Ernste Reden im Herzen der Fröhlichkeit
Generalinspekteur Eberhard Zorn und der Bundesvorsitzende des Deutschen BundeswehrVerbandes, Oberst André Wüstner, waren zu Gast beim Landesverband Süddeutschland und analysierten die gegenwärtige und künftige Lage der Bundeswehr sowie die allgemeine Sicherheitslage.
Bamberg. Womit soll man beginnen? Mit der ansteckend wirkenden heimat- und erdverbundenen Herzlichkeit und der „Kultur der Fröhlichkeit“, die das dreitägige Treffen aller acht Bezirke des von Stabsfeldwebel a.D. Gerhard Stärk kameradschaftlich geleiteten Landesverbandes Süddeutschland in Bamberg durchwehte?
Oder mit den bisweilen von tiefer Ernsthaftigkeit geprägten Reden zur Situation und Zukunft der Bundeswehr sowie zur globalen Sicherheitslage schlechthin, die Generalinspekteur Eberhard Zorn und der Bundesvorsitzende des Deutschen BundeswehrVerbands, Oberst André Wüstner, vor fast 300 süddeutschen DBwV-Mitgliedern im Kongresszentrum mit dem Spitznamen „Das Schiff“ direkt an der Regnitz konzentriert vortrugen?
Oder doch – aber das wäre vielleicht Werbung – mit den „weltbesten Bio-Keksen“, die es bei Hans-Walter Teßlers Ehefrau gibt, wie Oberst Wüstner nach einem Hausbesuch des lange Zeit schwer erkrankten DBwV-Bezirksvorsitzenden für Oberbayern noch immer schwärmend zu berichten wusste?
Die Bundeswehr, machte Oberst Wüstner in Bamberg – in Anwesenheit auch von Hauptmann a.D. Teßler – deutlich, befindet sich momentan in einer entscheidenden Phase für ihre Zukunft. „Wenn es nicht gelingt, in wenigen Jahren die Bundeswehr zumindest erkennbar in eine Veränderung zu führen, dann wird es echt schwierig für diese Bundeswehr, sagte Oberst Wüstner. „Das muss uns bewusst sein.“
Die Voraussetzungen, dass dies gelingen kann, seien derzeit so günstig wie seit sehr vielen Jahren nicht, sagte Wüstner. So habe der Deutsche BundeswehrVerband im zurückliegenden Halbjahr gleich zwei große Erfolge erringen, zwei große Projekte verwirklichen können: Die Bundeswehr erhielt das Sondervermögen, das der Verband bereits vor einem Jahr angemahnt hatte; darüber hinaus wurde das vom Verband seit langem geforderte „Sofortprogramm persönliche Ausstattung“ um etliche Jahre vorgezogen. „Statt 2031 wird es zeitlich nach vorne gezogen auf 2024/25/26“, sagte Oberst Wüstner. „Auch das ist gelungen.“ Das Parlament habe diese Forderung des Verbandes sogar in einer Phase der vorläufigen Haushaltsführung realisiert.
Zur Wertschätzung, die der Bundeswehr auf höchster politischer Ebene seit einigen Monaten verstärkt entgegengebracht wird, gehört auch, dass Bundeskanzler Scholz sich regelmäßig alle vier Wochen von Generalinspekteur Zorn zur aktuellen Lage und „wo wir eigentlich stehen“ vortragen lässt.
„Wenn es nicht gelingt, in wenigen Jahren die Bundeswehr zumindest erkennbar in eine Veränderung zu führen, dann wird es echt schwierig für diese Bundeswehr. Das muss uns bewusst sein.“
Oberst André Wüstner, Bundesvorsitzender des Deutschen BundeswehrVerbandes
Was so positiv erscheint, kann jedoch ins Gegenteil umschlagen. Wenn es jetzt nicht gelinge, Menschen zu motivieren, an einer stabilen, dauerhaften Verbesserung der Situation der Bundeswehr mitzuwirken, „haben wir ein großes Problem“, sagte der Bundesvorsitzende Oberst Wüstner.
Die Motivation, die der Bundeswehr nützt, kommt oft auch zivil daher, wenngleich es nicht selten Mitglieder des Deutschen BundeswehrVerbandes sind, die solche Motivationen ausstrahlen, wie Oberst Wüstner mit größter Anerkennung hervorhob. Hans-Walter Teßler beispielsweise steht nicht nur an der Spitze des DBwV-Bezirksverbands Oberbayern, sondern auch an der eines Sportvereins mit 1300 Mitgliedern. Und das ist kein Einzelfall für das motivierende Engagement vieler Mitglieder des Deutschen BundeswehrVerbands.
„Wir haben viele Menschen, die auch gesamtgesellschaftlich einen Beitrag leisten, egal in welchem nachgeordneten Politikfeld. Wir haben auch sehr viele Mitglieder, die in Sportvereinen aktiv sind“, sagte der Bundesvorsitzende André Wüstner. Sie alle seien „klassische Staatsbürger, die nicht nur an Rechte, sondern auch an Pflichten denken, die überlegen, was sie dazu beitragen können, damit diese Gesellschaft zusammenhält. Es ist faszinierend zu sehen, wie viele Mitglieder auch noch gesellschaftlich tätig sind“, sagte Wüstner.
Wie wichtig all dies ist, machte Generalinspekteur Eberhard Zorn in seinem Vortrag deutlich, in dem er anschaulich machte, was es bedeutet, das Ziel russischer Aggression zu sein. „Ziel ist es, alles zu zerstören, inklusive ziviler Infrastruktur“, sagte Zorn mit dem Blick auf die Ost-Ukraine. „Dann folgt der Rest des Angriffs hinterher. Das ist im Augenblick das Lagebild, das wir haben. Das Nähren eines solchen Angriffs kann noch länger andauern.“
Die russische Militärmaschinerie habe ihr Zerstörungspotential längst nicht voll entfaltet, sagte Generalinspekteur Zorn. „Wir fokussieren zur Zeit auf die Landstreitkräfte, aber es gibt noch massenhaft Luftstreitkräfte und eine ganze Reihe von Seestreitkräften, die noch gar nicht in den Krieg eingegriffen haben“, sagte Zorn. „Und dann haben sie noch die kompletten Raketenstreitkräfte. Wir betrachten da vor allem Kaliningrad mit dem Bedrohungspotenzial bis Frankreich.“
In einem Jahr, so ist es für die drei Tage vom 10. bis 12. Juli 2023 geplant, wird sich der DBwV-Landesverband Süddeutschland erneut in Bamberg zusammenfinden. Auf die etwa 450 Teilnehmer wird dann die verantwortungsvolle Aufgabe zukommen, einen neuen Landesvorstand zu wählen. Zwei Dinge stehen jetzt schon fest. Erstens wird es einen neuen Landesvorsitzenden geben. Und dieser wird sich, zweitens, in riesigen Fußstapfen zurechtfinden müssen.
Stabsfeldwebel a.D. Gerhard Stärk wird nicht erneut für den Landesvorsitz kandidieren, er wird in den Ruhestand gehen – was dies bei ihm auch heißen mag. Bei Gerhard Stärk, wie man ihn kennt, bedeutet Ruhestand vermutlich vor allem eines: dass er mehr Zeit hat, noch mehr neue Mitglieder für den Deutschen BundeswehrVerband zu werben.