Tagung mit Kommandeuren und Dienststellenleitern zur aktuellen Lage in der Bundeswehr
Die Tagung des Landesverbandes Süddeutschland am 09./10. Oktober 2024 in Bamberg gab Kommandeuren und Dienststellenleiter der Bundeswehr aus Süddeutschland und Frankreich eine Plattform, um den Dialog und den Erfahrungsaustausch mit der militärischen Führung des BMVg, dem Personalamt der Bundeswehr, dem Deutschen Vertreter bei NATO/EU in Brüssel und dem Deutschen BundeswehrVerband zu führen.
Der Einladung des Landesvorsitzenden Oberstleutnant a.D. Josef Rauch waren gefolgt der Generalinspekteur Carsten Breuer, der Präsident Bundesamt für Personalmanagement, Generalmajor Robert Sieger, und Brigadegenerali Andreas Durst, vormals Chef des Stabes beim DMV NATO/EU in Brüssel. Bundesvorsitzender Oberst André Wüstner vertrat die Positionen des BundeswehrVerbandes.
Zur aktuellen Lage in der Bundeswehr
Generalinspekteur Carsten Breuer knüpfte mit seinem Vortrag zur aktuellen Lage in der Bundeswehr an seine Bewertungen der Tagungen in Magdeburg im Juni d.J. und in Berlin bei „Bundeswehr im Dialog“ an. Die sicherheitspolitische Lage sei unverändert. Russland stelle die größte Bedrohung für Deutschland und Europa dar. Das Rüstungsprogramm habe den Aufwuchs russischer Streitkräfte zum Ziel. Mit hybrider Kriegsführung öffne sich Russland bereits jetzt Einfallstore für einen möglichen Krieg. Der militärische Austausch mit Unterstützern seiner Politik wirke sich auf die Stabilität auch in anderen Regionen der Welt aus. All das berechtige zu der Annahme, dass in fünf bis acht Jahren mit einer Ausweitung des Konflikts mit Russland zu rechnen ist. Darauf bereite sich die Bundeswehr vor. "Die Unterstützung aus Politik und Gesellschaft, auch mit den nötigen Finanzen, ist so groß wie noch nie", so der General. Die Bundeswehr habe sich seit der sogenannten Zeitenwende in vielen Bereichen weiterentwickelt. „Wir sind einsatzbereit!“, so General Breuer. Deutschland sei verteidigungsbereit, jedoch seien weitere Anstrengungen erforderlich, um die volle Kriegstüchtigkeit zu erreichen. Der Generalinspekteur stellte Ergebnisse der Taskforce Drohnen und den Sachstand zur neuen Form des Wehrdienstes vor. Sie soll im Kriegsfall die Aufwuchsfähigkeit sicherstellen, um die Wehrfähigkeit Deutschland als Drehscheibe der NATO zu stärken und Wehrersatz für die Streitkräfte bereitzustellen. In der Diskussion mit den Kommandeuren wurde deutlich: „Wir tun eine ganze Menge, aber wir tun noch nicht genug!“. Weitere Themen hier waren dabei u.a. die Litauen-Brigade, Rolle der Reserve und die Einbindung der Zivilbeschäftigten.
Abwärtstrend gestoppt – personellen Aufwuchs sicherstellen
Sein Auftrag sei klar, so der Präsident des BAPersBw, Generalmajor Robert Sieger: Sicherstellen des personellen Aufwuchses der Bundeswehr, Unterstützung der Aufstellung der Litauen-Brigade und der Reorganisation der Bundeswehr. Es sei gelungen, den Abwärtstrend der Personalentwicklung zu stoppen. Dies sei auch ein Verdienst der Kommandeure, die die Arbeit des BAPersBw und der Karrierecenter unterstützten. Für die Reorganisation der Bundeswehr gelte es jetzt, einen Aufwärtstrend zu schaffen. Generalmajor Sieger benannte Hindernisse und Hemmnisse, deren Beseitigung sich förderlich auf den personellen Aufwuchs auswirken würden. So wünsche er sich weniger kleinteilige, flexiblere Bedarfsträgerforderungen. Flexiblere Einstellungstermine blieben zwingend. Der neue Wehrdienst werde helfen, erfordere jedoch mehr Kapazitäten der Ausbildungsorganisation, auch durch Einbindung der Schuleinrichtungen. Die emotionale Bindung von Bewerbern sei ein Schlüssel zur Senkung der Abbrecherquote. Der Generalmajor fordert das Zerschlagen toxischer Kommunikation mit Schuldzuweisungen. Sieger erläuterte die Situation um fehlende Planstellen, die zu Priorisierung bei Weiterverpflichtungen führen und ohne Verbesserungen bei der Bereinigungssitzung des Haushaltausschusses im November dieses Jahres auch Auswirkungen auf Beförderungszeiten haben werde.
