Die Zukunft der europäischen Sicherheitspolitik: „Es wird schmerzhaft!“
Am 6. Februar fanden bei der CESI in Brüssel und hybrid gleich zwei Veranstaltungen statt: Zum einen die Expertenkommission Verteidigung und anschließend der Europäische Runde Tisch der Verteidigung. Beide hatten eine umfangreiche Agenda, die Themen rund um die Sicherheitspolitik in Europa behandelte.
Wohlstand gegen Sicherheit
Die Expertenkommission Verteidigung, in der Regel im etwas kleineren Kreis, weil sie die Themen mehr in der Tiefe behandelt, profitierte von den Schilderungen ihrer Mitglieder. So berichtete Thomas Sohst, der DBwV-Vertreter bei der CESI und Vorsitzende der Expertenkommission, von den aktuellen Herausforderungen, denen sich Deutschland gegenübersieht. Für ihn war klar, dass trotz des Ukraine-Krieges viele Personen und Organisationen in Europa die Folgen der kritischen Lage noch nicht hinreichend erkannt haben.
Wenn die europäischen Länder nicht jetzt in ihre Sicherheit investieren, wäre die Verteidigungsfähigkeit und damit die notwendige Abschreckung gegen potenzielle Angreifer nicht gegeben. „Ohne Sicherheit ist alles nichts.“ Glücklicherweise ist CESI eine einflussreiche Institution, die erkannt hat, dass Gewerkschaften als relevante gesellschaftliche Gruppe auch der Sicherheit auf die Agenda setzen muss, um zu informieren und zu motivieren, sich dem Thema mit aller Konsequenz zu widmen. Sicherheit wird Geld kosten. Diese Investitionen sind notwendig, auch wenn sie schmerzhaft sein werden.
Zum Thema der Klimakrise äußerte sich auch Emmanuel Jacob, Präsident von EUROMIL. Für ihn ist die Anpassung die oberste Priorität. Bereits jetzt sehen wir, dass einige Streitkräfte ihre Infrastruktur, die Ausrüstung und die Missionen durch den Klimawandel anpassen. Dies wird noch auf alle weiteren Gebiete zukommen. Er kritisierte außerdem, dass nicht nur in den Nationalstaaten, auch in der EU und in der NATO unterschiedliche Zentren für Klimafragen bestehen. „Warum arbeiten diese nicht zusammen, sondern kochen ihr eigenes Süppchen?“ Für ihn besteht eine Anpassung an die aktuellen Gegebenheiten auch darin, von Finnland zu lernen und in den Aufbau einer Reserve zu investieren.
„Die leichten Jahre sind vorbei!“
Fabian Zuleeg, Chef des Europäischen Politikcenters, sieht ebenfalls Anfänge einer Zeitenwende, aber noch längst keine Vollendung. Für ihn besteht der Widerspruch unseres Handelns darin, dass wir exponentielle Probleme mit linearer Politik zu lösen versuchen, sodass unsere Lösungen nicht passen können. Zuleeg findet klare Worte für die Zukunft: „Die leichten Jahre sind vorbei. Das, was jetzt kommt, wird wehtun!“ Das bedeute auch, dass Menschen den Wandel in ihrem Geldbeutel spüren.
Russlands neuer Partner ist China
Zum Schluss der Diskussion kam Jean Asselborn, der ehemalige Außenminister Luxemburgs, zu Wort. Er ist der Meinung, dass die europäischen Sanktionen Russland kaum getroffen haben. Nur Öl sei nun ein knappes Gut und junge Menschen merken, dass sie weniger reisen können. Alle anderen Ressourcen beziehe Russland nun jedoch von China. Putin warte auf die USA-Präsidentschaftswahlen und dass Trump gewinne, weil er weiß, wie es die EU ins Chaos stürzt. Laut Asselborn steht Russland vor Polen, wenn die Ukraine diesen Krieg verliert – deshalb muss dieser Ausgang um alles verhindert werden. Die besten Möglichkeiten bestehen darin, die Sanktionen beizubehalten, der Ukraine weiter Munition zu liefern und die Solidarität innerhalb der EU zu stärken.
