Diskuswerfer Alex lässt seiner Freude freien Lauf, nachdem er die Goldmedaille gewonnen hat. Foto: demipress, Daniela Skrzypczak

24.04.2022
Jürgen Görlich

„Nationalität spielt keine Rolle, hier sind wir alle Kameradinnen und Kameraden“

Oberstabsfeldwebel a.D. Jürgen Görlich war am Osterwochenende für die Soldaten und Veteranen Stiftung bei den Invictus Games in Den Haag. Was er dort erlebt hat, schildert er im zweiten Teil seines Berichts.

Der Montagmorgen wurde etwas verhaltener angegangen. Nach einem Frühstück mitten in Den Haag ging es dann wieder in den Zuiderpark. Nach einer Übernachtung in einem Studentenhotel fühlt man sich direkt etwas jünger. Jetzt geht es aber erstmal in die Sporthalle: Dort findet das letzte Spiel der gemischten Sitzvolleyballmannschaft statt.

Es spielt die verstärkte ukrainische Mannschaft gegen Kanada. Auf der rechten Seite alles rot, die Fans, Freunde und Verwandten der Kanadier feuern lautstark ihre Mannschaft an. Und auf der gegenüberliegenden Seite sind ukrainische, deutsche, italienische und amerikanische Fahnen, Hüte, Bänder und Trikots zu sehen.

Das Spiel geht hin und her. Die Fans schreien und geben alles, um ihre Mannschaft zu unterstützen. Die Mannschaften kämpfen um jeden Ball und geben keinen Punkt verloren. Der erste Satz geht an unsere gemischte Mannschaft. Der zweite Satz geht danach an die Kanadier. Jetzt musste der dritte Satz entscheiden.

Aber wer genau hinschaut sieht noch was anderes: Nämlich Freude und Unbefangenheit für einige Minuten. Vergessen ist der Krieg, verdrängt, was nächste Woche wieder ist – es ist ein kurzzeitiges Abschalten von Leid und Verlust.

Es geht mir dabei durch und durch. Hier spielt Nationalität keine Rolle, hier sind wir alle Kameradinnen und Kameraden.

Beim Gruppenfoto stehen alle gemeinsam vor einem Plakat, auf dem eine Frau mit dem Namen Taira zu sehen ist. Es ist die Mutter einer ukrainischen Teilnehmerin, die wie sie Soldatin ist und von den Russen bei Mariupol gefangengenommen und abtransportiert wurde. „#SaveTaira“ – unter diesem Hashtag wird zur Freilassung der Ukrainerin aufgerufen, die eigentlich an den Invictus Games in Den Haag hätte teilnehmen sollen. Danke, dass ihr uns darauf aufmerksam gemacht habt.

Ach ja, der dritte Satz: Er war der Höhepunkt und wurde von unserer Mannschaft gewonnen. Freude pur, alle liegen sich in den Armen, es wird gejubelt, geschrien und geweint. Was für ein emotionaler Moment. Was soll das noch übertreffen.

Nachdem ich etwas runtergekommen bin, treffe ich unseren Organisator vom Förderverein, Oberstleutnant Stephan Wüsthoff. Der FUAV hat den Transport organisiert, Karten besorgt, Fanartikel bereitgestellt und betreut. Dieser Verein ist einfach spitze. Danke Stephan, Dir und deinem gesamten Team.

Und dann wird aus dem Gespräch plötzlich noch ein Shooting für das Projekt „Gesichter des Lebens“. Herzlich willkommen am großen Tisch, Stephan.

Dann wurden die Emotionen vom Sitzvolleyball dich noch übertroffen. Um 16:45 Uhr sind wir im Stadion. Alle Deutschen finden sich an der Wurfanlage ein. Es ist Diskuswerfen angesagt, Kamerad Alexander geht für das deutsche Team an den Start. Wieder diese Unterstützung und wieder diese Anfeuerung. Alexander wirft konstant um und über die 30 Meter.

Bis auf einen blinden Iraker ist niemand nur annähernd in der Lage die Weiten von Alex zu erreichen. Zu sehen wie der irakische Kamerad wirft, ist Gänsehaut pur. Aber dass Alex fast 32 Meter schafft, ist die Krönung: GOLD für Alexander - GOLD für das Team - GOLD für Deutschland. Das übertrifft alles. Es tut einfach nur gut zu sehen, wie sich alle über diesen Erfolg freuen. Und wenn man bedenkt, welchen Weg Alex hinter sich hatte, kann man diese Leistung nur bewundern.

Alex ist nicht nur Sportler mit Leib und Seele, sondern auch ein starker Motivator und Mentor für die anderen Mannschaftmitglieder beim Diskuswerfen, Vocko und Marc. Während sie ihre Würfe absolvierten, feuerte er sie vom Spielfeld mit an, gab Mut und Tipps zur Technik. Er strahlt Vertrauen und Selbstsicherheit aus – das steckt an und das ganze Team profitiert davon.

Bevor es dann aber nach Hause ging, übergab Alexandra Risnes an den Teamleiter und Kommandeur der Sportschule der Bundeswehr, Oberst Rüdiger Jorasch, 17 gelbe Bänder voller Unterschriften. Bürgerinnen und Bürger aus ganz Deutschland haben darauf Grüße an die Sportler geschickt – eine tolle Geste.

Danach heißt es aber Abschied nehmen von Den Haag und den Invictus Games 2022. Es geht zum Bus und zurück nach Köln, leider. Ich hätte zu gern noch von den restlichen Tagen berichtet. Unterwegs im Bus lasse ich noch die Gedanken kreisen. Dankbar bin ich unserem Vorsitzenden Hauptmann Uwe Köpsel, der schon sehr früh Kontakt zum deutschen Team der Invictus Games aufgenommen, das Projekt „Gesichter des Lebens“ tatkräftig unterstützt und meine Fahrt nach Den Haag ermöglicht hat.

Jetzt geht der Blick nach vorne, noch nicht nach Düsseldorf im September kommenden Jahres, sondern erst mal auf den 9. Mai, und zwar zum Zentrum Innere Führung der Bundeswehr. Der Kommandeur, Generalmajor André Bodemann ermöglicht dort mit der SVS eine „Gesichter des Lebens“-Vernissage der Sportler der Invictus Games 22, fotografiert von Daniela Skrzypcak – eine großartige Idee. Wer die Bilder sehen möchte: Sie werden dort mindestens vier Wochen ausgestellt.

Wer die SVS unterstützen möchte, findet hier die Gelegenheit.

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