Mangelwirtschaft übersteigt alle Vorstellungen
Das Ausmaß der Mangelwirtschaft in der Bundeswehr wird immer deutlicher: Nach Angaben der „Bild am Sonntag“ vom 9. August hat sich das Panzergrenadierbataillon 371 aus Marienberg in Sachsen insgesamt 14.792 Ausrüstungsgegenstände bei 56 anderen Bundeswehreinheiten „ausleihen“ müssen. Aus einem dem Blatt vorliegenden, als geheim eingestuften Bericht geht hervor, dass die Bundeswehr 978 Materialanforderungen der Kampfeinheit nicht im Bestand hatte.
Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestags, kritisierte daraufhin die Missstände deutlich: „Es ist komplett inakzeptabel, wenn für rund 900 deutsche Soldaten der Nato-Eingreiftruppe fast 15.000 Ausrüstungsgegenstände im gesamten Rest der Bundeswehr zusammengeborgt werden müssen.“ Daher forderte er: „Die Ausrüstungslücken müssen schnell geschlossen werden. Sie gehen zu Lasten der Soldatinnen und Soldaten in Übung und Einsatz.“ Auch auf dem vom DBwV-Bildungswerk mitveranstalteten Maritimen Kolloquium in Rostock mahnte Bartels, dass die Bundeswehr schnellstmöglich eine 100-Prozent-Ausstattung erhalten müsse.
Am Montag (10. August) stellte daraufhin das Verteidigungsministerium klar: Die Bundeswehr habe bei der Nato-Eingreiftruppe, der sogenannten „Speerspitze“ keine Ausrüstungsprobleme. Allerdings fehle das Gerät für die Soldaten des Panzergrenadierbataillons 371 jetzt anderswo, da es vor der ersten Übung der Speerspitze der Nato von anderen Einheiten abgezogen wurde. „Es ist erklärtes Ziel, alle Großverbände des Heeres voll auszustatten, aber das geht halt nicht von heute auf morgen“, sagte ein Sprecher des Ministeriums.
Schon im Februar war bekannt geworden, dass das zur „Speerspitze“ der Nato zählende Marienberger Bataillon gravierende Ausrüstungsprobleme habe: Bei einem Manöver einige Monate zuvor hatten Soldaten des Verbands das Rohr an der Waffenanlage eines GTK „Boxer“ mit einem schwarz bemalten Besenstiel simuliert, da keine Rohre verfügbar gewesen seien. Verschiedene Medien, etwa die ARD-Politikmagazine „Kontraste“ und „Report Mainz“, berichteten über Klagen der Soldaten des Bataillons: Die Bewaffnung für den „Boxer“ sei zu „100 Prozent“ nicht vorhanden, bei den P8-Pistolen fehlten 41 Prozent, beim Maschinengewehr MG3 seien es 31 Prozent.
DBwV-Chef Oberstleutnant André Wüstner hatte angesichts dieser Misere verlangt, die Streitkräfte wieder voll auszustatten: „Für uns heißt das, die materielle Vollausstattung der Bundeswehr zu erlangen – Stückzahlobergrenzen aus der vorigen Legislatur müssen aufgehoben werden! Das beginnt bei den Waffensystemen und reicht bis zur persönlichen Ausstattung des einzelnen Soldaten. Keine Frage: Um die volle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zu erreichen, müssen wir in den nächsten Jahren den Verteidigungshaushalt schrittweise erhöhen. Andernfalls riskieren wir, das gerade erst wiedererlangte Vertrauen unserer Verbündeten zu verlieren.“
Fazit: Von einer Vollausstattung ist die Bundeswehr nach wie vor weit entfernt. Deshalb macht der BundeswehrVerband weiter Druck.