, dass die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr durch einige Prozentanteile Telearbeit gefährdet sei, sollten durch die Erfahrungen der Pandemie vom Gegenteil überzeugt worden sein. Die Chance, als moderner und attraktiver Arbeitgeber Bundeswehr aus den Erfahrungen hervorzugehen, sollte für die Bundeswehrbeschäftigten nicht vertan werden.
Möglichkeiten eröffnet
Mit der Unterzeichnung der Rahmendienstvereinbarung für flexible Arbeitszeitgestaltung im Geschäftsbereich des BMVg im Jahr 2017 ermöglichte der Hauptpersonalrat (HPR) beim BMVg zusammen mit Staatsekretär Gerd Hoofe allen personalratsfähigen zivilen und militärischen Dienststellen, flexible Arbeitszeitmodelle zu nutzen. Dabei ist kein Teilhabebefehl für Soldaten zur Dienstvereinbarung mehr nötig und es können verschiedene Modelle nebeneinander genutzt werden. Hierdurch wird die ergebnisorientierte Aufgabenerfüllung bestmöglich sichergestellt und die Balance zwischen Berufsleben und persönlicher Lebensführung gefördert. „Bei allen Schwierigkeiten am Anfang freuen wir uns über die positive Resonanz und die Vielzahl von neuen Dienstvereinbarungen im Geschäftsbereich“, sagt der Mandatsträger des Deutschen BundeswehrVerbands (DBwV), Oberstabsbootsmann Holger Weihe, der als Ausschussvorsitzender im HPR maßgeblich an der Rahmendienstvereinbarung beteiligt war.
Arbeits- und Gesundheitsschutz
Diese neu gewonnene Flexibilisierung der Arbeitszeitmodelle musste anfangs zwischen den Dienststellenleitungen und den örtlichen Personalräten besprochen und verhandelt werden. Die beiden DBwV-Mitglieder Holger Weihe und Regierungsamtsinspektor Bernd Kaufmann unterstützten dabei beide Seiten. „Mein Fazit zur neuen Rahmendienstvereinbarung zur Arbeitszeitgestaltung im Geschäftsbereich des BMVg: Ziel erreicht!“ sagt Bernd Kaufmann. „Jetzt heißt es, am Ball bleiben und im weiteren Prozess der Digitalisierung an neuen Modellen und Erfassungssystemen für die Zukunft arbeiten.“ Die Attraktivität des Dienstes hat viele Facetten. Eine davon ist die flexible, den Lebensumständen angepasste und auch in Teilen selbstbestimmte Arbeitszeit.
Ein sorgfältiger Umgang mit der Arbeitszeit, und damit auch eine ausgewogene Aufgabenverteilung, sind für die Auftragserfüllung alternativlos. Aus diesem Grund sind in den Abrechnungszeiträumen (alle zwölf Monate) höchstens 40 Stunden Zeitguthaben oder -defizite in voller Höhe zu übertragen. Zeitguthaben bis zu einer Gesamthöhe von maximal 80 Stunden und eine Unterschreitung von maximal 20 Stunden sind zulässig. Über 80 Stunden hinausgehende Guthaben verfallen am Monatsende. Das sind für den Mitarbeiter und die Vorgesetzten verbindliche Grenzen, in denen die ergebnisorientierte Aufgabenerfüllung erfolgt. Dabei sind ausgewogene Belastungs- und Erholungszeiten ein Ausdruck für den wertschätzenden Umgang mit den Mitarbeitern. Das gilt selbstverständlich auch und besonders für Vorgesetzte. Die Rahmendienstvereinbarung setzt hier ein klares Zeichen gegen ausufernde positive Stundensalden. Die bisherigen positiven Rückmeldungen aus den Dienststellen zeigen, dass Mitarbeiter und Vorgesetzte mit dieser Thematik sensibler umgehen und dass die Grenze von 80 Stunden mehr als ausreichend ist. Im Rahmen der Evaluation zur Rahmendienstvereinbarung wird gegebenenfalls über die Höhe der Stundengrenze noch einmal beraten und eine weitere Verringerung verhandelt. Durch die Zusammenarbeit zwischen den Personalräten und den Fachabteilungen des DBwV ist es möglich, mehr über die Bedürfnisse der Bundeswehrbeschäftigten zu erfahren und, wenn möglich, auf notwendige Verbesserungen hinzuarbeiten.
Sonderfälle
Die anrechenbare Arbeitszeit bei unaufschiebbaren Arztbesuchen, die in die Arbeitszeit fallen, ist ein besonderes Thema, das bei den zivilen Beschäftigten im Fokus steht. Aus Sicht der beiden DBwV-Mandatsträgern sollte das Ziel sein, eine unbürokratische und mit dem Vorgesetzten im Workflow abgestimmte anrechenbare Arbeitszeit zu schaffen. Wobei weiterhin gelten sollte, dass die Arzttermine außerhalb der Arbeitszeiten zu vereinbaren sind, was für diese Beschäftigten nicht immer möglich ist. „Bei diesem Thema lassen leider die Vorgesetzten oftmals das notwendige Fingerspitzengefühl vermissen“, so Bernd Kaufmann. Er machte die Erfahrung, dass gerade in kleineren Dienststellen den Kolleginnen und Kollegen oftmals unterstellt wird, sich Arbeitszeit zu erschleichen. „Wir finden, dass unsere Kolleginnen und Kollegen sowie Kameradinnen und Kameraden es verdient haben, dass ihnen vorrangig der schnellstmögliche Erhalt ihrer Dienstfähigkeit unterstellt wird“, schließt sich Holger Weihe an.
