Finanzminister Wolfgang Schäuble (l.) und der Bundesvorsitzende Oberstleutnant André Wüstner bei einem Treffen im Jahr 2015 Foto: Joerg Rueger

Finanzminister Wolfgang Schäuble (l.) und der Bundesvorsitzende Oberstleutnant André Wüstner bei einem Treffen im Jahr 2015 Foto: Joerg Rueger

20.02.2017

Schäuble: „Weiter auf Zwei-Prozent-Vorgabe zubewegen“

Berlin. In diesen Tagen ist es das Thema Nummer eins unter Sicherheitspolitikern, und es bestimmte auch weite Teile der Diskussionen auf der Münchner Sicherheitskonferenz: das Zwei-Prozent-Ziel. Seit der neue US-Präsident Donald Trump immer wieder auf die Einhaltung der Regelung pocht, wonach jedes Mitgliedsland der Nato zwei Prozent seines BIP für Verteidigung ausgeben soll, wird in Europa heiß diskutiert. Deutschland kommt derzeit auf etwa 1,2 Prozent. Müssen die Ausgaben für Verteidigung also angehoben werden? Und wäre das überhaupt finanzierbar? "Die Bundeswehr" hat bei Finanzminister Wolfgang Schäuble nachgefragt. Das Interview erscheint auch in der März-Ausgabe.

Herr Minister, seit Mitte der Neunzigerjahre ist auch unter Verantwortung der Unionsparteien im großen Stil Personal bei Polizei und Bundeswehr abgebaut worden. Ist die CDU immer noch die Partei der inneren und äußeren Sicherheit, als die sie sich gerne beschreibt?


Wolfgang Schäuble: Ein klares Ja. Sicherheit zu gewährleisten gehört zu den Kernaufgaben des Staats. Der Staat leitet seine Legitimation bei den Bürgern ja erst daraus ab, dass er ihnen Schutz vor äußeren und inneren Bedrohungen bietet. Wenn wie aktuell die Bedrohungen zunehmen, müssen wir natürlich darauf reagieren und unsere Sicherheitsorgane entsprechend ausstatten.

Das machen wir und das hat für mich oberste Priorität. Die Bundesverteidigungsministerin und der Bundesinnenminister können sich darauf verlassen, dass ihre Haushaltsansätze wie schon in den vergangen Jahren auch in Zukunft weiter erhöht werden. CDU und CSU haben sich im Unterschied zu anderen Parteien, die das Thema gerade erst entdecken, schon immer zu einer gut ausgerüsteten Bundeswehr und einer starken Polizei bekannt. Parteienforscher nennen so etwas wohl Markenkern.

Nach den Anschlägen von Paris hatten Sie einen Einsatz der Bundeswehr im Innern in Erwägung gezogen. Hat Sie der Anschlag vom Breitscheidplatz in dieser Auffassung bestärkt?

Sie können in Ihren Archiven weiter zurückgehen als zu den verheerenden Anschlägen von Paris. Ich habe mich schon als Bundesinnenminister für einen Einsatz der Bundeswehr im Innern ausgesprochen. Deutschland ist weltweit eines der wenigen Länder, in denen die Streitkräfte bei schweren terroristischen Anschlägen nicht zur Unterstützung hinzugerufen werden können.

Man kann dies als Vorsichtsmaßnahme aus den schrecklichen Erfahrungen aus der Nazi-Zeit begreifen. Ich würde aber entgegnen, dass Deutschland inzwischen eine gefestigte Demokratie ist. Ich sehe nicht, dass ein neuer „Staat im Staate“ droht, wenn wir der Bundeswehr in begrenzten Ausnahmefällen neue Kompetenzen im Innern geben. Manchmal können wir als Deutschland vielleicht auch von anderen Staaten lernen.

Unsere Bündnispartner in der Nato, allen voran der neue US-Präsident Donald Trump, verlangen größere Investitionen von uns. Nach dem 50. Finanzplan fallen unsere Verteidigungsausgaben aber wieder von 1,22 auf 1,17 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt. Das ist kein gutes Signal in Richtung Nato, zudem benötigt die Bundeswehr wegen des von der Verteidigungsministerin beschriebenen Modernisierungsstaus dringend mehr Geld. Können wir damit rechnen, dass der Finanzplan für den EPL 14 weiter steigt, damit wir dem Zwei-Prozent-Ziel näher kommen, zu dem sich ja auch die Kanzlerin bekannt hat?

