Unfassbare Zerstörung nach der Flutkatastrophe im Ahrtal. Foto: Gerald Arleth

23.09.2021
Günter Schwarz

Flut im Ahrtal: Dankschreiben der sKERH Kreis Ahrweiler

Der Vorsitzende der sKERH Kreis Ahrweiler, Günther Schwarz, lebt im Ahrtal. Er schildert in einem Brief die verheerenden Auswirkungen der jüngsten Flukatastrophe, beschreibt aber auch die vielen Rettungs- und Hilfsaktionen, die die Menschen im Ahrtal erreicht haben und bis heute erreichen. Lesen Sie dazu hier sein Dankesschreiben:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kameradinnen und Kameraden,


ja, uns im Ahrtal hat es wirklich schwer erwischt.
Wer oder was dafür verantwortlich gemacht wird, das zu entscheiden überlasse ich anderen.
Wir haben fünf Flutopfer in unserer Kameradschaft zu beklagen.
Den Hinterbliebenen das Beileid auszusprechen, und dabei zuzuhören, wie Ihre Angehörigen ums Leben gekommen sind, ich kann Ihnen sagen, das ist schwer zu verkraften. Und wenn Sie dann noch bei den öffentlichen Essensausgabestellen hören was viele andere Menschen berichten als Sie um ihr Leben gekämpft haben oder wie sie ohnmächtig miterleben mussten, wie andere ums Leben kamen. Wenn Sie sich das schlimmste vorstellen, kommen Sie sicher nicht an die Realität. Da sehen Sie, wie ein Wohnmobil am Haus vorbeitreibt und wie die Menschen drinnen um Hilfe schreien.
Die Bilder, die da im Kopf entstehen, sind nicht leicht zu löschen.

Viele haben ihr gesamtes Hab und Gut verloren, sehen sich der Existenzangst ausgesetzt. Wir hoffen sehr, dass die vom Staat versprochenen Hilfen auch ankommen.
Alle Brücken, bis auf die Piusbrücke sind zerstört. Überlegen Sie sich mal, wie Sie aus Ihrem Ort herauskommen, um sich selbst zu versorgen, wenn THW, DRK und andere Hilfskräfte hineinkommen wollen, und das über eine einzige Straße.
Nicht einfach und in der Praxis stundenraubend.


Wir an der Ahr haben uns zunächst in Eigenhilfe an die Arbeit gemacht. Haben tagelang Schlamm geschoben, Keller ausgepumpt, Einrichtungsgegenstände rausgeschmissen. Die Hilfsbereitschaft untereinander war und ist bis jetzt unvorstellbar. Der Müll stapelte sich turmhoch auf den Straßen. Bereits zu Anfang schlug die Stunde der Winzer, Bauern und all derjenigen, die schweres Gerät einsetzen konnten. Und das taten sie ohne Wenn und Aber.
Gleichzeitig lief die Hilfe von außen an.
Auch über diese Hilfe sind wir unendlich dankbar.
Unzählige Helfer haben sich eingebracht. Ohne die wären wir noch lange nicht so weit.
Tausende Freiwillige lassen sich mit Bussen herankarren, haben Gummistiefel an, bringen Besen, Schaufel und Werkzeug mit. Sie fragen nicht wem sie helfen sollen. Sie sehen die Arbeit und tun sie. Und das nicht nur ein Mal. Inzwischen sind tiefe Freundschaften entstanden.
Auch die ortsansässigen Kräfte der „Blaulichtfamilie“ sowie aus der nahen Umgebung waren sofort zur Stelle und haben unter Einsatz ihres eigenen Lebens Menschen gerettet. Der durchschlagskräftige Rest der großen Hilfsorganisationen wurde kurze Zeit später eingesetzt. Ohne deren Hilfe, kein Essen, kein Trinkwasser und viele andere lebensnotwendige Dinge hätten uns gefehlt. Darüber, wie deren Einsatz koordiniert wurde, lässt sich trefflich streiten.


Auch das Wirken meiner Kameradinnen und meiner Kameraden der Bundeswehr, uniformiert oder nicht, hat hier im Ahrtal einen tiefen Eindruck hinterlassen. Mehrere Tage ohne Strom, ohne Wasser, ohne Telefon, Handy nur für den absoluten Notfall. Denn Sie wissen nicht wann Sie den Akku wieder aufladen können. Warmes Essen vom uralten Fonduegerät, das mit Spiritus betrieben wird. Ravioli darauf zubereitet schmecken wirklich lecker. Das Fondue auch noch Nachbarn verleihen und die Dankbarkeit zu erfahren, genial.
Die Infrastruktur nachhaltig zerstört. Auf absehbare Zeit kein Gas. Das bedeutet kaltes Wasser, aber immerhin Wasser. In der jetzt kommenden Jahreszeit und das ist viel schlimmer, keine Heizung.
Jetzt sind wir bei vielen im Stadium, dass die Wohnungen in den Rohbau zurückgebaut sind und die Bautrockner laufen. Viele leben in widrigen Umständen weiter in Ihren Wohnungen. Andere haben Unterschlupf bei Verwandten, Freunden oder in einer Ferienwohnung gefunden.
Einige meiner Kameraden und Kameradinnen haben sich bereits abgemeldet. Sie haben sich entschlossen, das Ahrtal zu verlassen.


In dieser großen Notlage bringen sich fast unbemerkt KERHs ein und helfen.
Da organisieren benachbarte KERH Hilfslieferungen. Sie beinhalten auch Kleiderspenden.
Können Sie sich vorstellen, wie das ist, wenn Sie am Abend ins Bett gehen und am nächsten Tag nichts mehr anzuziehen haben?
Dann können Sie mitfühlen wie es ist, wenn Sie nach Tagen eine saubere Unterhose angeboten bekommen.
Und da gibt es Kameradschaften die schon seit Anfang der Katastrophe Unterstützung leisteten und Orte an der Ahr mit Hygieneartikel und Gebrauchsgegenständen versorgten. Die fahren mehrere Tage die Woche die Orte an der Ahr an. Und ich kann Ihnen sagen, die Orte sind nicht leicht zu erreichen.
Andere Kameradschaften spenden das Geld, das zur Ausrichtung ihrer Feste gedacht war.
Das werden wir in unserer Kameradschaft auch tun.
Eine andere Kameradschaft veranstaltet einen „Suppentag“. Wollen das Geld für einen Helfer und einen Betroffenen spenden. Wir begrüßen das.
Ich schildere hier nur einige Fälle.
Ich bin mir sicher, dass viele Aktivitäten anderer Kameradschaften an mir vorbeigegangen sind.
Ich danke all denen, die im Hintergrund helfen.
Auch die Spendengelder, die über die Organisationen an Bedürftige ausgeschüttet werden, kommen sehr gut an. Danke allen dafür.


Wie Sie vielleicht bemerkt haben, will ich keine Hilfe bzw. Kameradschaft besonders hervorheben.
Die Hilfen kommen aus allen Teilen unseres Landes.
Ich möchte nicht in Ungnade fallen, indem ich den einen erwähne und den anderen nicht. Ich will zusammenfassen.
So lange die Welle der Solidarität und die Hilfsbereitschaft höher ist als die Flutwelle der Nacht, ist mir um das Ahrtal und seine Bewohner und damit um unsere Kameradinnen und Kameraden nicht bange.
Helfen Sie uns weiter.
Danke.


Gruß und bleiben Sie schön senkrecht
Günter Schwarz
Vorsitzender

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