50 Kommandeure und Dienststellenleiter kamen zur Tagung nach Altensteig-Wart. Foto: DBwV/Scheurer

50 Kommandeure und Dienststellenleiter kamen zur Tagung nach Altensteig-Wart. Foto: DBwV/Scheurer

01.04.2019
IK

Kommandeure im Dialog: „Vertrauen – Führung – Verantwortung“

Altensteig-Wart. Vertrauen kommt innerhalb des Militärs eine besondere Bedeutung zu. Vertrauen fördert Kameradschaft, ist zwischen Vorgesetzten und Untergebenen ebenso unabdingbar wie zur Politik, in deren Auftrag Soldaten eingesetzt werden. Nicht ohne Grund forderte der DBwV in seiner Broschüre Bw2025 einen „klaren Kurs Vertrauen“. Wie es um das Vertrauensverhältnis heute steht, wollte der Vorsitzende des Landesverbands Süddeutschland, Stabsfeldwebel a.D. Gerhard Stärk, mit seiner Tagung in Altensteig-Wart im Schwarzwald unter dem Motto „Vertrauen – Führung – Verantwortung“ mit den 50 Kommandeuren/Dienststellenleitern diskutieren.

Glaubwürdigkeit und Vertrauen zurückgewinnen

Der Bundesvorsitzende André Wüstner stellte zunächst wesentliche Veränderungen der Verbandsarbeit vor. So sei mit dem Ausbau des Netzwerks über klassische Bereiche wie Parlament und Regierung hinaus die Interessenvertretung wirksamer denn je. Schwerpunkt verbandspolitischer Aktivitäten sei die Verbesserung sozialer Rahmenbedingungen wohl wissend, dass dies nur eine Seite der Medaille auf dem Weg zu einer einsatzbereiten Bundeswehr ist. Der Verband mit seinem ganzheitlichen Herangehen habe deshalb auch Interesse an einer soliden Ausstattung mit Material und Finanzen. Das habe Kompromisse zur Folge, die jedoch nicht die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen untergraben dürfe, so Oberstleutnant Wüstner.

Der Verband spüre eine enorme Handlungsunsicherheit bei Mitgliedern in Führungspositionen, die den Verband vermehrt um rechtliche Hilfe, beispielsweise zum Erlass Handel und Gewerbe, zur SAZV oder anderen anfragen. „Dies ist kein gutes Zeichen für den Zustand der Bundeswehr“, fügte Wüstner an.  Das Missverhältnis von Auftrag und Mittel sowie dysfunktionale Strukturen führen zu einer angespannten Innere Lage in der Bundeswehr. „Wenn es gelingen soll, die Stimmungslage in der Bundeswehr zu drehen, geht es nicht um 1 bis 2 Euro Zulage, sondern darum, Verantwortung wieder richtig zu verorten und Führung mit Auftrag wieder zu ermöglichen“, betont Wüstner. Dazu gehöre, ausreichend Ressourcen zur Verfügung zu stellen, zu entbürokratisieren und klare Strukturen herzustellen, so der Bundesvorsitzende.

Ganzheitliche Verantwortungswahrnehmung muss das Ziel sein

Wie im vergangenen Jahr werden weiterhin notwendige Trendwenden durch eine überbordende Bürokratie und sich überlagernde Organisationsstrukturen behindert, so der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages Dr. Hans-Peter Bartels. Dies gehe einher mit Verantwortungsdiffusion, was sich unter anderem in der Beschaffungsorganisation zeige und bis zu den militärischen Führern in den Verbänden durchschlage. Entscheidungen können heute nicht dort getroffen werden, wo sie sich auswirken. Bartels plädiert dafür, die ganzheitliche Wahrnehmung von Verantwortung wieder herzustellen. Kommandeuren müsse wieder mehr personelle und materielle Verantwortung gegeben werden. Der Wehrbeauftragte rät zudem, mit Benchmarking über den Tellerrand hinauszuschauen und kreative Lösungen zu ermöglichen. „Zeit und Geld muss ein Faktor bei Beschaffungen in der Bundeswehr werden“, forderte Bartels.

Podiumsdiskussion: Kommandeure fragen nach

In der Podiumsdiskussion stellten sich der Wehrbeauftragte, der Parlamentarische Staatsekretär Thomas Silberhorn (CSU) sowie die Bundestagsabgeordneten Dr. Reinhard Brandl (CSU), Roderich Kiesewetter (CDU) und Pascal Kober (FDP) nach ihren Statements zur Bundeswehr den Fragen der Kommandeure. Silberhorn versicherte: „Das dynamische Verfügbarkeitsmanagement ist beendet! Die Vollausstattung ist das Ziel.“ Dies sei auch eine Frage der Glaubwürdigkeit gegenüber der Truppe als auch Partnern in NATO und EU. Unbegründet sei die Sorge, dass die Bundeswehr zu wenig finanzielle Mittel erhalte, so Brandl als Hauptberichterstatter für den EP 14 im Bundestag. Dabei sei jedoch eine Neuorganisation der Beschaffungsorganisation überfällig.

Kiesewetter als Außenpolitiker setzte das Motto der Tagung in einen außenpolitischen Kontext: Deutschland werde gedrängt, mehr Verantwortung zu übernehmen. Dazu müsse Deutschland seiner Führungsfunktion gerecht werden, um Vertrauen bei den Partnern zu schaffen. Bei Abgeordneten des Bundestags, aber auch in der Gesellschaft müsse Sicherheitspolitik stärker in den Fokus genommen werden.