Ihre Zahlen sind nicht mehr ganz aktuell. Wir sind gerade mitten im Haushaltsaufstellungsprozess für den Haushalt 2018 und den Finanzplan bis 2021. Ich habe wiederholt meine Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, den Verteidigungsetat besser auszustatten. Allein für das Jahr 2017 haben wir die Ausgabenansätze des Verteidigungsministeriums gegenüber 2016 um 2,7 Milliarden Euro bezeihungsweise 7,9 Prozent gesteigert. Die sogenannte Nato-Quote haben wir von 1,18 auf 1,23 Prozent angehoben.

Nun müssen wir uns weiter Schritt für Schritt in Richtung auf die Zwei-Prozent-Vorgabe zubewegen. Das geht nicht innerhalb von einem Jahr. Sie wissen um die langen Vorläufe bei Rüstungsprojekten. Und natürlich muss das Ausgabevolumen zu den sicherheits- und verteidigungspolitischen Erfordernissen passen. In der Sprache der Ökonomen: Es kommt nicht nur auf den Input, sondern auch auf den Output an.  

Die EU will zukünftig die Ausgaben ihrer Mitgliedsstaaten für Verteidigung besser und effizienter bündeln. Werden finanzielle Gründe über kurz oder lang zu einer europäischen Armee führen?

Wir sollten die Debatte nicht auf finanzielle Aspekte verkürzen. Die Menschen erwarten jetzt zurecht, dass die EU vor allem dort liefert, wo die Nationalstaaten allein nicht weiterkommen. Wenn wir uns die aktuellen Krisen und Herausforderungen ansehen, versteht jeder, dass eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Sinn macht. Allein bringt kein europäischer Staat genügend Gewicht mit.

Deshalb sind weitere Integrationsschritte im Bereich der europäischen Verteidigung richtig und wichtig. Kürzlich hat die Europäische Kommission ein Pilotprogramm für militärische Forschung auf europäischer Ebene angestoßen. Außerdem schlägt sie einen gemeinsamen europäischen Verteidigungsfonds vor. Sie sehen, es geht in die richtige Richtung. Von dem Ziel einer europäischen Armee sind wir aber noch ein ganzes Stück entfernt.

Der neue US-Präsident sorgt international für Verunsicherung mit seinen ersten Äußerungen und Handlungen. Wo sehen Sie Gefahren für die deutsche Wirtschaft? Wo für die europäische Sicherheitsarchitektur?


Wir alle wissen, wie wichtig ein freier Welthandel für den Wohlstand weltweit und insbesondere für eine Exportnation wie Deutschland ist. Für uns ist die internationale Zusammenarbeit Staatsräson. Ich denke aber auch, dass wir uns von Ankündigungen nicht verrückt machen lassen sollten.

Müssen die Europäer ihre Sicherheit verstärkt in die eigenen Hände nehmen?


Ja, das galt aber schon vor Trump. Europa muss jetzt erwachsen werden und mehr Verantwortung übernehmen. Wir können uns nicht mehr damit zufrieden geben, vor allem auf die Vereinigten Staaten zu schauen. Das wird große Anstrengungen erfordern.

Die britische Premierministerin May will den „harten Brexit“, Präsident Trump sieht den Zerfall der EU voraus. Zugegeben: Einzelne Risse sind erkennbar, zudem stehen wichtige Wahlen in Frankreich oder den Niederlanden an, wo radikale Parteien auf dem Vormarsch sind. Wie bewahren Sie sich Ihre Zuversicht, wie wollen Sie vermeiden, dass Europa im Zuge dieses Prozesses ernsthaft Schaden nimmt?

Wir stehen vor großen Herausforderungen, ohne Frage. Aber ist unsere Situation wirklich so düster und einzigartig, wie sie einige jetzt ausmalen? Wir haben doch auch in der jüngeren Geschichte schwierige Zeiten gemeistert, wie die Kuba-Krise und den Mauerbau. Ich sehe deshalb in einer Krise immer auch eine Chance. Wirkliche Veränderungen und Fortschritt gibt es oft erst dann, wenn der Status quo nicht mehr zu halten ist.

Der Brexit hat gezeigt, dass viele Menschen unzufrieden sind mit der Europäischen Union – und zwar nicht nur in Großbritannien. Deshalb müssen wir die aktuelle Lage nutzen, um Europa handlungsfähiger zu machen, um Europa näher an die Menschen zu bringen. Das Ergebnis ist dann eine bessere, eine stärkere EU.


Rechnen Sie mit Blick auf die Bundestagswahl mit Einmischung oder Manipulationen durch Social Bots oder sogar durch ausländische Geheimdienste?

Durch den Wahlkampf in den USA konnten wir lernen, wie Kommunikation über Social Bots funktioniert. Auch einen Cyberangriff kann man natürlich nie ausschließen. Wir müssen Wege finden, damit umzugehen. Deswegen werden wir uns auch im Rahmen unserer G20-Präsidentschaft mit dem Thema Cybersicherheit beschäftigen.

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