Höhere Attraktivität noch nicht in Sicht
Seit 1. Januar dieses Jahres gilt sie in unserer Marine: die Soldatenarbeitszeitverordnung (SAZV). Entgegen erster Annahmen ist die Welt nicht untergegangen. Von einem reibungslosen Betrieb sind wir trotzdem noch einige Schiffslängen entfernt. Momentan wird der Gesundheitsschutz – das eigentliche Ziel einer jeden Arbeitszeitverordnung – eher nicht mit der SAZV in Verbindung gebracht. In der Marine fallen unseren Kameraden eher Kommentare zur aufwändigen Dokumentation, zur Kreativität mancher Vorgesetzter in der Umgehung und natürlich zum Freiziehen der Schiffe ein. Auf die Wiedergabe dieser Kommentare verzichten wir an dieser Stelle aus Gründen der Höflichkeit. Im Ernst: Die SAZV wird aktuell eher als störend wahrgenommen. Umso wichtiger ist die jetzt stattfindende Evaluation. Staatssekretär Gerd Hoofe hat diese bereits zur Jahresmitte angewiesen, die Teilstreitkräfte haben geliefert beziehungsweise sind noch dabei. Aber natürlich haben auch wir im Rahmen unserer Besuche in der Marine schon das eine oder andere erfahren.
Zusätzliche Ausnahmetatbestände?
Manche Vorgesetzte wünschen sich zusätzliche Ausnahmetatbestände, um ihren Dienstbetrieb wie gehabt aufrecht erhalten zu können. Sicher, es mag Situationen geben, die zu hinterfragen sind, in der eine Erweiterung der Ausnahme die einzige Lösung ist. Aber wir sind uns sicher, dass die meisten Probleme im Grundbetrieb ablauforganisatorisch zu lösen sind. Sollte für eine vorgegebene Tätigkeit die Zeit nicht ausreichen, muss man sich als erstes fragen, ob genügend Personal vorhanden ist oder der Auftrag nicht zu weit gefasst ist. Die Aussage: „Ich muss Überstunden befehlen, sonst kann ich den Auftrag nicht erfüllen“, mag im Übergang hingenommen werden. Aber sie kann nicht die Begründung für das Erstellen eines weiteren Ausnahmetatbestands sein!
Natürlich kommt zusätzliches Personal nicht von heute auf morgen, ebenso wenig kann die Umschichtung von Aufträgen mal eben so erledigt werden. Aber solche Situationen sind genau die, die im Rahmen der Evaluation aufgedeckt werden müssen. Die Marineunteroffizierschule in Plön hat bereits begonnen, Konsequenzen aus der SAZV in der Ablauforganisation zu ziehen.
Unterkünfte in Seemannsheimen
Die typischen Problemfälle der SAZV in der Marine sind natürlich das Freiziehen der Schiffe und die sich daraus vor allem für die nicht zum Wohnen in der Gemeinschaftsunterkunft verpflichteten Soldaten ergebenden Änderungen. Neben den Schwierigkeiten beim Aufstellen der Betriebsunterstützungsgruppe (BUGS) für die freigezogenen Schiffe gilt es hier, vor allem im Rahmen der Fürsorge preiswerten und kurzfristig zur Verfügung stehenden Wohnraum für die Besatzungsmitglieder zu schaffen. Unter dem Stichwort „Seemannsheim“ hat der Vorstand Marine gemeinsam mit dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestags, Hans-Peter Bartels, dieses Thema kontinuierlich in den politischen Bereich bewegt. Zu Beginn mit mäßigem Erfolg – überall in der Bundeswehr wurde entweder die Nicht-Zuständigkeit erklärt oder es kam die Aussage, dass der Bund gar nicht als Vermieter auftreten dürfe. Mittlerweile scheinen erste Hoffnungsschimmer am Horizont auf. In Wilhelmshaven ist die Kaserne Ebkeriege an den Bund zurückgegeben worden und kann für Besatzungen als Wohnraum genutzt werden. Inwieweit in Zukunft alle ehemaligen Bewohner der Schiffe diese nutzen können, ist noch offen. Aber hierbei kann es sich nur um eine erste Möglichkeit handeln. Das Thema Seemannsheim ist aus unserer Sicht nur ein Ansatz für Pendlerunterkünfte, die wir dringend benötigen.
Kreativität an der Grenze zum Missbrauch
Neben diesem sehr prominenten Thema gibt es aber noch weitere Punkte, die im Rahmen der Einführung der SAZV in der Marine aufgefallen sind. Leider gehört dazu auch die Kreativität beim Umgehen der zeitlichen Vorgaben. Einen notwendigen Spätdienst als zeitliche Belastung zu umgehen, indem man zwischen 16 und 21 Uhr „frei“ machte und dann neu den Dienst ansetzte, scheiterte dankenswerterweise am aufmerksamen örtlichen Personalrat. Für alle Tagespendler hätte sich die Heimfahrt in diesem kurzen Zeitraum nicht gelohnt und sie hätten ihre Freizeit in der Kaserne verbringen dürfen. Soll für notwendige Nachtausbildung Arbeitszeit eingespart werden, kann man beispielsweise den Dienst auch später am Tag beginnen. Es gibt noch ausreichend weitere Beispiele in der Marine, aber aufmerksame Beteiligungsgremien und kritische Kameraden haben den Missbrauch bisher vermeiden können.
Planbarkeit gefordert
Die SAZV ist aber nur ein Baustein der Attraktivitätsagenda. Neben den viel zitierten Flachbildfernsehern und Kühlschränken gehört für die Soldaten der Marine auch Planbarkeit dazu. Planbarkeit des Dienstes und damit der Freizeit, des Jahresurlaubs und so weiter. Unsere Soldaten fahren gerne zur See, es ist für sie o.k., auch länger unterwegs zu sein. Aber kurzfristige Änderungen zu Lasten des Privatlebens, zu Lasten der Familie werden nicht akzeptiert. Zu Zeiten von über 200 Schiffen und Booten war es noch möglich, mal eben eine andere Einheit loszuschicken. Aber das geht heute nicht mehr, jedenfalls nicht, ohne unsere Kameraden zu verärgern! Auch durchaus innovative Ideen, wie in Wilhelmshaven aufliegende Fregatten der Klasse 122 kurzfristig mit Reservisten wieder in Fahrt zu bringen, sind ja keine Dauerlösung. Das neue Weißbuch lässt leider keine Rückschlüsse auf den benötigten Umfang an Schiffen und Booten in unserer Marine zu. Sicherheitspolitik nach Kassenlage bleibt wohl erstmal das Maß der Dinge. Aber zu den Aktiva gehören nicht mehr ausreichend Flaggenstöcke geschweige denn das Personal, das diese Einheiten bewegen kann. Selbst die Pause in ATALANTA ist nur der Tatsache geschuldet, dass F123 und F124 einer großen Hard- und Software-Regeneration unterzogen werden müssen.
Attraktivität inklusive SAZV in der Marine funktioniert nur mit vernünftigen Pendlerunterkünften und Planbarkeit! Alles andere ist nur eine nette Zugabe.