Kommandeurtagung in Süddeutschland im Zeichen der Zeitenwende
Neue Realität erfordert eine einsatzbereite Bundeswehr und die Ausrichtung des Mindsets am Kernauftrag.
Bei dieser letzten Kommandeurtagung als Landesvorsitzender und Tagungsleiter bot Stabsfeldwebel a.D. Gerhard Stärk ein Programm, welches einerseits den Dialog der nahezu 60 Kommandeure und Dienststellenleiter aus Bayern und Baden-Württemberg über Herausforderungen der Gegenwart nach der Zeitenwende erlaubte, andererseits aber auch Informationen über neuerliche Entwicklungen in der Bundeswehr bereithielt.
Erfolgreiche Arbeit des Landesverbandes hat viele Väter
Der Landesvorsitzende nutzte die Kommandeurtagung, um den Landesverband Süddeutschland und sein Wirken für seine mehr als 52.000 Mitglieder vorzustellen. Getragen werde diese erfolgreiche Arbeit von ehrenamtlichen Mandatsträgern im Landesvorstand und in den Kameradschaften, so Stärk bei der Vorstellung der Gliederung und Arbeitsorganisation des Landesverbandes.
So sind Vorstandsmitglieder in Arbeitsgruppen auf Bundesebene mit Themen wie Sicherheitspolitik, Einsätzen, Besoldung, Laufbahn- und Dienstrecht, Beihilfe und Versorgung befasst. Jährliche Tagungen des Landesverbands sind auf spezielle Zielgruppen ausgerichtet und richten sich u.a. an Kommandeure, BS, SaZ, Einheitsführer. Hinzu kommen Veranstaltungen mit Partnerorganisationen wie der GSP oder dem Reservistenverband. Stärk warb damit auch mit Blick auf die Landesversammlung 2023 mit anstehenden Neuwahlen für die Mitgliedschaft im DBwV, aber auch für eine Mitarbeit als Mandatsträger im BundeswehrVerband. Stärk dankte für die Unterstützung der Arbeit des Landesverbands durch die Kommandeure, die er als Landesvorsitzender erfahren habe.
Zeitenwende – die neue Realität seit dem 24. Februar
Der stellvertretende Generalinspekteur ging in seiner Tour d’Horizon auf Lage und Handlungsfelder der Bundeswehr in der Zeitenwende ein. Für Generalleutnant Markus Laubenthal ist klar, dass trotz Unterstützung der Ukraine der Erhalt der eigenen Verteidigungsbereitschaft hohe Priorität habe. Die Bundeswehr habe mit der Lieferung u.a. von Artilleriesystemen, Flug- und Panzerabwehrwaffen für die Ukraine gute Arbeit geleistet. Die wesentliche Herausforderung für die Bundeswehr bleibe jedoch, Einsatzbereitschaft und Funktionsfähigkeit der Streitkräfte unter hohem Zeitdruck herzustellen für internationales Krisenmanagement, Bündnis- und Landesverteidigung inklusive Heimatschutz. Die Bundeswehr habe Zusagen im Bündnis ab 2025 zu erfüllen. Dazu brauche es mehr als die 100 Milliarden Euro Sondervermögen, um die Vollausstattung bei Aufrechterhaltung des laufenden Betriebes zu ermöglichen. Der Schwerpunktwechsel zu Landes- und Bündnisverteidigung erfordere zudem eine einsatzbereite Reserve, aber auch eine Veränderung des Mindsets in den Streitkräften. „Wir müssen besser werden und können das“, ist der stellvertretende Generalinspekteur überzeugt.
Trotz Interesse der Politik an Bundeswehr scheint Zeitenwende nicht überall angekommen
Bundesvorsitzender Oberst André Wüstner stellte ein gesteigertes Interesse der Politik an der Bundeswehr fest. „Beim Bundeskanzler ist der Wille da, dass die Bundeswehr die gesetzten Ziele bis 2025 erreicht.“ Dennoch sei es notwendig, das Zwei-Prozent-Ziel für den Verteidigungsetat in den Parteien zu erklären. Der DBwV leiste mit seinen Veranstaltungen, Gesprächen in Parlamenten, aber auch innerhalb der Bundeswehr seinen Beitrag. Jedoch scheine die Zeitenwende nicht überall angekommen zu sein. „Was hat sich geändert im Herangehen an die Probleme?“, fragte Wüstner mit Blick auf weiterhin bestehende Überregulierungen, Dysfunktionalitäten, übermäßige Zentralisierung und fehlende Zuschreibung von Verantwortung. In der anschließenden Aussprache gaben die Kommandeure dem Bundesvorsitzenden ihre Wünsche und Vorstellungen für das weitere Wirken des DBwV mit auf den Weg.
