Mehr als 40 Teilnehmer nahmen an der Tagung in Berlin teil Foto: DBwV/Scheurer

Mehr als 40 Teilnehmer nahmen an der Tagung in Berlin teil Foto: DBwV/Scheurer

19.12.2018

Realitäts-Check ohne Schnörkel: Mannschaftstagung des DBwV

Hört man sich hinter verschlossenen Türen einmal unter den Soldaten mit Mannschaftsdienstgraden – „Mannschafter“ – um, bekommt man die immer gleichen Klagen zu hören: „Mit uns redet ja keiner“ oder „die entscheiden wieder über unsere Köpfe hinweg“, heißt es dann schnell. Da hat sich einiges an Ärger aufgestaut, der in vielen Bereichen auch verständlich ist.

Dass es auch anders laufen kann, zeigt der Deutsche BundeswehrVerband. Er bindet Mannschaften ein, wo und wann immer es möglich ist. Jüngst erneut in Form einer zweitägigen Tagung mit Mannschaftsdienstgraden, die im Dezember unter der Leitung des Stellvertreters des Bundesvorsitzenden, Oberstabsfeldwebel a.D. Jürgen Görlich, in Berlin stattfand. Weit über 40 Teilnehmer aus allen Landesverbänden und Organisationsbereichen diskutierten die drängendsten Probleme und Fragen der „Mannschafter“.

Wenn Mannschaften ohne formale Qualifizierung ausbilden beziehungsweise führen und es kommt zu Unfällen, wie ist man dann abgesichert? Soll es auch den untersten Dienstgraden ermöglicht werden, Berufssoldat (BS) zu werden? Wie gestaltet man den Übergang ins zivile Arbeitsleben? Ist es sinnvoll, einen neuen Dienstgrad, den Korporal, einzuführen – oder muss man das System der SaZ am Ende nicht sogar völlig neu durchdenken? Und wie wirkt sich der Fachkräftemangel auf die Nachwuchsgewinnung der Bundeswehr aus, oder anders: Ist die Bundeswehr in allen Laufbahn- und Statusgruppen noch konkurrenzfähig?

Stellung dazu bezog auch ein ganz prominenter Gast: Generalinspekteur Eberhard Zorn. Er machte schnell deutlich, welche Bedeutung er den Mannschaften beimisst. Doch bevor er in den intensiven Austausch einstieg, gab er einen Überblick zur Lage der Bundeswehr, den Herausforderungen durch die Gleichrangigkeit von Landes- und Bündnisverteidigung sowie zum internationalen Krisen- und Konfliktmanagement. „Konzeptionell und haushälterisch sind wir gut aufgestellt, wir wissen, wo wir hinwollen“, so Zorn.

Er mahnte jedoch an, dass es für einen geordneten Aufwuchs dringend Kontinuität brauche – auch im Haushalt, was im Endeffekt einen weiter steigenden Einzelplan 14 bedeute. Den technischen Zustand der Bundeswehr sieht Zorn allerdings recht kritisch. Er beschrieb dabei zwei große Problemfelder: die schleppende Versorgung mit Ersatzteilen und Kinderkrankheiten bei Neuanschaffungen. Hier müsse die Bundeswehr schnell besser werden und daher sei es gut, dass zumindest die Agenda Nutzung Fahrt aufgenommen habe und die Verbesserung der persönlichen Ausstattung der Soldaten im Fokus der Ministerin sei.

Zorn machte allerdings auch schnell deutlich, dass es mit einem Hauptanliegen einiger Mannschaften – der Übernahme als Berufssoldat in die Laufbahn der Mannschaften – nichts werden wird. „Wir wollen Anreize setzen, damit gut qualifizierte Mannschaftsdienstgrade in eine höhere Laufbahn wechseln“, sagte General Zorn. Dieser mögliche Aufstieg, der mit einer Qualifizierung und persönlichen Weiterentwicklung verbunden sei, biete deutlich attraktivere Perspektiven. Insbesondere mit Blick auf eine möglichst altersgerechte Personalentwicklung. Dafür zeigte sich General Zorn aber offen für eine andere Forderung: der Öffnung vieler Lehrgänge für die Mannschaftsdienstgrade. Welche Lehrgänge dafür geeignet seien, würde derzeit im Zuge der Agenda Ausbildung untersucht.