Kober ist engagiert in Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Er sorge sich um das Innere Gefüge der Bundeswehr und die Wahrnehmung der Bundeswehr in der Öffentlichkeit. Als ehemaliger evangelischer Militärpfarrer spricht er sich für die Stärkung der bewährten Inneren Führung und damit auch der Führungsverantwortung aus.

Der Herausgeber des Verbandsmagazins „Die Bundeswehr“, Jan Meyer, moderierte die Podiumsdiskussion. Mit ihren Fragen zu Personalentwicklung, Ausrüstung, Beschaffung, aber auch mit Darstellung der Auswirkungen von Entscheidungen in Politik und Bundeswehrführung auf den Truppenalltag gaben die Kommandeure ein wertvolles und beachtetes Feedback.

Europäische Armee ist weit entfernt

Prof. Dr. Sönke Neitzel von der Universität Potsdam provozierte am zweiten Tag der Tagung mit seiner Analyse zur Zukunft einer Europäischen Armee. Mit einem Blick in die Geschichte solcher Bündnisse sowie in jüngste Vergangenheit und Gegenwart sehe er eine Europäische Armee in weiter Ferne. Neitzel untermauerte seine These mit Argumenten wie dem unterschiedlichen Habitus der zu beteiligenden Länder, den industriepolitischen Interessen und dem Festhalten an nationalen Egoismen. Aus seiner Sicht brauche Deutschland keine Streitkräfte, da die deutsche Politik keine Bereitschaft für Kampfeinsätze habe. „Streitkräfte sind zum Kämpfen da“ - dies gelte offensichtlich nicht für die Bundeswehr, was lange Planungshorizonte für die Ausrüstung, das Fehlen von Kriterien zur Bewertung militärischer Effizienz oder die politische Verweigerung von Kampfeinsätzen belegen. Glaubwürdigkeit und Vertrauen unter Partnern werde damit nicht gefestigt, so Neitzel. Auch wenn die Argumente des Wissenschaftlers von anwesenden Politkern und Kommandeuren nicht geteilt werden, brauche es diese konträre Sichtweise, um Schwächen und Mängel aufzudecken sowie die sicherheitspolitische Debatte fortzuschreiben, so die Meinung aus dem Plenum.

Die Lage der Bundeswehr

Als Abteilungsleiter Führung Streitkräfte im BMVg ist Generalleutnant Markus Laubenthal verantwortlich für das Bereitstellen einsatzbereiter Kräfte. Dies ist eine Aufgabe, die angesichts der heutigen sicherheitspolitischen Interessen und Bedrohungen enorme Kraftanstrengungen und Ressourcen erfordere, nachdem die Streitkräfte 25 Jahre lang umfangreiche Reduzierungen und Umstrukturierungen erfuhren. Neu gedacht werden musste die Landes- und Bündnisverteidigung, die neben den Einsätzen zur Krisenbewältigung gleichrangig zu leisten sei. Die Bundeswehr sei dabei deutlich besser als oft dargestellt, ist der General überzeugt. Eindrucksvoll beweisen dies die Streitkräfte auch bei Auslandseinsätzen, bi-/multilateralen Kooperationen, multinationalen Initiativen (PESCO, EU BG) und der VJTF. Laubenthal zeichnete ein zuversichtliches Bild von der Bundeswehr bis 2030, ohne die notwendigen Verbesserungen auf vielen Feldern wie bei Beschaffung, Ausrüstung, Personal aber auch in Organisation und Führung zu verschweigen.

„BS Vario“ – ein Vorschlag des DBwV zur Weiteentwicklung soldatischer Dienstverhältnisse

Das Dienstverhältnis von Soldaten auf Zeit in der Bundeswehr habe sich mit der Ausweitung der Verpflichtungszeiten von bis auf 25 Jahre stark verändert, so Justiziar Christian Sieh bei der Vorstellung des „BS Vario“. Nachteile dieser langen Verpflichtungszeit werde den lebensälteren SaZ bei Verlassen der Streitkräfte bewusst. Im Vergleich mit Berufssoldaten fühlen sich SaZ ungerecht behandelt. Die Dienstzeitversorgung von SaZ sei zwar gut, jedoch die Versorgungssituation danach mit einer zivilen Wiedereingliederung sei nicht attraktiv. Anderseits rücke die Bundeswehr nicht vom Zeitsoldaten-System ab, um einer Überalterung der Bundeswehr vorzubeugen. Der DBwV halte den Vorschlag „BS Vario“ für eine Möglichkeit, die Situation der SaZ zu verbessern, so Sieh. Der Vorschlag berücksichtige dabei auch die Interessen von Bundeswehr und öffentlichen Dienst, bedarf jedoch weiterführender Diskussion.

Den Schlusspunkt der Tagung setzte Oberstleutnant i.G. Dr. Detlef Buch, im DBwV-Bundesvorstand Vorsitzender des Fachbereichs Besoldung, Haushalt und Laufbahnrecht. Buch erläuterte die vom Verband erreichten und angestrebten Verbesserungen in aktuellen und laufenden Gesetzgebungsverfahren im Detail.

Landesvorsitzender Stärk sieht das Ziel für diese Tagung erreicht, nämlich mit Informationen zu einem herausragenden Schwerpunktthema den Austausch von Argumenten und Meinungen zwischen Kommandeuren und den Dialog mit politischen Verantwortungsträgern, militärischem Führungspersonal und Mandatsträgern des DBwV zu fördern.

Mit Rat und Hilfe stets an Ihrer Seite!

Nehmen Sie Kontakt zu uns auf.

Alle Ansprechpartner im Überblick