BundeswehrVerband, Politik und Verteidigungsfähigkeit
Ein Überblick über Positionen des BundeswehrVerbandes zu den Entwicklungen in der Bundeswehr und in der Gesellschaft sowie den verbandspolitischen Aktivitäten gab der Bundesvorsitzende Oberst André Wüstner. Kritisch blickte Wüstner auf die gegenwärtige Politik und die Parteien angesichts der vielfältigen Herausforderungen. Die NATO-Bedarfe für die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit im Bündnis lägen auf dem Tisch. Daraus gehe hervor: „Es muss mehr für Verteidigung getan werden!“ Dies angesichts verlorener verteidigungspolitischer Kompetenz in den Parteien zu erläutern, bleibe eine Aufgabe des DBwV. Wüstner bedanke sich für die Unterstützung der Arbeit des BundeswehrVerbandes, dem es trotz aller Streichungen aus fiskalischen und politischen Gründen gelungen ist, das Artikelgesetz Zeitenwende erfolgreich voranzubringen.
Katja Gersemann von der Abteilung Politik stellte die Meilensteine und wesentliche Verbesserungen des Artikelgesetz vor, die der DBwV trotz vieler Hürden, wie den Streit um den Bundeshaushalt, erreicht hat. Es brauche dieses Gesetz auch, um für die Stationierung der Brigade in Litauen die dienstrechtlichen Rahmenbedingungen zu setzen. Insgesamt sei es aus Sicht des Verbandes ein gutes Gesetz mit Verbesserungen der Besoldung bei Auslandsverwendungen oder bei der Versorgung.
Der Blick der Bündnispartner auf die Zeitenwende
Brigadegeneral Andreas Durst – bis vor Kurzem Chef des Stabes beim DVM NATO und EU in Brüssel – schilderte die Wahrnehmung der Zeitenwende aus Brüsseler Sicht. Vorab stellte er klar: „Die Anstrengungen Deutschlands zur Stärkung der Verteidigungsbereitschaft werden bei den Partnern positiv gesehen!“ Dennoch sind die Erwartungen an Deutschland als größten NATO-Partner in Europa hoch. Die Zeitenwende als grundlegende Lageänderung bedeute die Wiederbelebung der Verteidigungsplanungen der 80er Jahre mit Zuteilung von Räumen und Kräften unter Berücksichtigung neuer Dimensionen Space und Cyberraum. Umgesetzt werde die aktuell in den „Family of Plans 2024“ im Bündnis. Dafür brauche es mehr Kräfte und eine Steigerung der Verteidigungsausgaben von mindestens zwei Prozent, um glaubhaft Abschreckungsfähigkeit gegenüber der Dauerbedrohung aus Russland aufzubauen. Die Erwartung der NATO-Partner an Deutschland ist: „Bringt die angekündigten zwei Divisionen!“ Deutschland als Drehscheibe der NATO für die rechtzeitige Verlegung von Kräften aufzubauen, sei eine gesamtstaatliche Aufgabe. Die Entwicklungen in der Bundeswehr zeigten, dass es gehe, so der Brigadegeneral, „natürlich nur im Bündnis und als gesamtgesellschaftliche Aufgabe“.
Die Kommandeure und Dienststellenleiter hatten nach den jeweiligen Vorträgen viele kritische Fragen zur Umsetzung der Zeitenwende. Vieles komme ihnen zu langsam voran, sei es beim Personalaufwuchs oder bei der Beschaffung. Deutlich wurde jedoch auch, dass die politischen Rahmenbedingungen den Veränderungsdruck einer schnelleren Reorganisation der Bundeswehr (noch) nicht gerecht werden.