Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fachtagung Familie und Dienst im Hof der Bundesgeschäftsstelle des DBwV. Foto: DBwV/Yann Bombeke

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fachtagung Familie und Dienst im Hof der Bundesgeschäftsstelle des DBwV. Foto: DBwV/Yann Bombeke

29.11.2024
Von Yann Bombeke

„Ohne Familie ist alles nichts“

Die Vereinbarkeit von Familie und Dienst ist ein Dauerthema in den Streitkräften – aber auch in der Zeitenwende? In Berlin hat der Deutsche BundeswehrVerband zur Tagung eingeladen.

Berlin. „Ohne Familie ist alles nichts“ – so bringt es der Stellvertreter des Bundesvorsitzenden, Stabsfeldwebel a.D. Thomas Schwappacher, gleich zur Begrüßung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die zur Tagung Familie und Dienst des DBwV nach Berlin gekommen waren, auf den Punkt. Eingeladen hatte der zuständige Mandatsträger im Bundesvorstand, Fregattenkapitän Marco Thiele. In seinen einführenden Worten betont Schwappacher den besonderen Schutz, den die Familie genießt – dieser ist auch im Grundgesetz verankert.

Doch was geschieht in Zeiten, in der „Kriegstüchtigkeit“ verlangt wird? Muss die Familie nicht, wenn es hart auf hart kommt, zurückstecken? „Einige machen es sich da in der Tat recht einfach“, sagt Schwappacher. So fordere manch einer, dass man sich doch im Sinne der „Kriegstüchtigkeit“ selber um die Familie kümmern müsse. Doch Schwappacher bleibt deutlich: „Die Bundeswehr war, ist und muss auch in Zukunft ein verlässlicher Arbeitgeber sein.“ Die Fortschritte, die man in der Vergangenheit erkämpft habe, müssten weiter Bestand haben, so der Verbands-Vize. Denn nicht nur die Einsätze, auch anderweitige monatelange Abwesenheiten seien eine Belastung für Soldatenfamilien. „Wenn wir keine vernünftige Vereinbarkeit von Familie und Dienst haben, stärkt das nicht die Einsatzbereitschaft, sondern schwächt sie“, ist Schwappacher überzeugt.

Das große Problem Kinderbetreuung

Doch wo liegen die großen Probleme? Ein Wort fällt immer wieder: Kinderbetreuung. Ein Punkt, der viele berufstätige Eltern betrifft, aber bei Bundeswehrangehörigen, wo womöglich auch noch beide Elternteile in den Streitkräften dienen, noch härter durchschlägt. Denn Betreuungseinrichtungen wie Kindertagesstätten gibt es nur an wenigen großen Bundeswehrstandorten. Dass Eingaben zum Thema Kinderbetreuung immer wieder auch die Wehrbeauftragte erreichen, bestätigt deren Referatsleiterin Ursula Werner im Gespräch.

Sicher, es gibt alternative Lösungen: Etwa das Modell Patenfamilie, das Oberstleutnant Matthias Hirschböck aus dem Amt der Beauftragten Familie und Dienst im BMVg bei der Tagung erläutert. Da erklären sich Kameraden oder Freunde bereit, die Kinder zu betreuen, wenn es in den Einsatz geht. Soldaten wussten sich schon immer selbst zu helfen, doch es braucht nachhaltigere und vor allem institutionalisierte Lösungen. Vor allem, wenn man den Ernstfall Landes- und Bündnisverteidigung bedenkt. Denn dann könnte das Problem Kinderbetreuung schnell ungeahnte Dimensionen annehmen. „Wir müssen mit den Kommunen Vereinbarungen treffen, damit im Fall der Landes- und Bündnisverteidigung eine Kinderbetreuung aufgestellt werden kann“, sagt Oberstleutnant Hirschböck.

Auf ein grundsätzliches Problem macht Fregattenkapitän Thiele aufmerksam: So gelten für Kitas unterschiedliche Rahmenbedingungen in den einzelnen Bundesländern. „Wir brauchen eine bundeswehrgemeinsame Lösung“, fordert das Bundesvorstandsmitglied.
Dass ein familienfreundliches Umfeld kein Nebenkriegsschauplatz ist, ist den Verantwortlichen in der militärischen Führung klar: So sei auch im Abschlussbericht der Task Force Personal festgehalten worden, dass die Vereinbarkeit von Familie und Dienst ein ganz wichtiger Aspekt für die Personalgewinnung und -bindung ist, so Oberstleutnant Hirschböck.