Budget- und Personalsituation in Deutschland
Des Weiteren ist für Deutschland besonders der in der Woche davor abgeschlossene Haushalt von rund 51,8 Mrd. Euro für das Verteidigungsministerium im Fokus. Thomas Sohst merkte an, dass er sehr besorgt auf die Personalsituation blickt. Eigentlich war ein Ziel von rund 203.000 Soldaten und Soldatinnen angestrebt worden – im letzten Jahr hat die Gesamtstärke aber um 1.500 Personen abgenommen. Die Herausforderung der Rekrutierung wird noch weiter verstärkt, da durch den Fachkräftemangel die Bundeswehr in Konkurrenz mit der Wirtschaft steht. Sohst mahnte an, die demografische Entwicklung mit aller Konsequenz nicht aus den Augen zu verlieren.
Die Bundesvorsitzende des VBB (Verband der Beamten und Beschäftigen der Bundeswehr), Imke von Bornstaedt-Küpper, stimmte Sohst in seinen Wahrnehmungen für Deutschland mehrheitlich zu. Das Land sei zwar auf dem richtigen Weg zu einer Einsatzbereitschaft, aber der Verteidigungsminister Pistorius verliere sich in zu vielen Details, beispielsweise bei der Umstrukturierung des Ministeriums. Trotzdem sieht sie viel Interesse der Öffentlichkeit an sicherheitspolitischen Fragen, was sehr zuversichtlich stimmt.
Österreich modernisiert sein Bundesheer
Anschließend schilderte Walter Hirsch von EUROFEDOP (Europäische Union des Öffentlichen Dienstes) seine Eindrücke aus Österreich. Dort haben die Bürger „seit drei Jahren ein unverändert hohes Vertrauen in das Bundesheer, das nur von der Polizei noch übertroffen wird.“ Grund dafür sind die Hilfestellungen, die das Heer bei Katastrophen leistet.
Über viele Jahre hatte Österreich nur ein geringes Budget von rund 0,6% des BIP (2 Mrd. Euro); im Jahr 2023 erhöhte sich dieses auf 1% des BIP (3,3 Mrd. Euro) und soll 2028 rund 1,5% des BIP (5,8 Mrd. Euro) betragen. Mithilfe eines Gesetzes hat Österreich die finanziell gute Aufstellung des Bundesheers auch über die Amtsperiode der aktuellen Regierung hinaus gesichert. Nun arbeiten die Behörden an einer aktualisierten Sicherheitsstrategie, da die bisher genutzte noch von 2013 stammt. Ebenfalls soll das Besoldungsmodell angepasst werden, wobei Deutschland ein großes Vorbild für Österreich ist.
Eröffnung des Europäischen Runden Tisches der Verteidigung
Am Nachmittag versammelten sich weitere Experten und Expertinnen um den Europäischen Runden Tisch der Verteidigung, der sich besonders mit der Verbindung von Klimawandel und Sicherheitspolitik beschäftigte. Romain Wolff, CESI-Präsident, leitete den Austausch mit Generalsekretär Klaus Heeger. Ganz im Sinne der Gewerkschaftsarbeit äußert sich Thomas Sohst: „Die Gewerkschaften und Interessenvertretungen müssen jetzt aufwachen bevor es zu spät ist, um überhaupt noch zu handeln.“ Den Menschen müsse in der EU klar sein, dass sie zur Stärkung von Verteidigungsfähigkeit etwas von ihrem Wohlstand abzugeben haben.
