Gefeuerte Pfullendorf-Soldaten scheitern vor Gericht
Es war eine politisch brisante Verhandlung: Vier entlassene Soldaten aus der Skandal-Kaserne Pfullendorf wollten sich zurück in den Dienst klagen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen dürfte der Ministerin gefallen.
Sigmaringen/Berlin - Erniedrigt, gedemütigt, gemobbt - was vor knapp sechs Monaten aus der Pfullendorf-Kaserne an die Öffentlichkeit drang, brachte die ganze Bundeswehr in Verruf. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) griff deshalb hart durch, entließ mehrere Soldaten. Die wollten sich nun zurück in die Truppe klagen - und scheiterten dabei vor Gericht.
Was ist in Pfullendorf angeblich passiert?
Widerliche Berichte aus der Kaserne in der baden-württembergischen Provinz schockierten Ende Januar die Öffentlichkeit. Einmal ging es um angebliche sexuell-sadistischen Praktiken: Soldatinnen sollen demnach zu Tänzen an der Stange gezwungen und belästigt worden sein. Die anderen Vorwürfe betrafen quälerische Aufnahmerituale, sogenannte «Taufen»: Soldaten sollen aus ihren Stuben geholt worden sein, sie hätten einen Stiefelbeutel über den Kopf gestülpt bekommen und seien mit kaltem Wasser aus einem Schlauch abgespritzt worden, so der Vorwurf eines Mannschaftssoldaten. Von der Leyen hatte die Vorgänge in Pfullendorf als «abstoßend und widerwärtig» bezeichnet.
Und was ist wirklich passiert?
Das ist nach wie vor unklar. Die Staatsanwaltschaft Hechingen hat einen Teil der Vorwürfe bereits wieder entkräftet - zumindest was die sexuell-sadistischen Praktiken betrifft, sei die Sachlage verkürzt dargestellt worden. Es gebe dabei keine Hinweise auf Straftaten in der Sanitäterausbildung, so die Strafverfolger. Wegen der Aufnahmerituale ermittelt die Staatsanwaltschaft noch immer gegen sieben Soldaten wegen Freiheitsberaubung, Nötigung und Körperverletzung.
Was hatte der Skandal für Folgen?
Von der Leyen hat den Pfullendorfer Kommandeur versetzt. Der Offizier hatte die Ministerin daraufhin attackiert und gesagt, er fühle sich als «Bauernopfer». Neben mehreren Disziplinarverfahren und Versetzungen wurden fünf Soldaten zudem fristlos entlassen. Mit der Teilnahme an «Taufen» neuer Kameraden im Herbst 2016 und im Januar 2017 sollen die Soldaten ihre Dienstpflichten verletzt haben. Ihr Verbleiben in der Bundeswehr würde die militärische Ordnung und das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden, hatte es geheißen. Das bestätigte das Gericht in seinem Urteil.
Was kam bei der Verhandlung ans Licht?
Im Gericht wurden am Mittwoch Videos gezeigt, die nach Angaben der Soldaten das Üben einer Gefangennahme zeigen sollen. Ein Mann wird von mehreren Soldaten aus dem Bett gerissen, mit Sack über dem Kopf und Händen auf dem Rücken wird er abgeführt - dann endet das Video. Ein anderer Film zeigt, wie ein Soldat in Tarngrün gekleidet und mit ABC-Maske im Gesicht zwei zivil gekleidete und auf Stühle gefesselte Männer in der Dusche abspritzt. Dabei ist der Ruf «Allahu Akbar» (Gott ist groß) zu hören.
Wie reagierte der Richter darauf?
Er sagte, es mache für ihn nicht den Eindruck, als ob Soldaten das Verhalten im Fall ihrer eigenen Gefangennahme übten. Vielmehr fühle er sich an Berichte aus Abu Ghreib erinnert. In dem Gefängnis im Irak waren Gefangene gefoltert worden. Es spiele auch keine Rolle, dass die «Opfer» den Ritualen zugestimmt haben sollen, wie die Soldaten behaupten. Vielmehr gehe es darum, ob es sich um Fehlverhalten nach Soldatengesetz handle.
Wieso war die Verhandlung politisch brisant?
Weil damit in der schwäbischen Provinz ein Skandal, der bundesweit hohe Wellen schlug, ein weiteres Stück aufgearbeitet wurde. Und weil es nicht nur um das Dienstverhältnis einfacher Soldaten geht, sondern auch um das Skandalmanagement einer Ministerin. Von der Leyen wird vorgeworfen, sie habe die Pfullendorf-Affäre aufgebauscht, um sich als Problemlöserin zu profilieren. Die Bestätigung des Gerichts dürfte ihr aber in die Hände spielen.