Nichts schönreden, aber auch keine pauschale Verurteilung!
Berlin. Der Bundesvorsitzende Oberstleutnant André Wüstner hat sich im ZDF-Morgenmagazin zur Berichterstattung über Verfehlungen am Standort Pfullendorf geäußert. "Die Vorfälle kann man nicht schönreden, keine Frage. Es ist allerdings notwendig, sie etwas differenzierter zu betrachten, als das am vergangenen Wochenende der Fall gewesen ist: In Pfullendorf haben wir es mit drei Vorgängen zu tun, die zu unterschiedlichen Zeiten, an unterschiedlichen Orten stattgefunden haben und die jetzt in einen Topf geworfen worden sind."
Wüstner weiter: "Auch wenn die Bundeswehr in puncto Fehlerkultur noch Fortschritte machen kann, die Führungskultur an sich ist gut. Auch das Zusammenspiel mit dem Wehrbeauftragten funktioniert. Nachdem im vergangenen Jahr Dienstvergehen bekannt geworden sind, gab es erste Ermittlungen und Konsequenzen. Die nun kürzlich erfolgten und gemeldeten Aufnahmerituale unter Mannschaftsdienstgraden in einer Ausbildungskompanie haben den Verdacht auf Straftaten erregt, daher wurden die Ermittlungen an die zuständige Staatsanwaltschaft abgegeben."
Der Bundesvorsitzende stellte zugleich klar: "Ich wehre mich ausdrücklich gegen jede Form von pauschaler Vorverurteilung, insbesondere wie zuletzt gegenüber der Fallschirmjägertruppe und den Spezialkräften als Ganzes! Nebenbei: Es sind gerade diese Kameradinnen und Kameraden, die meist als Erstes in gefährliche Einsatzgebiete entsandt werden und entsprechend besonders belastet sind. All diejenigen, die gerade aus der Politik wegen des angeblichen Versagens der Bundeswehr undifferenziert Stellung beziehen, sollten ihre Energie in gleicher Art und Weise einsetzen, wenn es um bessere Infrastruktur, mehr Material und Personal geht. Dort fängt Verantwortung der Politik an - und sie reicht über die Führungskultur bis hin zur Evaluierung von Einsätzen."
Wüstner verwies zudem darauf, dass in den vergangenen Jahren in den Berichten des Wehrbeauftragten die Eingaben zu Verfehlungen im Bereich der Menschenführung keinen wesentlichen Schwerpunkt mehr bildeten. "Die Situation um Pfullendorf muss die politische und militärische Führung der Bundeswehr dennoch sensibilisieren. Es sollte im Gesamtzusammenhang geprüft werden, wo systemische und strukturelle Ursachen für Fehlentwicklungen vorhanden sind. Durch die Reform der Bundeswehr haben sich beispielsweise Führungs-Spannen enorm erweitert. Mangelverwaltung und Bürokratie sind die Gründe dafür, dass Disziplinarvorgesetzte teils nur noch als Verwalter an ihrem Schreibtisch gebunden sind. Das Führen, Ausbilden und Erziehen kommt entschieden zu kurz, die negativen Auswirkungen auf Dienstaufsicht und zum Teil Vertrauensverhältnis liegen auf der Hand."
Strukturveränderungen und Einschnitte bei der Infrastruktur hätten zudem dazu geführt, dass Vorgesetzte, die älter als 25 sind, nach Dienst im Vergleich zu vor 10 Jahren meist nicht mehr in den Liegenschaften präsent seien, um die Überwachung der militärischen Ordnung zu gewährleisten. Personelle Lücken leisten ihr Übriges."
Abschließend sagte Wüstner: "Jetzt brauchen wir gute und unaufgeregte Führung sowie eine ehrliche Fehlerkultur, keinen Generalverdacht. Das ist definitiv wichtiger als beispielsweise die Einführung eines Compliance-Kodexes."
Mit Blick auf Stimmen aus der Politik sagte der Bundesvorsitzende: "Ein bisschen weniger Aufregung, aber dafür mehr Transparenz würde dem Verfahren gut tun. Sicherlich wird eine ministerielle Aufarbeitung auch unter Einbindung des Zentrums Innere Führung, des entsprechenden Beirates und des DBwV erfolgen und es wird Handlungsempfehlungen geben. Wenn aber unbedingt weiterhin pauschaliert werden muss, dann könnte man trotz manch Fehler in einer rund 250.000 Menschen großen Organisation einfach sagen: Wir vertrauen euch auch weiterhin und wir sind froh, dass ihr unserem Land dient!"
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