Klimawandel und Sicherheitsbedarf miteinander verbunden
Elena Lazarou vom Wissenschaftsdienst des Europäischen Parlamentes ordnete ein, was der Green Deal für die EU bedeutet: bis 2050 klimaneutral zu sein. Dabei hängen Klima- und Umweltschäden mit weit mehr Sektoren zusammen, als wir es uns aktuell vorstellen. Der Fortschritt der vergangenen zehn Jahre bestand darin, dass die Industrie schneller produziert, die Operationen angepasst wurden und es mehr Partnerschaften gibt (EU-NATO-UN). Lazarou beschrieb, wie zwischen starken Klimaschäden und einem erhöhten Sicherheitsbedarf eine Verbindung besteht. Schauen wir nach Afrika, wird sichtbar, wie beispielsweise die Desertifikation Wohnraum zerstört, Wassermangel hervorruft und auch Bevölkerungswanderungen auslöst.
Die großen europäischen Akteure wie die European Investment Bank müssen das verstehen und ihre Investitionen auf diese Gegenden lenken. Auch in der Ukraine werde deutlich, wie stark die Umwelt unter Krieg leidet: Russland zerstöre Wälder, verschmutze die Luft und die Kosten des Wiederaufbaus seien noch längst nicht abschätzbar.
Sicherheit ist eine Versicherung für die Bürger und Bürgerinnen
Lukas Mandl, österreichischer Abgeordneter des Europäischen Parlaments aus dem Ausschuss für Auswärtiges und dem Unterausschuss für Verteidigung, stimmte Lazarou in allen Punkten zu. Er sehe die positiven Veränderungen in vielen Ländern, die nun größere Verteidigungshaushalte beschließen. „Das ist aber nur der Anfang und noch auf keine Weise nachhaltig“, mahnt er. Denn Sicherheit sei auch wie eine Art Versicherung für die Bevölkerung. Die Bürgerinnen und Bürger müssen auch das Signal dazu senden, Sicherheit zu wollen. Er schlägt eine „Sicherheitssteuer“ vor.
Anpassung ist erste Priorität für Soldaten und Soldatinnen
Zum Thema der Klimakrise äußerte sich auch Emmanuel Jacob, Präsident von EUROMIL. Für ihn ist die Anpassung die oberste Priorität. Bereits jetzt sehen wir, dass einige Streitkräfte ihre Infrastruktur, die Ausrüstung und die Missionen durch den Klimawandel anpassen. Dies wird noch auf alle weiteren Gebiete zukommen. Er kritisierte außerdem, dass nicht nur in den Nationalstaaten, auch in der EU und in der NATO unterschiedliche Zentren für Klimafragen bestehen. „Warum arbeiten diese nicht zusammen, sondern kochen ihr eigenes Süppchen?“ Für ihn besteht eine Anpassung an die aktuellen Gegebenheiten auch darin, von Finnland zu lernen und in den Aufbau einer Reserve zu investieren.
„Die leichten Jahre sind vorbei!“
Fabian Zuleeg, Chef des Europäischen Politikcenters, sieht ebenfalls Anfänge einer Zeitenwende, aber noch längst keine Vollendung. Für ihn besteht der Widerspruch unseres Handelns darin, dass wir exponentielle Probleme mit linearer Politik zu lösen versuchen, sodass unsere Lösungen nicht passen können. Zuleeg findet klare Worte für die Zukunft: „Die leichten Jahre sind vorbei. Das, was jetzt kommt, wird wehtun!“ Das bedeute auch, dass Menschen den Wandel in ihrem Geldbeutel spüren.
Russlands neuer Partner ist China
Zum Schluss der Diskussion kam Jean Asselborn, der ehemalige Außenminister Luxemburgs, zu Wort. Er ist der Meinung, dass die europäischen Sanktionen Russland kaum getroffen haben. Nur Öl sei nun ein knappes Gut und junge Menschen merken, dass sie weniger reisen können. Alle anderen Ressourcen beziehe Russland nun jedoch von China. Putin warte auf die USA-Präsidentschaftswahlen und dass Trump gewinne, weil er weiß, wie es die EU ins Chaos stürzt. Laut Asselborn steht Russland vor Polen, wenn die Ukraine diesen Krieg verliert – deshalb muss dieser Ausgang um alles verhindert werden. Die besten Möglichkeiten bestehen darin, die Sanktionen beizubehalten, der Ukraine weiter Munition zu liefern und die Solidarität innerhalb der EU zu stärken.