Ähnlich konkret wurde der Generalinspekteur auch beim dritten großen Thema: den geplanten neuen Dienstgraden. „Der Korporal kommt“, machte Zorn deutlich und sah sich danach einigem Widerstand aus dem Plenum ausgesetzt. Teilnehmer monierten, dass diese Entscheidung „von oben“ durchgedrückt werde, obwohl selbst manch ein Betroffener strikt dagegen sei. Klar sei, dass man bei so einem Thema nicht immer alle überzeugen könne, so der Generalinspekteur. Aber: „Der GVPA sowie alle Organisationsbereiche waren in die Maßnahme (Stabs-)Korporale bislang immer eng eingebunden“, sagte Zorn.

Dies werde selbstverständlich auch für die Zukunft gelten. Der Korporal werde zudem die Laufbahn der Mannschaften Truppendienst positiv weiterentwickeln. Das Leistungsprinzip werde wieder gestärkt und herausgehobene Aufgaben sichtbar gemacht. In der folgenden Diskussion wurde deutlich, dass dafür noch eine Menge Überzeugungsarbeit geleistet werden muss – insbesondere, was die Attraktivität für einen Übergang in die Laufbahn der Unteroffiziere anbelangt. „Ich habe großen Respekt vor dem, was mancher Feldwebeldienstgrad in der Bundeswehr leistet und welche Verantwortung er zu tragen hat. Aber im Ernst, weshalb soll ich das wollen? Ohne BS-Zusage, ohne regionalisierten Verwendungsaufbau ,lost in Germany’ und dann gegebenenfalls in einer Mangel-AVR ständig im Einsatz? Für wenige Euro mehr im Geldbeutel? Nein, danke“, so ein Oberstabsgefreiter.

Aber auch über andere Positionen, Maßnahmen und Ideen, von der Personalgewinnung und -bindung bis zu Betreuung und Fürsorge, wurde gesprochen. Zorn zeigte sich offen für Vorschläge aus dem Plenum. So brachten die Teilnehmer beispielsweise die Bitte vor, dass die Personalführung künftig proaktiv besondere berufliche Kenntnisse der Mannschaftssoldaten abfragen soll, um Interessenten an einem Laufbahnwechsel gute Perspektiven aufzuzeigen. Der Generalinspekteur war angesichts solch konstruktiver Vorschläge dankbar: „Das hier ist für mich der Resonanzraum, der Abgleich und der Impuls von unten.“ Die Truppe habe gute Ideen und merke am ehesten, wenn etwas schieflaufe.

Zuvor hatte der DBwV-Bundesvorsitzende, Oberstleutnant André Wüstner, zu den Teilnehmern gesprochen. Er rief dazu auf, sich noch stärker in die Verbandsarbeit einzubringen. „Es kommt bei uns nicht auf den Dienstgrad an, sondern auf gute Ideen. Bringen Sie sich weiter ein und animieren Sie Ihre Kameradinnen und Kameraden“, so Wüstner. Der Verband lebe von Menschen, die tatsächlich mitarbeiten, anstatt nur mitreden wollen.

Der DBwV wird die verbandspolitischen Ziele seiner Mitglieder unbeirrt verfolgen und dabei auch die Modernisierung der Mannschaftslaufbahn weiter kritisch und konstruktiv begleiten. Schließlich sei Letzteres nicht zuletzt Beschlusslage der 20. Hauptversammlung, wie der Fachbereichsvorsitzende Besoldung/ Laufbahn/ Haus­haltsrecht, Oberstleutnant i.G. Detlef Buch, verdeutlichte. Der nächste Meilenstein könnte die Etablierung einer dauerhaften Arbeitsgruppe sein. Darüber hinaus hat der DBwV mit dem „BS-Vario“ ein neues Konzept entwickelt, dass das aus Zeiten der Wehrpflicht stammende Modell der Zeit- und Berufssoldaten auf zukunftsfähige Füße stellen würde.

Der diesbezügliche Vortrag von Major d.R. Christian Sieh, Justitiar im DBwV, überzeugte die Anwesenden vollumfänglich.
Insgesamt erlebten alle eine erneut erstklassige Tagung im neuen Gebäude des DBwV. Menschen einbinden, Ideen und Vorschläge dienstgrad- und statusgruppenübergreifend mit Blick in die Lebenswirklichkeit der Betroffenen erarbeiten – Realität im Deutschen BundeswehrVerband. „Ich bin wirklich begeistert und hätte diesen offenen und konstruktiven Austausch nicht erwartet. Cool, dass sich auch der Generalinspekteur viel Zeit für einen offenen Austausch nahm. Was den DBwV angeht, werde ich künftig versuchen, mich in meiner Truppenkameradschaft einzubringen“, so eine Oberstabsgefreite zum Abschluss. Auch General Zorn sprach am Ende von einem Realitäts-Check ohne Schnörkel. Somit waren sich alle einig: Das muss wiederholt werden.

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