12.04.2016

Tagung mit Kompaniechefs

Dahlewitz. Mehr als 60 Disziplinarvorgesetzte des Landesverbands Ost tagten im März in Berlin. Zu PTBS und anerkannter Wehrdienstbeschädigung trug Oberstabsgefreiter Johannes Clair vor, zur Bundeswehr und der aktuellen Flüchtlingsproblematik sprach Oberst i.G. Andreas Karl Jödecke, Verbindungsstabsoffizier des BMVg. Roland Sippmann sowie Oberstleutnant i.G. Dr. Detlef Bruch thematisieren Beurteilungen und die Soldatenarbeitszeitverordnung.

Johannes Clair, der derzeitig in der Schutzfrist ist, um sich weiterhin um seine PTSB-Behandlung zu kümmern, ging sehr emotional auf die Teilnehmer ein. Er verwies auf die Tatsache, dass Einsätze nicht mit dem Rückflug enden und jeder Einzelne im Einsatz unterschiedlich belastet sein kann. „Wir waren mit uns nicht bekannten Lebenssituationen konfrontiert. So kann z.B: eintöniges Essen, die Lebensweise der einheimischen Bevölkerung, die klimatischen Bedingungen oder Ähnliches jeden Einzelnen vor Herausforderungen stellen“, so Clair.

Im Weiteren ging er auf seine erlebten Gefechtssituationen ein. Angst war ein stetiger Begleiter. „Du weißt nicht, wann und wo es knallt.“ Ein großer Bereich sei weiterhin das eigenen Erkennen und sich eingestehen, ein „Problem“ zu haben. Auf Grund von Schamgefühlen bleiben ca. 50% der Erkrankungen unerkannt. Hier appellierte der Oberstabsgefreite an die Vorgesetzen, Untergebene zu unterstützen, sich zu outen.

Hierzu unterstützt der BundeswehrVerband Aktionen wie www.angriff-auf-die-seele.de und www.bundeswehr-support.de aktiv. „Weiterhin muss an der Ausweitung der Schutzfrist gearbeitet werden um die betroffenen Kameraden besser behandeln zu können“, so Hauptmann Uwe Köpsel. Als Verbindungstabsoffizier beim Bundesministerium des Inneren eingesetzt, berichtete Oberst i.G. Andreas Jödecke. Er verursachte mit seinen Ausführungen über seine Arbeit im Rahmen der Flüchtlingsproblematik bei dem Teilnehmer Kopfschütteln, Entsetzen und Schmunzeln zugleich. „Das Grundrauschen wird durch die Streitkräfte vollzogen.“

Einen derartigen „Föderalismus“ habe er zuvor noch nie erlebt. Anhand von Landkarten stellte er mögliche Ausweichrouten der Flüchtlinge dar, hier seien der Kreativität keine Grenzen gesetzt. „Selbst Routen über Polen nach Deutschland habe man auf dem Schirm.“ Ob wir in Deutschland jede Woche eine Kleinststadt mit 12.000 Einwohner, das sind die aktuellen Zahlen an Flüchtlinge die Asyl suchen, aus dem Boden stemmen können, stellte er mit Fragezeichen in den Raum.

Grundsätzlich habe sich Deutschland nach dem 15. September 2015 verändert. Das Ausrufen eines Katastrophenfalles hätte vieles deutlich einfacher gemacht, jedoch war dies politisch nicht „erwünscht“. Trotz Entspannung im Bereich von Beförderungen, liegen dem Verband monatlich etwa 15 Rechtsschutzersuchen vor.

Dies zeigt, dass sich unsere Mitglieder mit der derzeitigen Situation nicht zufrieden geben. Obwohl es in diesem HH-Jahr erstmals gelungen ist, eine 100 %-ige Planstellenabdeckung zum Personalstrukturmodell 185 zu erreichen, können auf Grund von personellen Überdeckungen weiterhin nicht alle Beförderungsanwärter auch zeitgerecht befördert werden.

Ziel des Verbandes ist es, im nächsten Haushalt hier eine signifikante Planstellenverbesserung zu erwirken. Als weitere Neuerung ist herauszustellen, dass mit Beginn des HH-Jahres 2016 eine TSK-übergreifende gemeinsame Planstellenbewirtschaftung erfolgt, d.h. dass alle Beförderungsanwärter aus einem „Beförderungstopf“ entsprechend ihrer Reihung in der Beförderungsreihenfolge befördert werden.

Bis zum Ende des vergangenen Jahres wurde in jeder Teilstreitkraft einzeln gereiht. Stabshauptmann a.D. Roland Sippmann von der Abteilung Recht des Verbandes stellte als wesentlichen Verbandserfolg die Wiederholungsmöglichkeit der Potenzialfeststellung zum Berufssoldaten heraus. „Wir haben mehrfach gegenüber dem Ministerium gefordert, dass die Teilnehmer eine zweite Chance verdient haben.“ Er forderte die Chefs auf, ihre potenziellen Berufssoldaten aktiv auf das Potenzialfeststellungverfahren vorzubereiten.

Als Meinungsbild zum Thema Beurteilung, welches jeden Disziplinarvorgesetzen sehr lange Zeit bindet, gilt festzuhalten, dass in Zukunft nur noch aus „Anlass“ beurteilt werden sollte. „Warum soll ich einen Soldaten, der nächstes Jahr aus dem aktiven Dienst ausscheidet, beurteilen?“ Dies schafft deutlich mehr Zeit für andere Dinge, die ein Chef auf seinem Auftragszettel zu stehen hat. Für viel Diskussionsbedarf sorgte der letzte Vortrag. So wurden laut Oberstleutnant i.G. Dr. Detlef Bruch, Vorsitzender Luftwaffe im Bundesvorstand jetzt „Fehlentwicklungen im Personalköper der Bundeswehr an die Oberfläche gespült“.

Bis zuletzt war die Berufsgruppe der Soldaten eine Berufsgruppe ohne gesetzlichen Rahmen. Durch die Vielzahl von Wortmeldungen entsteht der Eindruck, dass die Soldatenarbeitszeitverordnung noch nicht bis in jede Führungsebene vorgedrungen, geschweige denn, sich höhere Ebenen mit der Thematik beschäftigt haben. Hier müssen Informationsveranstaltungen bis in die Kompanieebene durch den Dienstgeber durchgeführt werden.

Ein Kompaniechef brachte es auf den Punkt: "Um die zeitliche Belastung von Soldaten, insbesondere von Führungskräften, zu beurteilen, reicht es nicht aus, Ende 2016 die Anzahl der freien Wochen oder den Wochenstundendurchschnitt zu betrachten. Was nützt es, wenn ich dieses Jahr 6 Wochen frei habe, an meinem Wochenschnitt der grüne Haken ist, ich aber fast meinen kompletten Erholungsurlaub mit ins Jahr 2017 nehme, weil die freien Wochen ausschließlich Zeitausgleich von Mehrarbeit waren. Bisher wurde a. m. S. nämlich den angestauten Urlaubsansprüchen keine angemessene Beachtung geschenkt."