Reisezeiten
Ein besonderes emotionales Themengebiet in Sachen Arbeitszeit sind die Reisezeiten. Hier gibt es weiterhin keine Bewegung. In Ziffer 415 der Rahmendienstvereinbarung wird die Anwendung zur Berücksichtigung als Arbeitszeit beschrieben. Gemeinsam mit dem DBwV setzt sich der Ausschuss für eine Anrechnung der aufgewendeten Zeiten während der Reisetätigkeit als Arbeitszeit ein. Im Rahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes wird darauf hingewiesen, dass eine hohe Anzahl von Dienstreisen für viele Beschäftigte auch eine hohe Belastung bedeutet, weil diese Reisezeiten in der Regel das zu Erholung dienende Wochenende verkürzen. Zusätzlich müssen dadurch oftmals die Belange der Familie zurücktreten. Das sollte zumindest in Freizeit an anderer Stelle ausgeglichen werden.
Die Arbeits- und Lebensrealität hat sich gewaltig verändert und wird sich in den nächsten Jahren mit der Digitalisierung noch weiterentwickeln. Die Belastungen bei Dienstreisen muss der Arbeitgeber Bundeswehr als Arbeitszeit anerkennen. Es geht dabei auch um den wertschätzenden Umgang mit dem Personal.
Soldatenarbeitszeitverordnung (SAZV)
Im Bereich der SAZV gilt es jetzt, dass die noch losen Enden der Verordnung und der dazugehörigen Vorschriften verknüpft werden. Viele Dinge sind nicht eindeutig geregelt und lassen einen zu großen Interpretationsspielraum. „Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass direkte Vorgesetzte in der Umsetzung ihrer Aufträge nicht zu stark eingeschränkt sind. Allerding sollten diese dann auch die Sicherheit haben, dass sie nicht anschließend für ihre Umsetzung zur Rechenschaft gezogen werden“, sagt der Oberstabsbootsmann. Aus seiner Sicht fehlt es an einer vernünftigen Fehlerkultur. Besonders die zum Januar 2020 eingeführten Änderungen haben ein hohes Potential, die Grenzen der Europäischen Arbeitszeitrichtlinie zu überschreiten. Die notwendige Änderung der entsprechenden Vorschrift wurde noch nicht im notwendigen Umfang beteiligt. „Wir sind mit den entsprechenden Fachabteilungen im Dialog, aber momentan liegen die Meinungen noch sehr auseinander“, stellt Holger Weihe fest. Während der COVID-19-Pandemie musste leider festgestellt werden, dass im Ministerium versucht wurde, Fakten ohne die notwendige Beteiligung zu schaffen. Das ist nicht die vertrauensvolle Zusammenarbeit, die ein gemeinsames Miteinander für die Zukunft erleichtert.
Zeiterfassungssystem
Die Ergänzung der in den Dienststellen bereits vorhandenen Zeiterfassungssysteme der Firma Primion mit dem SAZV-AddOn wurde Mitte 2019 durch den Hauptpersonalrat abgelehnt. Zu diesem Zeitpunkt war noch intensive Abstimmungsarbeit notwendig, bis ein positives Votum erfolgen konnte. Der Einführung des SAZV-AddOn wurde durch die Beteiligungsgremien dann im Februar 2020 zugestimmt. Eine Umsetzung des damals so zeitkritischen Projekts ist allerdings durch das BMVg bis heute nicht erfolgt.
Bernd Kaufmann stellt immer noch kritische Punkte für die zivilen Kolleginnen und Kollegen fest, ist jedoch der Meinung, dass die Einführung der bereits vorhandenen Funktionen zeitnah erfolgen muss. „Für die Soldatinnen und Soldaten sehe ich durch das AddOn die Möglichkeit, eine einheitliche Behandlung im Rahmen der Arbeitszeiterfassung zu erreichen, und vielleicht die Möglichkeit, dass nicht zeitgemäße AZE-Tool abzulösen“, erklärt Weihe. Die Gespräche zu diesem Thema bleiben auch nach der Zustimmung im Februar notwendig, da die Inhalte auf Kompromisse beruhen, die von beiden Seiten auf dem Prüfstand bleiben. Kaufmann und Weihe sind sich einig, dass diese Erweiterung mit einigen weiteren Modifikationen durchaus eine schnelle zukunftsfähige Lösung für die automatische Zeiterfassung aller Beschäftigten in der Bundeswehr sein könnte.