Mentalitätswechsel auf allen Ebenen erforderlich
Als Beauftragter des Generalinspekteurs für Erziehung und Ausbildung schilderte Brigadegeneral Robert Sieger seine bei Truppenbesuchen gewonnene Wahrnehmung, dass das Mindset von Soldaten den aktuellen Herausforderungen oft nicht gerecht werde. Es müsse deutlich gemacht werden, dass der Kernauftrag der Bundeswehr Eckpfeiler des Handelns eines jeden Soldaten sein muss. Neben der materiellen Einsatzbereitschaft setze dies bei Vorgesetzten bis zum einfachen Soldaten voraus, sich mit dem Auftrag identifizieren zu können, ihn nach besten Kräften erfüllen zu wollen und dafür Handlungsspielräume im Sinne der Auftragstaktik nutzen zu dürfen. Es sei ihm bewusst, dass diese Veränderung der Mentalität hin zu „KÖNNEN-WOLLEN-DÜRFEN“ ein schwieriger Prozess ist. Die Forderung eines Mentalitätswechsels treffe auf eine Truppe, die teilweise in den letzten Jahren überdehnt wurde und nicht erholt in diese neue Kernaufgabe gehe. Seine Vorschläge für die Änderungen im Mindset auf den unterschiedlichen Führungsebenen fanden große Zustimmung, spiegelte der General damit die Erfahrungen der Kommandeure in ihrer Praxis wider.
Personalmanagement leistet wichtigen Beitrag zur Einsatzbereitschaft
Oberst i.G. Andreas Proksa vom BAPersBw konstatierte bei der Vorstellung der aktuellen Herausforderungen im Personalmanagement einen gelungenen Streitkräfteaufwuchs nach der „Trendwende Personal“ bei Unteroffizieren und Mannschaften seit 2019. „Wir suchen bei der Personalgewinnung die Besten aus“, wehrte sich Proksa gegen anders kolportierte Meinungen. Die Erwartungshaltung einer Generation Z und die Anforderungen an den Soldaten stellten bei der Personalgewinnung eine große Herausforderung dar. „Personalbindung leistet gerade auch in schwierigen Zeiten einen wichtigen Beitrag zum Aufwuchs und Einsatzbereitschaft.“ Erfolge in der Personalbindung beruhten auf Maßnahmen zur Modernisierung der Laufbahnen, verbesserten Chancen für Beförderungen, Anpassungen bei der Zurruhesetzung. So gelinge es seit 2021 zunehmend, Vakanzen auf den Dienstposten abzubauen.
Änderungen der WDO ist auf den Weg gebracht
Längst fällig sei eine Anpassung der WDO von 2002, so Ministerialrat Dr. Marcus Korte vom BMVg. Nach strukturellen Änderungen in der Rechtspflege der Bundeswehr dauern gerichtliche Disziplinarverfahren durchschnittlich 34 Monate. Dies bedeute erhebliche Nachteile für Betroffene, die in dieser Zeit von jeglicher Förderung ausgeschlossen sind. Dies sei nicht hinnehmbar. Die neue WDO soll die Verfahrensdauer erheblich verkürzen. Zudem soll bei fehlender Verfassungstreue von Soldaten ein schnelleres Entfernen aus dem Dienstverhältnis möglich sein. Die Vielzahl der angedachten Änderungen erfordern eine Neufassung der WDO, was auch vom DBwV mit seiner Expertise begleitet wird.
Das Verhältnis zwischen USA, Europa und Deutschland – eine politische Betrachtung
Das Verhältnis „USA-Europa-Deutschland“ beleuchtete Dr. Dominik Tolksdorf von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges. Deutlich wurde, dass das Bemühen um ein einheitliches Auftreten gegenüber Russland wegen nationaler Interessen einzelner Staaten schwierig sei. Auffällig sei, dass westliche Demokratien wegen wiederkehrender Parlaments- und Präsidentschaftswahlen mit dem Wechsel von handelnden Personen anfälliger für Meinungsänderungen sind, was Kontinuität und einheitliche Positionen in den Bündnissen beeinträchtigt und starkes Handeln einschränke.
Die Kommandeurtagung beendete der stellvertretende Landesvorsitzende, Oberstleutnant a.D. Josef Rauch, nicht ohne den Teilnehmern Gelegenheit für ein Feedback zu geben. Die aufgerufenen Themen mit der Gelegenheit für Diskussion und Meinungsaustausch deckten den Informationsbedarf und trafen die Erwartungen der Kommandeure.