Steinmeier möchte gerne der "Anti-Trump" sein
Er twittert nicht, ist der geborene Diplomat, gründet Entscheidungen auf jahrzehntelange politische Erfahrung. Er ist all das nicht, was Donald Trump ist. Und genau das wird Frank-Walter Steinmeier bei einer Wahl zum Bundespräsidenten zum Programm machen.
Berlin. Eines wird Frank-Walter Steinmeierganz sicher nicht tun, wenn er am Sonntag zum Bundespräsidenten gewählt wird: Er wird nicht als eine seiner ersten Amtshandlungen einen Tweet zu seinen Plänen als Staatsoberhaupt absetzen. Der 61-Jährige ist bei Twitter gar nicht angemeldet und war es auch noch nie. Er ist auch nicht der Typ, der seine Botschaften in 140 Zeichen formuliert - im Gegensatz zu US-Präsident Donald Trump.
"Ich möchte als Bundespräsident so etwas sein wie ein Gegengewicht zur Tendenz der grenzenlosen Vereinfachung", sagt Steinmeier. Nicht nur das. Respekt füreinander, Stärkung der Demokratie, Blick über den Tellerrand, Toleranz und Zusammenhalt - alles was Steinmeier auf seiner Bewerbungstour durch ganz Deutschland in den letzten Wochen von sich gab, klingt wie ein Gegenprogramm zu Trump und zu den europäischen Populisten. "Deren Geschrei hat mit Stärke, nach der sie suchen, überhaupt nichts zu tun", sagt er.
Zumindest was den Stil angeht, muss sich Steinmeier mit diesem Ansatz gar nicht großartig umstellen. Er war auch als Außenminister präsidial. Kaum ein Politiker hat sich so viel Respekt über die Parteigrenzen hinweg erarbeitet. Und er hat damit in der Bevölkerung eine Beliebtheit erlangt, wie kein anderer.
Beides kann er in seinem neuen Job gut nutzen. Man kann davon ausgehen, dass er sich sehr intensiv um das Thema Demokratie kümmern wird. "Was ist der Kitt, der eine Gesellschaft jenseits aller Trennlinien zusammenhält? Das ist die Überlebensfrage der Demokratie", sagt er. Auf diese Frage müsse eine Antwort gefunden werden.
Steinmeier will daran mitarbeiten, dass die Menschen das Vertrauen in die Demokratie zurückgewinnen oder es festigen. "Ich will ein Mutmacher sein, denn ich bin fest davon überzeugt: Demokratie verträgt keine Resignation", sagt er.
Und was ist mit der Außenpolitik? Steinmeier hat sich nur schweren Herzens vom Auswärtigen Amt getrennt. Insgesamt sieben Jahre stand er an der Spitze des Ministeriums - und galt den Mitarbeitern als idealtypischer Chefdiplomat.
Man kann davon ausgehen, dass er auch auf diesem Feld weiter seine Akzente setzen wird. Aber vielleicht nicht gleich als erstes. Steinmeier wird nicht in den Verdacht geraten wollen, nicht loslassen zu können. Bei seinem Abschied aus dem Auswärtigen Amt versprach er dennoch: "Die gute Nachricht jedenfalls ist: Sollte ich von der Bundesversammlung gewählt werden, bleibe ich auch im neuen Amt dem Auswärtigen Amt verbunden - auch, aber gewiss nicht nur der Protokoll-Abteilung."
Washington wird nicht Steinmeiers erstes Ziel
Die Protokoll-Abteilung ist unter anderem für die Organisation von Auslandsreisen zuständig. Man kann gespannt sein, welches Ziel sich Steinmeier als erstes aussucht. Aber auch dabei dürfte eines sicher sein: Er wird nicht als erstes US-Präsident Trump im Weißen Haus besuchen.
An dem Immobilien-Milliardär und politischen Quereinsteiger hat sich Steinmeier schon während des US-Wahlkampfs abgearbeitet und sich zu einem seiner ganz wenigen undiplomatischen Ausreißer verleiten lassen. Auf einer SPD-Veranstaltung nannte er Trump einen "Hassprediger" - in der Hoffnung, dass dieser nie Präsident werden würde.
Steinmeier hat sich getäuscht. Jetzt ist er in einer Position auf Augenhöhe mit Trump und müsste bei einem Staatsbesuch in den USA von ihm empfangen werden - und umgekehrt. Wann auch immer dieses Treffen stattfinden sollte, es wird sicher eines der interessantesten in Steinmeiers Amtszeit werden.