30.09.2015

Wüstner: Stabilität der Region muss gewahrt werden – für lange Analysen keine Zeit!

Berlin. Vor zwei Jahren sah alles noch ganz gut aus: Die Bundeswehr räumte ihr Feldlager in der nordafghanischen Provinzhauptstadt Kundus, die Afghanen übernahmen die Verantwortung. Und auch vor wenigen Tagen lasen die Abgeordneten in Berlin noch in der Unterrichtung des Parlamentes: "Die Sicherheitslage in der Provinz Kundus ist in den urbanen Gebieten und entlang der Hauptverbindungsstrassen ausreichend kontrollierbar."

Am Wochenende kamen dann die bitteren Nachrichten: Die Taliban haben Kundus angegriffen – am Montag haben sie die Stadt dann eingenommen. Die afghanische Armee zieht nun tausende Soldaten zusammen und will die Stadt zurück erobern. Der Bundesvorsitzende Oberstleutnant André Wüstner: „Kundus ist ein besonderer Ort: Nirgendwo hat die Bundeswehr so viele Männer verloren, nirgendwo hat sie so hart gekämpft. Deswegen trägt die Truppe schwer an der stetigen Verschlechterung der Sicherheitslage.“

Insgesamt sind die Angriffe auf Kundus ein klares Indiz dafür, wie instabil die gesamte Region dort geworden ist. Mit Blick auf die dürftigen Einlassungen der zuständigen Sprecher in der Regierungspressekonferenz sagte Wüstner: „Das war ein Armutszeugnis. Ich möchte nicht glauben, dass AA, BMZ und BMVg kein deutlicheres Lagebild hatten. Es darf nicht sein, dass wir von solchen Entwicklungen überrascht werden!“

Der Blick nach Syrien oder Libyen zeigt: Wir dürfen den Raum nicht verlieren. Der Westen kann kein Macht-Vakuum zulassen, das dann wie in anderen Regionen vom IS gefüllt wird. Das ist von enormer Bedeutung für die Stabilität, auch was das Nachbarland Pakistan angeht - von einer dann zunehmenden Zahl von Flüchtlingen erst gar nicht zu sprechen. Hier sieht Wüstner die internationale Staatengemeinschaft gefordert: „Wenn der Weg dahin auch der verstärkte Einsatz von Militär ist, dann muss die Staatengemeinschaft eben wieder mehr Streitkräfte einsetzen. Und wenn das bedeutet, dass Deutschland auch wieder mehr Soldaten einsetzt, dann ist das so! Es fehlt schlicht am politischen Willen. Das zeigt auch die aktuell mit Bezug zum Auftrag zu gering angesetzte Mandatsobergrenze mit 850 Mann. Insgesamt bleibt es aber bei der Kernaussage: Mit Militär gewinnt man lediglich Zeit, Politik muss für Lösungen sorgen."

Die Entscheidung über das "Wie weiter in Afghanistan" kann nicht erst Ende Herbst getroffen werden - für lange Analysen haben wir keine Zeit. Der DBwV erwartet, dass die beteiligten Ressorts schnell zu einer Lagefeststellung und Lösungsansätzen kommen. In der Zwischenzeit muss einerseits der Schutz der eigenen Kräfte im Raum erhöht werden, unter anderem durch die Verstärkung der Nachrichtengewinnung und Aufklärung, andererseits muss geprüft werden, wie die afghanischen Streitkräfte besser unterstützt werden können. Wüstner: „Jetzt muss mit den Nachbarn Afghanistans, insbesondere Pakistan, erörtert werden, wie man gemeinsam eine weitere Destabilisierung der Region verhindert. Wenn die Staatengemeinschaft diesen Einsatz fallen lässt, hätte das für die Region, aber auch für die Moral der Truppe unschätzbare Auswirkungen!“

Besonders befremdlich ist für den DBwV die Tatsache, dass die Regierung bisher lediglich durch Verteidigungsministerin von der Leyen Erklärungsversuche unternommen hat - vom AA oder BMZ erfolgte bisher keine Stellungnahme. "Von ganzheitlicher Verantwortung im Sinne der vernetzten Sicherheit fehlt da jede Spur", so der DBwV-Chef.

 

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