Ahlhorn: Ein Land der Superlative
Um das aufstrebende Reich der Mitte ging es bei einer Abendveranstaltung am früheren Luftwaffenstandort Ahlhorn. Der Vortrag „Chinas Weg zur führenden Weltmacht am Beispiel der Seidenstraße“ war die erste von fünf Winterveranstaltungen der selbstständigen Kameradschaft der Ehemaligen, Reservisten und Hinterbliebenen (ERH). Der Referent kam mit Oberst a.D. Karl Trautvetter aus den eigenen Reihen.
Hauptmann Wilfried Tunder hieß als Vorsitzender der rund 330 Mitglieder zählenden Gruppierung mehr als 30 Interessierte im Hotel Altes Posthaus willkommen. Nach seiner kurzen Begrüßung übernahm Trautvetter und lenkte den Blick seiner Zuhörer auf den asiatischen Kontinent. Er fragte zunächst nach Gründen für den Erfolg des Riesenreiches, das inzwischen die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Erde ist.
Begrenzter Wohlstand
Die Volksrepublik China hat, obwohl sie unbeirrbar am kommunistischen System festhält, umfangreiche Reformen durchgeführt und der Privatwirtschaft breiten Raum eingeräumt. Auf der Basis des ökonomischen Erfolges wurde auch militärisch aufgerüstet. Heute stellt die Volksbefreiungsarmee eine in jeder Hinsicht ernstzunehmende Streitmacht dar, deren Stärke mit 2,2 Millionen Soldaten den Anspruch Chinas unterstreicht, weltweit Führung zu übernehmen.
Der pensionierte Oberst bezeichnete die Volksrepublik als „ein Land der Superlative“. So leben im flächenmäßig zweitgrößten Land der Erde die meisten Menschen. China hat nicht nur die größte Armee der Welt, sondern auch 43 Millionenstädte, in denen ein großer Teil der 1,39 Milliarden Chinesen lebt. Technologisch nimmt es heute schon in einigen Bereichen Spitzenpositionen ein, beispielsweise beim Mobilfunk und in Sachen Künstliche Intelligenz.
„China ist ein erfolgreiches Gegenmodell zu unseren westlichen Vorstellungen“, stellte Trautvetter fest, „das autoritäre politische System in Verbindung mit freier Marktwirtschaft bedeutet Wohlstand.“ Er verwies in diesem Zusammenhang auf Entwicklungen in einigen europäischen Ländern, die sich daran ein Beispiel zu nehmen scheinen. Der Referent machte deutlich, dass es trotz des Wohlstandes viele Arme, darunter Wanderarbeiter und die Landbevölkerung gibt, die nicht oder nur in geringem Umfang von der Entwicklung profitieren.
Großmacht ohne Wasser
„Die Wirtschaft Chinas strauchelt“, machte er angesichts der aktuellen Zahlen deutlich. Das Wachstum ist so gering wie fast 30 Jahren nicht mehr. Dazu kommt die Umweltverschmutzung, die Luft in den Städten belastet nicht nur das Klima. Gewässer und Äcker sind von Schadstoffen verseucht, Flüsse transportieren riesige Mengen Müll ins Meer. Gesundheitliche Auswirkungen auf die Menschen bleiben nicht aus, die Zahl der Geschädigten ist unüberschaubar. Dazu kommt Wasserknappheit, die in Zukunft zu Kriegen mit den Nachbarn führen könnte.
Weitere Probleme stellen Korruption sowie die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich dar. Es gibt zwar 373 Milliardäre und 2,8 Millionen Millionäre, aber 100 bis 140 Millionen Menschen leben noch unter der Armutsgrenze. Die Mittelschicht ist größer als die Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Amerika. Überwacht werden alle und das elektronische „Social Credit System“ vergibt Punkte, deren Anzahl massiven Einfluss auf das Leben jedes Einzelnen hat. Die Auswirkungen erstrecken sich von der Bahnfahrkarte über den Job bis zu Krediten.
„Die Angst der Kommunistischen Partei vor dem Machtverlust ist riesengroß“, begründete Trautvetter dieses Vorgehen. Er geht davon aus, dass die Machthaber jedes, „aber auch wirklich jedes Mittel“ nutzen werden, um politische Veränderungen zu verhindern. Menschenrechte im westlichen Sinn spielen keine Rolle, diesbezügliche Forderungen demokratischer Länder werden als Einmischung in innere Angelegenheiten zurückgewiesen.
Neue Seidenstraße
Große Risiken bergen die territorialen Konflikte im Südchinesischen Meer. Die Volksrepublik erhebt dort massiv Gebietsansprüche und versucht Amerika und seine Verbündeten zurückzudrängen. Dabei dreht es sich insbesondere um strategische Fragen, Rohstoffe und Fanggründe für die chinesische Fischereiflotte. Um Wirtschaft geht es auch bei der „Neuen Seidenstraße“, durch die mit umfangreichen Investitionen Handelswege geschaffen und gesichert werden.
So in Afrika: Anders als westliche Demokratien verbinden sie ihre Hilfen nicht mit Forderungen wie die Einhaltung der Menschenrechte. Inzwischen geht es um die Nutzung und teilweise Kontrolle von wirtschaftlichen Verkehrswegen in 60 Staaten, von Asien über Afrika und Europa bis Südamerika. Dafür stehen zehn Billionen US-Dollar zur Verfügung: „Es werden Verträge abgeschlossen, Geld fließt, Material, Arbeiter und Know-How kommen aus China. Dem Gastland bleiben Rückzahlung und Wohlverhalten.“ Das manchmal konträre Abstimmungsverhalten einiger Mitgliedsstaaten der Europäischen Union führte der Referent auf deren hohe Schulden bei der Volksrepublik zurück.
Dies alles nur einige Punkte aus den spannenden Ausführungen von Oberst a.D. Trautvetter. Sein Vortrag endete nach über zwei Stunden mit einer regen Aussprache. Für die Mitglieder und Gäste der Ahlhorner Ehemaligen war es ein gelungener Abend mit vielen Informationen und wissenswerten Fakten. Ein guter Start der Vortragsreihe, auf den in den nächsten Monaten Abendveranstaltungen zur Klimakatastrophe, der Künstlichen Intelligenz, dem deutschen Sonderweg in der Politik sowie zu einem aktuellen Thema folgen werden.