Hellmich fordert Ultimatum im Konya-Streit mit der Türkei
Berlin. Im Streit um Besuche auf dem Nato-Stützpunkt Konya dringt der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Wolfgang Hellmich (SPD), auf ein Ultimatum an die Türkei. „Die Bundesregierung sollte schon eine klare Linie ziehen und sagen: Wir setzen eine Frist bis Ende August, dann muss eine Entscheidung gefallen sein“, sagte Hellmich der „Welt“. In der Nato müsse die Bundesregierung zudem „energisch darauf drängen, die Angelegenheit grundsätzlich zu klären. Wir können und wollen uns nicht von willkürlichen Fall-zu-Fall-Entscheidungen der Türkei abhängig machen.“
Die Türkei hatte zuletzt einen geplanten Besuch von Bundestagsabgeordneten bei den rund ein Dutzend deutschen Soldaten auf dem Nato-Stützpunkt Konya auf unbestimmte Zeit verschoben und dies mit den angespannten bilateralen Beziehungen begründet. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) pocht auf das Besuchsrecht. Die Bundeswehr gilt als „Parlamentsarmee“. Die Entsendung von Soldaten in bewaffnete Einsätze ist nicht ohne Zustimmung des Bundestags möglich.
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verteidigte den verschärften Kurs der Bundesregierung gegenüber der Türkei. Die letzten Reste an Kritik und Opposition in der Türkei „werden jetzt verfolgt, werden ins Gefängnis gesteckt, werden mundtot gemacht“, sagte Steinmeier im ZDF-Sommerinterview. „Das können wir nicht hinnehmen.“ CSU-Chef Horst Seehofer und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz machten sich für finanziellen Druck auf Ankara stark. Erdogan verbat sich jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten seines Landes, das „ein demokratischer, sozialer Rechtsstaat“ sei.
Außenminister Sigmar Gabriel hatte zuvor den hier lebenden Türken die Wertschätzung Deutschlands versichert. „Sie, die türkischstämmigen Menschen in Deutschland, gehören zu uns - ob mit oder ohne deutschen Pass“, schrieb der SPD-Politiker in einem am Samstag auf deutsch und türkisch verbreiteten offenen Brief. „Die Freundschaft zwischen Deutschen und Türken ist ein großer Schatz.“
Als Reaktion auf die Verhaftung des Menschenrechtlers Peter Steudtner und anderer Deutscher hatte das Auswärtige Amt seine Reisehinweise für die Türkei verschärft. Zudem stellt Deutschland die Absicherung von Türkei-Geschäften der deutschen Wirtschaft durch sogenannte Hermes-Bürgschaften auf den Prüfstand. Überdacht werden sollen auch Investitionskredite, Wirtschaftshilfen und EU-Vorbeitrittshilfen.
Nach einer Emnid-Umfrage für die „Bild am Sonntag“ ist eine große Mehrheit der Bürger in Deutschland mit der Türkei-Politik der Bundesregierung unzufrieden. 76 Prozent der Befragten sagten, dass sich die Berliner Regierung von Präsident Erdogan zu viel gefallen lasse. Nur 12 Prozent sahen das nicht so.
CSU-Chef Seehofer verlangte am Samstag bei einer Parteiveranstaltung, die EU solle bis 2020 vorgesehene Zahlungen von gut vier Milliarden Euro an die Türkei als EU-Beitrittskandidat stoppen. SPD-Chef Schulz forderte im Deutschlandfunk ebenfalls ein Einfrieren dieser Mittel: „Das sind konkrete Maßnahmen, die man sofort ergreifen kann.“ Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, forderte darüber hinaus, endlich deutsche Waffenexporte an die Türkei zu beenden und die Bundeswehr aus dem Stützpunkt Konya abzuziehen. „Die Bundesregierung muss gegenüber dem Erdogan-Regime aus dem Prüfmodus endlich in den Handlungsmodus kommen.“
Türkische Nachrichtenagentur nennt US-Standorte
Auch für andere Nato-Mitglieder ist die Türkei zurzeit ein eher schwieriger Partner. „Not amused“ zeigte sich in der vergangenen Woche das US-Verteidigungsministerium, weil eine türkische Nachrichtenagentur vertrauliche Daten über die Standorte von US-amerikanischen und französischen Spezialkräften im Norden Syriens veröffentlicht hatte. Die regierungsnahe Agentur „Anadolu“ hatte die genaue Lage von insgesamt zehn Stützpunkten der Anti-IS-Koalitionskräfte bekanntgegeben.
Betroffen sind acht Vorposten und zwei Flugfelder. Und damit nicht genug: Es wurden laut der französischen Tageszeitung „Le Monde“ auch präzise Angaben über die militärische Stärke vor Ort gemacht. So seien in einem Vorposten etwa 30 Kilometer nördlich der vom IS gehaltenen Stadt Rakka 200 amerikanische und 75 französische Spezialkräfte stationiert. Ein Pentagon-Sprecher sagte „Le Monde“ zufolge, dass durch die Agentur-Meldung die Koalitionskräfte „unnötigen Risiken“ ausgesetzt würden. „Wir wären sehr beunruhigt, wenn Verantwortliche eines Nato-Partners wissentlich unsere Truppen in Gefahr bringen, indem sie vertrauliche Informationen bekanntgeben“, sagte Adrian Rankine-Galloway weiter.
Die US-Administration habe dies der türkischen Regierung mitgeteilt. Das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und der Türkei hat sich stark abgekühlt, seitdem die US-geführte Koalition im Kampf gegen den Islamischen Staat verschiedene kurdische Gruppen unterstützt, darunter auch die YPG, die von der türkischen Regierung als Terror-Organisation eingestuft wird.