Möglichst attraktives Umfeld für Litauen

Auch bei der Aufstellung der Litauen-Brigade geht es darum, ein möglichst attraktives familiäres Umfeld zu schaffen. Schließlich sollen viele Soldatinnen und Soldaten mitziehen – und ihre Familien mitbringen, wenn sie es wünschen. Hirschböck erklärt, dass man sich für die Kinderbetreuung bereits Belegrechte bei litauischen Einrichtungen in Kaunas und Vilnius gesichert habe. Der weiterführende Plan sieht eine „Campus-Lösung“ vor, wo auch Schulunterricht möglich sein soll. Zudem sollen für die Partnerinnen und Partner Homeoffice-Möglichkeiten geschaffen werden.

Auf ein potentiell großes Problem machten die Teilnehmer aufmerksam: Was passiert, wenn es wirklich hart auf hart kommt? Im Konfliktfall wäre die Bundeswehr nur wenige Kilometer vom möglichen Kriegsschauplatz entfernt – ebenso die mitgezogenen Familienangehörigen. Wie die Familienmitglieder in einem solchen Fall in Sicherheit gebracht werden können, dafür gibt es noch keine Lösung.

Austausch mit der Politik

Wenn sich etwas verändern soll, müssen die Probleme an die Politik herangetragen werden. Aus diesem Grund lädt der DBwV immer wieder auch Fachpolitiker zu seinen Veranstaltungen ein. Auch bei der Fachtagung Familie und Dienst wird keine Ausnahme gemacht: Auf Einladung von Fregattenkapitän Thiele sind die Bundestagsabgeordneten Kerstin Vieregge (CDU), Johannes Arlt (SPD) und Nils Gründer (FDP) in die DBwV-Geschäftsstelle gekommen, um sich mit den Soldatinnen und Soldaten auszutauschen. Diese hatten zuvor in Workshops verschiedene Fragestellungen bearbeitet und nach Lösungsmöglichkeiten gesucht.

Kerstin Vieregge bestätigt aus ihren Erfahrungen von Standortbesuchern heraus, dass das Problem Kinderbetreuung am drängendsten sei. „Ich bedauere, dass ich für mich nicht sagen kann, wo wir im letzten Jahr Fortschritte gemacht haben“, sagt die Unionspolitikerin. Ideen werde man angesichts der politischen Situation nicht mehr umsetzen können, „aber wir nehmen alle Anregungen mit“, verspricht die Verteidigungspolitikerin der Tagungsrunde.

Johannes Arlt betont: „Ein Soldat ist ohne seine Familie nicht einsatzbereit.“ Das Thema Landes- und Bündnisverteidigung stelle den Bereich Familie und Dienst „vor ganz besondere Herausforderungen“. So sei es heute viel schwieriger als noch vor einigen Jahren, die unterschiedlichen Interessen übereinander zu bekommen. Auch Nils Gründer spricht von der „enormen Bedeutung“ der Familie. Der FDP-Politiker hofft, einige Ideen und konkrete Impulse aus der Tagung mitnehmen zu können.

Stimmen zur Tagung Familie und Dienst:

Magdalena Gorska: Ich freue mich, viele Kameradinnen und Kameraden wiedergesehen zu haben. Es ist gut, dass der Verband nicht müde wird, immer für das Thema Familie und Dienst zu kämpfen. Es ist gut, dass die Lageentwicklung in den Streitkräften mit eingebracht wird und auch, dass wir hier aktiv mitarbeiten können. Dafür bin ich sehr froh und dankbar. Kinderbetreuung ist nach wie vor ein Riesenthema. Gerade in der aktuellen Lage mit der Rückbesinnung auf Landes- und Bündnisverteidigung müsste in dem einen oder anderen Punkt nachgesteuert werden.

Anne Meyer: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Es gibt sicherlich viele gute Möglichkeiten, eine Vereinbarkeit von Familie und Dienst sicherzustellen, leider werden sie durch viele Vorgesetzte in der Bundeswehr nicht umgesetzt. Oft fehlt das Verständnis für verschiedene Familienkonstellationen, für verschiedene Familienmodelle. Auf alle Fälle muss der Informationsfluss von oben besser werden. Kommunikation ist aber auch generell in der Bundeswehr ein ganz großes Thema. Es muss sichergestellt werden, dass Informationen auch an der untersten Stelle der Dienststelle ankommen.

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