Nürnberger Sicherheitskonferenz: Chinas Rolle in der Weltpolitik
Nürnberg. Corona-bedingt hat der Ausrichter der Nürnberger Sicherheitskonferenz, die Friedrich-Naumann-Stiftung – Für die Freiheit, die Veranstaltung in diesem Jahr als digitale Gesprächsreihe konzipiert. Das eröffnete neue Möglichkeiten der Präsentation und die Chance, Interessierte bundesweit für die Teilnahme zu gewinnen. Es sind noch Veranstaltungen bis zum 10. Juli geplant.
So begrüßte Ulrich Lechte (MdB) als Moderator der Auftaktveranstaltung aus seinem Regensburger Domizil mehr als 150 Zuhörer und Referenten u.a. aus Lüneburg, Potsdam, Trier, Berlin und München. Zum Trägerkreis dieser Nürnberger Sicherheitsgespräche gehört neben sieben anderen Mitveranstaltern auch der DBwV mit dem Landesverband Süddeutschland, der wegen des digitalen Formats in diesem Jahr allen seinen Mitgliedern eine Teilnahme anbieten konnte.
Im Mittelpunkt der Gesprächsreihe steht Chinas Rolle in der Weltpolitik. Hochkarätige Referenten werfen aus unterschiedlichsten Perspektiven einen Blick auf das Riesenreich und geben ihre Einschätzungen zu relevanten Themenfelder.
Chinas machtpolitischen Bestrebungen
In das Thema führte Dr. Oliver Corff von der Clausewitz-Gesellschaft ein. Mit dem erstarkenden China stehe die Welt vor einem tiefgreifenden Umbruch, so der Experte chinesischer Militärpolitik. China befinde sich in einem grundsätzlichen Systemwettbewerb mit den USA und der westlichen Welt mit globalen Auswirkungen. Chinesische Wirtschaftserfolge seien der Ertrag von Staatswirtschaft und Staatskapitalismus. Dem „Wandel durch Handel“ des Westens setze China eine eigene Interpretation entgegen, die nicht vereinbar ist mit westlichen Wertevorstellungen und Demokratie. Als Atommacht ist China ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat, ist nicht in Bündnissen verpflichtet, aber zugleich der größte Truppensteller der UNO.
Nicht Landesverteidigung stehe im Zentrum chinesischer Politik, sondern Interessenwahrnehmung durch Lenkung der politischen Willensbildung und Verhaltenskontrolle in internationalen Gremien und in den Beziehungen zu anderen Ländern. Es stelle sich bei Kenntnis der machtpolitischen Bestrebungen Chinas die Frage, wie sich Europa in einer neuen Weltordnung positionieren will, so Dr. Corff am Ende seines Überblicks zu den verschiedenen Spannungsfeldern.
Anschließend stellte Alexander Graf Lambsdorff (MdB), stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, mit seinem Vortrag „Deutschlands und Europas Aufgaben zur Verteidigung universeller Werte im Systemwettbewerb mit China“ in einer „Tour de Force“ China als Reich der Mitte mit seinen machtpolitischen Ambitionen in den verschiedenen Regionen der Welt vor. Das Verhältnis Chinas zum Westen sei geprägt vom Systemwettbewerb und damit geprägt von unterschiedlichen Wertevorstellungen. Freiheit bedeute für China Freiheit der Herrschaft der Partei, der alles untergeordnet werde.
Lambsdorff machte dies an zahlreichen Beispielen der Politik und des wirtschaftlichen Handelns, aber auch militärischer Aktivitäten Chinas deutlich, so bei den Menschenrechtsfragen, dem Agieren in der Corona-Pandemie, der militärischen Expansion im südchinesischen Meer, der neuen Globalstrategie „Belt and Road Initiative“ („neue Seidenstraße“) oder der spezifischen chinesischen Initiative 17+1-Format zur Aushebelung europäischer Wettbewerbsregeln. Aus seiner Lagefeststellung zog Lambsdorff als Außenpolitiker seine Schlüsse für angemessene Antworten Deutschlands und Europas.
Europas Pflicht zur Verteidigung seiner Werte
So bleibe der amerikanische Kongress nach wie vor engster Verbündeter außerhalb der EU. Graf Lambsdorff hält fest am Transatlantischen Bündnis, unterstützt dabei auch die Forderung nach mehr Verantwortungsübernahme durch Deutschland und die EU. Dazu gehöre aus seiner Sicht neben der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziel bei den Rüstungsausgaben der Aufbau einer Europäische Armee ebenso wie stärkere Bemühungen um Freihandelsabkommen und der stärkere Aufbau von Handelsbeziehungen mit ostasiatischen Staaten, um die Abhängigkeit vom chinesischen Markt zu mindern. Es brauche eine europäische Strategie, um Chinas Handelsstrategie zu begegnen. Europa müsse mit einer Stimme sprechen, was gegenwärtig leider durch Zugeständnisse einzelner europäischer Länder der EU an China für vermeintliche Vorteile nicht gegeben ist.
In der anschließenden Online-Diskussion mit den Teilnehmern beantworteten die Referenten Fragen zur Vertrauenswürdigkeit Chinas, der weiteren Zusammenarbeit mit den USA, dem aktuellen Stand einer Europäische Strategie im Umgang mit China und Europas Haltung zu Taiwan und noch mehr.
Dr. Corff machte am Ende auf die kulturelle Besonderheit chinesischer Politik aufmerksam, in der Gesichtswahrung einen enormen Stellenwert habe. Es funktioniere nicht, China öffentlich bloß zu stellen. Er rät, bei nichtöffentlichen Verhandlungen mit China eigene Positionen und Werte klar zu benennen und hart zu vertreten, wobei die Einhaltung völkerrechtlicher Vereinbarung einzufordern sei. Auch China habe kein Interesse daran, Konflikte so zu maximieren, dass es seine Ziele nur mit hohen Kosten oder anderen Nachteilen erreichen könne, ist Dr. Corff überzeugt.
Die Auftaktveranstaltung der Nürnberger Sicherheitsgespräche kann hier nachverfolgt werden. Das Programm der Nürnberger Sicherheitsgespräche sieht weitere Veranstaltungen bis zum 10. Juli vor. Eine Anmeldung dafür ist jederzeit hier möglich.